Full text: Versammlungs-Berichte / Württembergischer Verein für Baukunde in Stuttgart (1888)

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Letztere ist nach dem Niederdruck-Dampfheizungssystem von 
Bechem und Post hergestellt und hat sich diese Heizung namentlich 
auch infolge ihrer so leichten und einfachen Bedienung sowie ihres 
verhältnismäßigen niedern Brennmaterialienverbrauchs bis jetzt 
vollständig bewährt. 
Nach den gemachten Aufzeichnungen kosten 100 Kubikmeter 
pro Tag 11,3 Pf. zu heizen, wobei der Coaks 1 JL 16 Pf. 
per Ctr. kostet, während bei unseren Ofenheizungeu in den übrigen 
Schulen 100 Kubikmeter per Tag auf 14 bis 19 Pf. kommen. 
Nenne ich noch kurz die in neuester Zeit erstellten größeren 
Industriebauten, so steht das neue Salzwerk obenan, denn diese 
Anlage bildet jetzt schon ein kleines Dorf. 
Außer der nunmehr 214 Meter tiefen Schachtanlage sind 10 
Sieder-, 2 große Lagerhäuser mit Mühleinrichtung, sowie die ver 
schiedenen sonstigen Neben- und Verwaltungsgebäude nebst Arbeiter- 
wohngebände vorhanden. 
Für den Transport des Salzes ist eine eigene große Hafen- 
und eine besondere Geleiseanlage nach Neckarsulm geschaffen, die 
Geleiseverbindung mit dem Bahnhof Heilbronn steht noch in Aussicht. 
Die ganze Anlage wurde in 1 3 U Jahren mit einem Bau 
aufwand von ca. 3 Millionen tM. fertig gestellt. 
Vorläufig werden per Tag 4 bis 5000 Ctr. gefördert, der 
Betrieb kann jedoch auf 20 000 Ctr. pro Tag d. i. pro Jahr 
6 Millionen Ctr. gesteigert werden (siehe Plan und bes. nähere 
Beschreibung). 
Auch die von der Stadtgemeinde im Jahr 1886 vollständig 
umgebaute Motorenanlage am Brückenmühlkanal bietet manches 
Interessante. Da jedoch ein Souderabdruck aus der Zeitschrift des 
Vereins deutscher Ingenieure vorliegt, so erlaube ich mir diesen 
cirkulieren zu lassen und im weiteren nur anzuführen, daß an 
Stelle der vorhandenen 13 unterschlächligen Stoßräder, welche in 
der Hauptsache hinter einander lagen und 3 verschiedenen Werkbe 
sitzern gehörten, nunmehr 5 sogen. Zuppingerräder mit tiefen ge 
kämmten Schaufeln und Ueberfallschützen derart hergestellt sind, 
daß nicht mehr wie früher die Kraftzuteilung mittels Teilung des 
Gefälls, sondern durch Teilung der Wassermenge stattfindet und 
die Kraft mittels Drahtseilen den entfernt liegenden Werkbesitzern 
zugeführt wird. 
Die gesamte Nutzleistung beträgt ca. 200 Pferdekräfte. 
Bezüglich der Entstehung dieses Planes ist anzuführen, daß 
derselbe Jahrzehnte in Anspruch nahm, weil die in verschiedener 
Weise proponierte Kraftverteilung nie zu einer Einigkeit unter den 
Werkbesttzern führte, und der anfänglich damit beauftragte Herr 
Prof. Kankelwitz sein Augenmerk mehr auf Turbinen richtete. Die 
Einigkeit wurde erst erzielt, als ich ein Modell für eine Wasser 
radanlage anfertigen ließ, worauf dann der zur Ausführung ge 
kommene Motorenplan von Herrn Professor Teichmann gefertigt 
wurde. 
Nach den bis jetzt gemachten Betriebserfahruugen kann diese 
Anlage als vollkommen gelungen und den Gefälls- sowie sonstigen 
Verhältnissen am Neckar entsprechend bezeichnet werden, wobei 
namentlich hervorzuheben ist, daß der Nutzeffekt nach den vorge 
nommenen Bremsversuchen 78 °/ 0 betrug und die sonst so gefürch 
teten Eiskalamitäten ohne besondere Schwierigkeiten vorübergegangen 
sind, wozu allerdings das auf 3° erwärmte Motorengebäude wesent 
lich beigetragen haben mag. 
Die G. Schäuffelesche Papierfabrik hier hat zu gleicher Zeit 
ihre so ziemlich gleiche Wasserwerksanlage gleichfalls umgebaut und 
mit 3 Turbinen versehen. 
Ich glaube nun behaupten zu dürfen, daß unsere Wasserrad- 
anlage im ganzen genommen vorteilhafter arbeitet als die Schäuf 
felesche Turbinenanlage, weil bei ersterer nach den gemachten Er 
fahrungen der Wechsel des Wasserstands weniger nachteilig wirkt 
und auch das Mitstchführen von Eis lange nicht so viel Schwierig 
keiten als bei Turbine» bereitet. 
Gehe ich nun auf den Stadtbauplan selbst über. 
Nach Einsichtnahnie desselben werden Sie in erster Linie die 
beträchtliche Ausdehnung desselben bewundert! müssen. 
Diese Ausdehnung ist aber insbesondere dadurch bedingt, daß 
nach der allgemeinen Bauordnung bei unserem günstigen Bauterrain 
das Bauen außerhalb Etters fast ohne Ausnahme zu gestatten 
wäre, und so leicht für eine spätere Stadterweiterung kostspielige 
Hindernisse entstehen könnten. 
In, übrigen kann aber auch gesagt werden, daß wie Sie ge 
hört haben, die Zunahme der Bevölkerung eine verhältnismäßig 
sehr starke und deshalb auch die Ausdehnung der Stadt selbst eine 
rasche ist. 
Bei der Entwerfung dieses Stadtbauplnues ist darauf Rück 
sicht genommen worden, daß außer den Quartieren für Geschäfts- 
lokalc und gewöhnliche städtische Wohnungen auch solche mit sog. 
Sommerwohnungen oder Villen entstehen können. Es sind hiefür 
namentlich diejenigen Stadtteile vorgesehen, welche im ansteigenden 
Terrain liegen oder eine höhere Lage haben. Die einzelnen Straßcn- 
züge sind dabei mit Vorgärten von je 5 —8 Meter Breite ausgeführt. 
Außerdem enthält der Stadtbauplan entsprechend freie Plätze, 
auch ist eine sog. Ring- oder Riesenstraße aufgenommen, die event, 
mit der Zeit für den Bahnverkehr dienen soll. 
Noch wichtiger aber erscheint das in neuester Zeit in den 
Stadtbauplau aufgenommene sog. Industrieviertel. Dasselbe soll 
im Sinne von Art. 30 d. BO. namentlich für Anlagen der in 
§ 16 der Reichsgew Ordg. erwähnten Art dienen und sollen hiefür 
auch besondere leichtere Ortsbaustatuteu geschaffen werden. Wie 
Sie aus der beiliegenden Markungskarte ersehen, ist die Lage des 
selben so zienilich außerhalb des bewohnten Stadtteils, doch aber 
noch so, daß von einer direkten Verbindung gesprochen werden kann. 
Für den Güterverkehr aber ist ein sog. Jndustriegeleise derart 
im Plan aufgenommen, daß jede Fabrikanlage direkt mit dem 
Schienengeleise in Verbindung gebracht werden kann. 
Außerdem liegt für diesen Stadtteil die Möglichkeit der Ver 
bindung mit der Wasserstraße vor. Um die Errichtung derartiger 
Anlagen jetzt schon zu ermöglichen und den dort bereits vorhandenen 
Fabriken die Verkehrsverhältnisse zu erleichtern, hat die Stadt 
gemeinde das Hauptgeleise bereits legen lassen und sind auch mit 
der Eisenbahndirektion bezüglich des Bahnanschlusses und der Trans 
portverhältnisse die nötigen Bestimmungen festgestellt. 
Daß die Stadtgemeinde Heilbronn auch für die übrigen städti 
schen Bedürfnisse die nötige Sorge trägt, ist bereits ermähnt und 
legt auch der zur Zeit im Bau begriffene Real- und Fortbildungs- 
Schulbau Zeugnis davon ab. (Redner bespricht hierauf die Wett 
bewerbung, die prämierten Entwürfe und den endgültigen Plan zu 
diesem Gebäude.) 
Vorarbeiten für ein neues Volksbad, für ein öffentliches Leichen 
haus und für ein Oekonoiniegebäude für das Krankenhaus u. s. w. 
sind begonnen. 
Ich schließe mit dem Wunsche, daß Sie, meine Herren, die 
Ueberzeugung gewonnen haben, daß Heilbronn auf der Höhe der 
Zeit steht und daß Sie es auch ferner in gutem Andenken be 
wahren mögen!
	        
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