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Zeichnungen nach, daß dieses bei der herkömmlichen Stützenstell
ung zwischen Mittel- und Seitenschiffen, ohne weiteres möglich
war, bei den Mittelschiffen aber nicht. Letztere wurden erstmals
zwischen 1050 und 1100 im Rhonethal und in Burgund, allwo
es nicht an römischen Vorbildern gebrach, mit halbkreisförmigen
Tonnen gewölbt, aber, bei der großen Gewölbedicke und der
Höhe der Widerlager in einer so wenig stabilen Weise, daß man,
sofort nach der Ausschaalung, Verschlauderungen anbringen und
für klinftige Fälle auf Verringerung der Tonnendicke, unter An
wendung von verstärkenden Querrippen und auf gleichzeitige Ver
stärkung der Widerlagsmauern, mittelst der inneren Vorlagen unter
den Querrippen und äußerer in Form von Strebepfeilern, sinnen
mußte. Etwas später kam als weiteres zienllich ausgiebiges
Mittel für die Verringerung des Gewölbeschubs auch noch die
Vertauschung des halbkreisförmigen mit dem spitzbogigen Tonnen-
prosil auf. Im Süden Frankreichs ging man noch weiter, indeni
man auf den basilikalen Querschnitt verzichtete und die Seitenschiffe
mit viertelkreisförmigen Oiewölben bedeckte, welche, indem ihre ein-
seitigen Scheitel bis an die Basis der Mittelschifftonne hinaufreichten,
den Seitenschub dieser letzteren großtentheils aufwogen und den
Rest auf die mit Sterbepfeilern verstärkten Seitenschiffmauern
übertrugen. Kirchen dieser Art haben sich bis auf den heutigen Tag
erhalten, sind aber in den obern Theilen des Mittelschiffes dunkel;
auch eine spitzbogige Mittelschifftonne mit Quergnrten steht, trotz
des basilikalen Querschnittes, wegen der nachträglich angefügten
Strebebögen in Antun noch aufrecht, während alle übrigen zu
Grunde gegangen sind. Alan machte deßhalb in Burgund schon
um das Jahr 1100 Versuche, den Kirchengrundriß so umzuge-
stalten, daß das Mittelschiff ebenso wie die Seitenschiffe mit
quadratischen durch Quergurten getrennten Kreuzgewölben römischer
Art bedeckt werden konnte. Eine Nebeneinanderstellung der Joch-
bildungen zweier gleich breiter Kirchen, wovon das Mittelschiff
der einen mit Tonnengewölben, das der anderen mit solchen
Kreuzgewölben bedeckt ist, macht die Vorzüge der letzgenannten
Wölbungsweise sehr augenfällig. Man sieht, daß bei besserer
Erhellung des Innern die Widerlager um die halbe Mittelschiff
weite tiefer gelegt werden können und daß deßhalb die ganze
Anlage viel wohlfeiler, schöner und stabiler wird, als bei der An
wendung der Tonnenwölbung. Mit der Einführung der Kreuz-
wölbung über den Mittelschiffen wurde somit ein erster großer
Fortschritt gemacht, der auch nach Deutschland, jedoch erst gegen
die Blüte des 12. Jahrhunderts übertragen wurde. Indeß war
auch dieser Versuch keineswegs frei von Mängeln. Der haupt
sächlichste davon beruht darauf, daß der ganze Kirchengrundriß
aus einem System von lauter Quadraten bestehen niuß, was
unter Umständen eine sehr unbequeme Fessel werden kann; die
anderen Mängel beruhen auf der Gewölbeart an sich: die Kappen
sind in der Regel zwar mit möglichst leichten lagerhaft brechenden
dünnen, unbearbeiteten Bruchsteinen aber 30 bis 40 am dick,
gewölbt, sie sind also immerhin schwer und einen starken Seiten
schub ausübend; sodann haben sie auf den Gräten fast keinen
Verband, auch ist das Gewölbe in der Nähe des Scheitels etwas
zu flach. Die Schaalung wurde, wenn die Quergnrten fehlten,
der Länge nach durchlaufend angelegt, und diejenige für die
Seitenkappen auf die durchlaufende aufgeschiftet, elliptische Grat-
schaalbögen waren somit unnothig. Letztere hätten zwar auch
beim Vorhandensein von Quergurten unigangen werden können,
doch wurden in diesem Fall in der Regel kreissegmentförmige
Gratschaalbögen angewendet, nnd zwar so, daß der Scheitel
des Gewölbefeldes beträchtlich höher zu liegen kam, als die
Scheitel der halbkreisförmigen Schildbogen. Wenn man da
nach von den halbkreisförmigen Schildbögen nach diesen kreis-
segmentsörmigen Gratbögen die geraden Schaalhölzer in der üb
lichen Richtung legte, so erhielt die Schaalfläche oben, in der
Nähe des Gcwölbescheitels eine so starke Einsenkung mit einem
scharfen Bruch auf der Mittellinie, daß unmöglich direkt auf der
Schaalung gewölbt werden konnte, vielmehr die Einsenkung vor
her mit eineni allseitig aufwärts gekrümmten Erdpolster ausge
füllt werden mußte. Hiedurch entstanden die Kreuzgewölbe nnt
sogenannten Bogenstichen, deren überhöhte Scheitel nicht mehr so
flach waren wie die der gewöhnlichen Kreuzgewölbe, daher auch
eine geringere Kappendicke zuließen und im Ganzen einen ge
ringeren Schub auf die Seitenmauern ausübten. Diese Art der
Wölbung, welche eine Form ergab, die ein Mittelding ist
zwischen einer Pendentivkuppel nnd einem gewöhnlichen Kreuz
gewölbe, war also immerhin eine kleine Verbesserung des letzteren,
ihre Ausführung aber sehr umständlich; auch gehören zu ihrer
Vervollständigung noch Schildrippen, welche den Quergnrten ent
sprechen. Wäre der Diagonalbogen völlig halbkreisförmig ge
macht worden, so wäre eine völlige Pendentivkuppelform ent
standen. Solche Gewölbe wurden in der zweiten Hälfte des
12. Jahrhunderts überall in Deutschland ausgeführt. —
Die Einsenkung der Schaalfläche rührt daher, daß die Kurve
des Gratschaalbogens rechts und links von dessen Scheitelpunkt
zu hoch ist, wenn man also beiderseits hinlänglich davon ab
schneidet, so kann man die Einsenkung so beseitigen, daß direkt
auf der Schaalung ohne zu Hilfenahme eines Erdpolsters ge
wölbt werden kann. Diese Art der „Wölbung mit geradem
Stich" wurde in der zweiten Hälfte des 12, Jahrhunderts neben
der vorher beschriebenen mit dem „Bogenstich" sehr häufig in
allen Theilen Deutschlands, besonders oft in Thüringen, West-
phalen ic., ausgeführt. Die Gratlinie hat dabei eine Spitzbogen
form. Mathematisch konnte man dieselbe ermitteln, wenn man den
Schildbogen stets parallel der Schildebene an der geraden Kappcn-
scheitellinie Hinaufrücken würde, die Schnittpunkte desselben mit der
fenkrechten Gratebene ergäben alsdann die mathematisch richtige
Gratlinie, welche aus zwei sich schneidenden Elipsenzweigen besteht.
Der Vortragende berichtet ferner, daß in Burgund schon zu
Anfang des 12. Jahrhunderts und in Deutschland bald nach
1150 aus besonderen Veranlassungen auch Kreuzgewölbe über
oblongen Feldern ausgeführt worden sind. Als deutsches Bei
spiel führt er die Schiffgewölbe in der Abteikirche p Laach an,
wobei er aber, mittelst eingehender Darlegung der überhaupt
möglichen Bildungsgesetze für Kreuzgewölbeflächen nachweist, daß
die Darstellung dieser Gewölbe in der sonst ausgezeichneten Mo-
nographie von Geier und Gorz jedenfalls unrichtig ist. Wir
müssen uns von hier an begnügen nur andeutend den Gang und
die Resultate des Vortrags anzugeben, weil ein ausgiebigerer
Bericht eine ziemliche Anzahl von Zeichnungen nöthig machen
würde und der Vortragende zudem eine besondere Publikation
seiner Untersuchungen in Aussicht genommen hat. Aus seinen
Mittheilungen ersah man die für jene Zeit großen Schwierig
keiten welche man bei der Ausführung von Gewölben über
Feldern, die stark vom Quadrat abwiechen, zu überwinden hatte,
während man die meistens vorkommenden kleineren Abweichungen
mit relativ einfachen Mitteln zu bewältigen im Stande war.
SOfit Hilfe von Modellen wurde hienach die einfachste Art des
möglichen Gratverbandes der aneinanderstoßenden Kappenschichten
gezeigt und zugleich erläutert, warum derselbe, bei der allgemein
üblichen Verwendung von rohen Bruchsteinen als Wölbmaterial,
nur selten angestrebt werden konnte, vielmehr meistens, den
ganzen Grat entlang, eine Stoßfuge belassen wurde. Um diesen
augenfälligen Mißstand unschädlich zu machen, verfiel man gegen
den Schluß des 12. Jahrhunderts auf den Gedanken, Quader
bogen, sog. Diagonal- oder Kreuzrippen, unter den Gräten an
zubringen, welche die zunächst allein beabsichtigte Verstärkung der
letzteren bewirkten, bald aber auch p der Erkenntniß führten,
daß man mit ihrer Hilfe bei starker Auswärtskrümmung der
Kappenschichten auch noch die Kappenmaurung ganz aus freier
Hand ohne Stütz- oder Lehrschaalung ausführen könne. Das so
entstandene quadratische Kreuzgewölbe mit halbkreisförmigen Quer-
und Schildrippen und mit nahezu oder völlig halbkreisförmigen
Diagonalrippen, das man häufig kurzweg romanisches Rippen-
gewolbe nennt, ist nicht nur viel bequemer, sondern auch mit
Kappendicken ausführbar, welche nur wenig mehr als die Hälfte
der vorher nöthig gewesenen Dicken betragen. Es übt dieses
Gewölbe somit einen viel kleineren Seitenschub aus und ist un
streitig die glänzendste Errungenschaft der romanischen Architektur,
der nur noch der Mangel anhaftet, daß sie ebenfalls noch, wenn auch
minder gebieterisch, quadratische Gewölbefelder erheischt und. aus