Full text: Versammlungs-Berichte / Württembergischer Verein für Baukunde in Stuttgart (1885/86)

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fügen habe. Zur Beratung der Frage über Mängel im Konkurrenz- 
wesen wird eine Kommission gewählt, bestehend ans den Herren 
v. Egle, Göller, v. Leins, Stahl, Tafel. Walther und 
Weigle. Die übrigen Fragen geben zu einer Stellungnahme des 
Vereins keine Veranlassung. 
Nach Schluß des geschäftlichen Teils der Sitzung erhält Bauin 
spektor Zobel das Wort zu dem in Beilage 1 enthaltenen Vor 
trage über den Betrieb der städtischen Wasserwerke in 
Stuttgart. Der Vortragende hat, um auch in mehr technischer 
Richtung etwas zu bieten, eine Anzahl Pläne über die städt. Wasser 
werksanlagen mitgebracht und aufgestellt, zu welchen er einige Er 
läuterungen gibt? Von den Plänen sind zu erwähnen: ein großer 
Situationsplan 1:5000 über Stuttgart und Umgebung mit Ein- 
zeichnuug aller zum Wasserwerke gehörigen Anlagen, sämtlicher Quellen 
und zugehörenden Leitungen und der Druckgrenzen für die verschie 
denen Versorgungsgebiete re.*); ferner die Detailpläne, betreffend das 
Seewasserwerk und das neue Neckarwasserwerk, insbesondere die zu 
letzterem gehörigen Pumpstationen. 
Die eingehenden Mitteilungen werden trotz der vorgerückten 
Stunde mit allseitigem Interesse verfolgt. Mit dem Danke des Vor 
sitzenden an den Redner schließt die Versammlung kurz nach 11 Uhr. 
Der Schriftführer: 
Weyrau ch. 
Krsuch der rtrktrotkchnischen Fabrik Canustat! 
am 23. Oktober 1885, Abends 7 Uhr. 
Teilnehmer: 37 Mitglieder, 16 Gäste. 
Die Teilnehmer versammelten sich nach Ankunft des um 6 Uhr 
48 Min. von Stuttgart abgegangenen Eisenbahnzuges am Bahnhöfe 
Cannstatt und begaben sich sofort nach der elektrotechnischen Fabrik, 
wo sie, in drei Gruppen eingeteilt, unter der Leitlnig der Herren 
Direktoren der Fabrik, Sch werd und Or. Dietrich, sowie des 
Herrn Oberiugenieurs Cox, Gelegenheit erhielten, die Fabrik zu 
durchwandern und von der Herstellung der Dynamomaschinen (System 
Schwerd), der Bogenlampen und der Glühlampen (System Bern 
stein) in den verschiedenen Stadien Einsicht zu nehmen, auch die 
von der Fabrik gelieferten Signalapparate für Zentralweichen spielen 
zu sehen. Sowohl die Konstruktion aller dieser Fabrikate als auch 
die Methoden ihrer Herstellung sind sehr sinnreich und lassen einen 
großen Aufwand geistiger Arbeit erkennen. Selbst die in ihrer 
Wirkungsweise so einfachen Glühlampen bereiten bei der Ausführung 
eine Reihe von Schwierigkeiten, welche durch höchst sinnreiche Mittel 
überwunden werden. Nachdem man die Fabrik mit großer Befrie 
digung und bereichert mit Kenntnissen verlassen hatte, fand mau sich 
im Gasthof zu den vier Jahreszeiten zu einer geselligen Vereinigung 
wieder zusammen, wobei unter anderem der Vereiusvorstand den 
Dank für die liebenswürdige Führung und Belehrung zum Ausdruck 
brachte. 
Krtriligung an brr Uersammlung drs Württ. Kr?irksvcrrins 
Deutscher Ingenieure 
am 5. November 1885, Abends 7'/* Uhr. 
Am Abend des 5. November folgten viele Mitglieder des 
Vereins für Baukunde- einer Einladung des Vorsitzenden des Württ. 
Bezirksvereins deutscher Ingenieure, Prof. Zeman, in das Lokal 
dieses Vereins, um dem für beide Vereine bestimmten Vortrage des 
Herrn Regierungsrats Schicker vom Württ. Ministerium des 
Innern üher das Unfallversicherungsgesetz anzuwohnen. 
Redner, der auf dem Gebiete der Sozialgesetzgebung ganz besonders 
*) Dieser Plan ist, auf halbe Große sl: 10 000) reduziert, inzwischen für 
das K. Polytechnikum durch das Vereinsmitglied Herrn Baumeister Reichert 
in 2 Blättern autographiert worden, und kann vom Unterzeichneten znm Preise 
von 1 pro Exemplar bezogen werden. 
bewandert ist und bei der Ausarbeitung des genannten Gesetzes in 
hevorragender Weise mitgewirkt hat, gab mit Hinweglassung aller 
Einzelheiten ein treffliches Bild dieses verwickelten Gesetzes. Er be 
sprach zunächst den Sockel, auf welchem das letztere Gesetz beruht, 
das Krankenkaffengesetz, womit eine tüchtige Grundlage für die Durch 
führung Per Unfallversicherung geschaffen worden sei. Etwa 95 Pro 
zent aller Unfälle fallen unter das Krankcnkassengesetz. Wenn trotz 
dem das Unfallgesetz von größerer sozialer Bedeutung ist, so liegt 
das daran, daß es mit seiner Wirkung gerade die schweren Fälle 
schützt, daß es im Falle des Eintritts völliger Arbeitsunfähigkeit 
eine Jnvaliditätsrente und im Todesfälle des Arbeiters eine Familien 
versorgungsrente gewährt. Bekanntlich tritt die Wirkung des Unfall- 
gesetzes erst mit dem Beginne der 14. Woche der Arbeitsunfähigkeit 
in Kraft. In den Kreis der Unfallversicherung sind nur die Ar 
beiter der Fabriken aufgenommen, nicht auch, wie beim Kranken 
kassengesetz, die Handwerker. Eine Ausnahme bildet das Baugewerbe, 
das, seiner besonderen Gefährlichkeit wegen, auch für die handwerks 
mäßigen Betriebe in die Unfallversicherung einbezogen worden ist. 
Während die Krankenversicherung nur eine subjektive ist, ist die Un 
fallversicherung eine kollektive. Bei der Unfallversicherung ist der 
Arbeitnehmer, im Gegensatz zur Krankenversicherung, aktiv fast gar 
nicht beteiligt, sondern nur der Arbeitgeber. Die Versicherung er 
folgt gegenseitig durch die Unternehmer, welche bekanntlich in Be- 
rnfsgeuossenschaften eingeteilt sind. Bis jetzt bestehen in Deutsch 
land 56 Berufsgenosseuschaften, die sehr mannigfaltig gestaltet sind. 
Ein Teil derselben streckt sich über das ganze Deutsche Reich aus, 
wie die Ziegelei-, die Müllerei- und die Brauereiberufsgenossenschaft. 
In Württemberg gibt es nur eine Berufsgenossenschaft, die aus 
schließlich unser Land umsaßt, die Baugenossenschaft. Alle andern 
Genossenschaften dehnen sich noch weiter aus. In die 56 Berufs 
genossenschaften sind alle in Deutschland bestehenden Industriezweige 
hineingezwängt, so umfaßt z. B. die Brennereigenossenschaft auch 
die Molkerei. Natürlich ist der Verwaltungsapparat einer Berufs 
genossenschaft, die sich über das ganze Reich ausdehnt, schwierig zu 
handhaben. Deshalb hat man für diese Art der Berufsgenossen 
schaften Sektionen gebildet: nicht in Sektionen geteilt ist nur die 
Bekleidungsgenosscnschaft. Stuttgart ist der Sitz von 17 Sektionen. 
Daß die Bildung der Berufsgenosseuschaften so glatt abging, liegt 
daran, daß ein Normalstatut aufgestellt wurde, welches fast überall 
einfach angenommen werden konnte. Man könnte sagen, meint der 
Redner, daß noch niemals bei irgend einem Gesetz alle beteiligten 
Kräfte in gleichem Maße zusammengewirkt haben, wie bei dem Un 
fallgesetz: Jeder Betriebsunternehmer ist Mitglied einer Berufs 
genossenschaft von dem Tage des Inkrafttretens des Gesetzes an — 
mag er sich nun anmelden oder nicht. Die vorgeschriebene Anmeld 
ung erfolgt in Württemberg beim Oberamt, welches die Zuteilung 
zu einer Berufsgenossenschaft anzuordnen hat. Redner bespricht im 
ferneren das Amt des Vorstandes einer Genossenschaft, die Art der 
Verwaltung (ehrenamtliche Selbstverwaltung) und die Leistungen 
der Genossenschaften. Weiter betont er, daß das Haftpflichtgesetz 
durch das Unfallgesetz nicht eigentlich in Wegfall gekommen ist; es 
bestehen z. B. noch dessen Bestimmungen über die vorsätzlich herbeige 
führten Unfälle. Weggeräumt aber sind durch das neue Gesetz die 
Prozeßmöglichkeiten, denen das Haftpflichtgesetz einen weiten Spielraum 
ließ. Dies ist erreicht durch die Einsetzung der Schiedsgerichte, 
deren Aufgabe der Redner eingehend darlegt. Gebildet wird das 
Schiedsgericht von 5 Personen: 2 Arbeitgebern, 2 Arbeitnehmern 
und einem amtlichen Vorsitzenden. Der Herr Redner ist Vorsitzender 
bei nicht weniger als 20 Schiedsgerichten. Zuletzt wird noch in 
bezug auf die Leistungen das reine Umlageverfahren und dessen 
Korrektiv, der Reservefonds, von dem Redner einer klaren Besprech 
ung unterzogen. Die Umlage der Lasten geschieht nicht nach der 
Arbeiterzahl, sonder» nach der Höhe der von dem Unternehmer be 
zahlten Löhne und Gehälter; dazu treten noch die Bestimmungen 
über die Gefahrenklassen. Von besonderem Werte ist es zweifellos, 
daß Vorschriften gegeben worden sind, welche auf die Verminderung 
der Unglücksfälle hinwirken müssen. — Dem lichtvollen Vortrage, 
der den ungemein schwierigen Stoff mit meisterhafter Leichtigkeit 
zergliederte, wurde im Beifall der Versammlung und in den Worten 
der Vorstände beider Vereine der wärmste Dank zu teil. 
H ä ii e (.
	        

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