Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1884)

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Für den 27. August waren zwei größere Ausflüge, der 
eine nach Kloster Bebenhausen, der andere nach Kloster Maul 
bronn, und zwei kleinere Exkursionen in die Nähe von Stutt 
gart vorgesehen. Der Ausflug »ach Bebenhausen zählte über 
200 Teilnehmer, Herren und Damen. Für die Fahrt nach 
Tübingen und zurück hatte das K. Finanzministerium in zuvor 
kommendster Weise einen Extrazug, und für die Fahrt zwischen 
Tübingen und Bebenhausen Se. Majestät eine größere Zahl 
von Wagen zur Verfügung gestellt. Nach beendigter Besichtigung 
der Klosterräume und der königlichen Geniächer versammelte sich 
die ganze Schar der Teilnehmer im Sommerrefektorium, um 
dort sich an einem von königlicher Huld gespendeten herrlichen 
Imbiß zu laben. Dem Dank für all das an diesem Tage Ge 
botene wurde durch begeisterte Toaste auf S. M. den König, 
I. M. die Königin, S. Exe. den Herrn Finanzminister Dr. 
v. Renner Ausdruck gegeben. An das K. Hoflager nach 
Friedrichshafen gieng nachstehende von Stadtbaumeister Stübb en 
aus Köln verfaßte, poetische Dankesbezeigung ab: 
Baukünstür viel aus allen deutschen Gauen, 
Viel deutsche Magdlein auch und deutsche Frauen, 
Betreten eines Königs gastlich Haus, 
Und laben Geist und Leib an eines Königs Schmaus; 
Dem unser Herz in Dank entgegenschlageu muß: 
Dem Schwabenkönig unsern ehrfurchtsvollsten Gruß! 
Auch wurde mit den in Maulbronn weilenden Kollegen, 
die ebenfalls durch reiche Gastfreundlichkeit erfreut worden waren, 
telegraphischer Verkehr gepflogen. In heiterster Stimmung er 
folgte die Heimfahrt. 
Nicht minder gelungen, als diese Exkursion, war die Fahrt 
nach Maulbronn. Zwar hatten sich an derselben nur etwa 
40 Personen beteiligt, doch that dies dem heiteren Verlauf des 
Ganzen in keiner Weise Eintrag. In geschniückten Wagen 
wurde der Weg von der Station nach dem zu Ehren der Gäste 
beflaggten Maulbronn zurückgelegt. Mit einem kräftigen „Grüß 
Gott, Ihr deutschen Meister" wurden die Ankommenden am Kloster 
eingang durch ein Spalier kostümierter Arbeiter und am Paradies 
zur Erhöhung der Wirkung von zwei bärtigen Zisterzienser 
mönchen begrüßt. Nach eingehender Besichtigung aller Kloster 
räume sammelte sich die Gesellschaft im Sommerrefektorium (Reben 
thal), wo sie durch einen Gesang der Seminaristen empfangen 
und dann zu der vom K. Finanzministerium gespendeten und mit 
Elfinger und kalten Speisen besetzten Tafel, geladen wurden. 
Wie in Bebenhausen so fand auch hier das allseitig em 
pfundene Dankgefühl durch Toaste auf Ihre Majestäten, das 
K. Finanzministerium rc. Ausdruck. 
Von den beiden kleineren Exkursionen galt die erste der 
Besichtigung der Zahnradbahn Stuttgart-Degerloch, die zweite 
derjenigen der städtischen Wasserwerke, der elektrotechnischen 
Fabrik Cannstatt und der Maschinenfabrik von G. Kuhn in 
Berg. Es mögen an beiden Ausflügen je etwa 40 Personen 
teilgenommen haben. Bei Besichtigung der städtischen Wasser 
werke hatte sich Oberbürgermeister Dr. v. Hack zur Begrüßung 
der Gäste eingefunden und Oberbaurat Dr. v. Eh mann die 
Führung in hingebenster Weise, die benötigten Gefährte dahin 
zur Verfügung stellend, übernoinmen. Nach Durchgang des 
Kuhn scheu Anwesens wurden die Anwesenden vom Besitzer zu 
einem trefflichen Imbiß geladen. 
Die letzte und am zahlreichsten besuchte Exkursion kam am 
28. August nach Ulm zur Ausführung. Der mit reich ge 
schmückter Lokomotive versehene, von der K. Eisenbahnverwaltung 
gebotene Extrazug hatte wohl über 300 Herrn und Damen 
ausgenommen. In Ulm wurde die Gesellschaft mit Musik em 
pfangen und von Oberbürgermeister v. Heini und dem Münster- 
baukomite begrüßt. Etwa ein Drittel der Teilnehmer begab 
sich nach eingenommenem Frühstück nach Gögglingen um dort 
die Korrektionsbauten an der Donau zu besehen, während die 
Übrigen in Ulin verweilten, um sich mehr der Architektur zu 
zuwenden. Nach den: auf der Wilhelmshöhe im Freien ein 
genommenen Frühstück wurde der Gang durch die Stadt und zum 
Münster angetreten. In den imposanten Räumen dieses Bau 
werks hatten sich die Singchöre Ulms vereinigt, um den Fest 
gästen einen stimrnungsvollen Empfang zu bereiten: Herrlich 
durchklang Beethovens „Die Himmel rühmen" den gewaltigen 
Raum. Es folgte hierauf eine eingehende Besichtigung der 
ausgestellten Pläne und Modelle für den Turmausbau des 
Münsters, von Vielen auch eine Besteigung der Türine, ferner 
die Besichtigung des Rathauses, des Neubronnerschen Hauses, 
— Gewerbemuseum — und sonstiger Sehenswürdigkeiten. 
Während dieser Zeit hatte die Jngenieurexkursion die 
Korrektionsarbeiten an der Donau besichtigt und war von der 
K. Ministerialabteilung für Straßen- und Wasserbau bewirtet 
und auf beflaggten Schiffen die Donau hinab nach Ulm geführt 
worden. Beim Mittagsmahl auf der Wilhelmshöhe vereinigte 
sich wieder die ganze Gesellschaft — zum Beschluß der Festtage. 
Zunächst ergriff Oberbürgermeister v. Heim das Wort, um die 
Gäste zu begrüßen, dem Verbände für die Förderung des Münster 
ausbaues zu danken und auf den um die Restaurationsarbeiteu 
und Ausbauprojekte hochverdienten Hofbaudirektor v. Egle ein 
Hoch auszubringen. Professor Stier aus Hannover toastierte 
hierauf auf Stadt und Münsterbaukomite Ulm, v. Egle die 
Leistungen, der früheren Münsterbaumeister nicht vergessend, auf 
den dermaligen Münsterbaumeister Professor Beper. Dekan 
Presse! behandelte die Bautechniker in einem launig gehaltenen 
Gedicht, und Oberingenieur Andreas Meyer aus Hamburg ge 
dachte in heiterer Ansprache der Fortschritte im Verkehrswesen, 
um von da auf Freizüge zu kommen, welche den Besuchern der 
Generalversammlung geboten worden waren, und schließlich der 
Dankbarkeit hiefür durch eiu Hoch auf den Chef der württem- 
bergischen Verkehrsanstalten, S. Excellenz den Herrn Minister 
präsidenten Dr. v. Mittnacht Ausdruck zu geben. 
Die Stunde der Trennung kani rasch heran, und es ergriff 
zum Schluffe noch der Präsident Oberbaurat v. Schlierholz 
das Wort, um allen denen, die zur Hebung und Verschönerung 
der nunmehr ihrem Abschlüsse nahen Festtage beigetragen haben, 
den Gästen, namentlich aus Österreich und der Schweiz, für ihr 
Erscheinen zu danken, allen glückliche Heimreise zu wünschen und 
die Hoffnung auszusprechen, daß die in Stuttgart verlebte Zeit 
jedem in freundlicher Erinnerung bleiben und eine Festigung 
des alle umschließenden Bandes gemeinsamer Bestrebungen aus 
dem weiten Gebiete der Baukunst bewirken möge. 
Die ersten, welche den Heimweg antreten mußten, waren 
die Wiener Gäste. Ein brausendes Hoch klang ihnen nach. 
Auch für die Zurückgebliebenen nahte bald die Zeit der Abfahrt. 
Die in jeder Hinsicht günstig verlaufene Exkursion nach Ulm 
gab dem Ganzen einen harmonischen Abschluß. 
Über die kleineren Vergnügungen ist folgendes zu 
berichten: 
Auf den Abend des 25. August hatte die Stadt Stuttgart 
die Festgäste zu einer musikalischen Unterhaltung in den hübsch 
beflaggten und beleuchteten, meisterhaft durch Garteninspektor 
Wagner angelegten und ebenso gepflegten Stadtgarten ge 
laden. Das Wetter war prächtig, so daß trotz der vorher 
gegangenen Anstrengungen die Meisten sehr lange aushielten. 
Am gleichen Abend wurde im K. Hoftheater „Entspekter Bräsig" 
gegeben. Zu dieser Vorstellung stellte S. M. der König 100 Frei 
billets gnädigst zur Verfügung. 
Am Nachmittag des 26. August fand im großen Saal der 
Liederhalle, der durch Oberbaurat v. Leins nebst seinen Zu 
gängen mit Grün, Wappen, Emblemen, der Namen ausgezeich 
neter verstorbener Baumeister als Eytelwein Schinkel, 
Semper, Ghega Etzel und Klenze und dergl. prächtig 
dekoriert war, das Festmahl statt. An 300 Teilnehmer — Damen 
und Herrn — hatten sich eingefunden. 
Den ersten Trinkspruch brachte Baurat Dr. Ho brecht 
aus Berlin aus. Er führte den Satz aus: Kunst und Wissen 
schaft kennen keine politischen Grenzen, besprach das Wesen und 
die Aufgabe des Verbandes deutscher Architekten und Ingenieure, 
der nicht gekommen sei zu ernten, sondern zu säen, der dazu 
aber Platz nötig habe vom Fels zum Meer. Den Männern, 
welche das geteilte Deutschland zu verknüpfen gewußt, dem
	        
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