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Das Vorgetragene bietet reichlichen Stoff zu Einzelerörte
rungen, namentlich über die zweckmäßigsten Oberbaukonstruktionen.
In dieser Hinsicht begrüßt es der Verein dankbar, daß Herr
Hüttendirektor Haarmann sich in später Stunde noch bereit
zeigt, gerade über diesen Gegenstand und insbesondere über seine
eigenen Oberbausrffteme zu sprechen.
Erst nach 11 Uhr kommen die Verhandlungen des Abends
zum Abschluß.
Der Schriftführer:
Laistner.
KMurston am 19. Mai 1889.
Aehnlich wie im Oktober 1875 in Begleitung der Damen
ein Ausflug der Vereinsmitglieder das Schlößchen Monrepos,
Stadt und Schloß Ludwigsburg zum Ziel hatte, wurde dieses-
mal der gleiche Weg jedoch in der entgegengesetzten Richtung
eingeschlagen.
Nach heiterer Fahrt in Ludwigsburg angekommen, begab
sich die Gesellschaft in die weitläufigen Gebäude des Schlosses,
mit dem ältesten Teil, dem sogenannten Corps de Jogis be
ginnend , das die Nordfront einnimmt und eine aneinander
gereihte langgestreckte Gruppe bildet, vor der auf der Südseite
ein Hof sich ausbreitet, von zwei östlich und westlich denselben
einschließenden Gebäuden flankiert. Die Gcsaintanlage erhielt
dadurch die Gestalt des Hufeisens, das den sogenannten Ehrenhof
umgab, der mit einer Balustrade und massiven Wachthäusern
abgegrenzt war. Niedrigere Gebäude begrenzten südlich einen
davor liegenden ersten Hof, die Kaserne der Leibwache, Stallungen,
Küche u. s. w. enthaltend.
Diese letzteren, den Vorhof umgebenden Baulichkeiten wurde::
nach kurzem Bestand wieder abgebrochen, vor dem linken und
rechten Flügel je ein gleichgroßer in geringem Abstand aufgeführt,
jedoch merkwürdigerweise nicht in derselben Jnnenflncht, sondern
etwas zurückgerückt, so daß sich der Hof südlich erweiterte. Mit In
teresse folgte die Gesellschaft den im Verlaufe der Besichtigung
gegebenen Nachweisen der baulichen Entwicklung. Manche der
einst bestandenen Anlagen, namentlich die ehemaligen in nächster
Nähe dieses anfänglichen Gebäudekomplexes vorhandenen Wasser
bassins, Grotte und Baderäume sind gänzlich verschwunden, und
es gehörte lebhafte Phantasie dazu, sich diese einstigen Gestal
tungen zu dem heute noch Vorhandenen hinzuzudenken, bevölkert
durch den ganzen Apparat einer üppigen Hofhaltung und viel-
zähligen Dienerschaft.
Dieser nördliche, älteste, von Herzog Eberhard Ludwig er
richtete Teil nun besteht aus dem dreistöckigen Hguptbau von
rechteckiger Grundform, an den sich an den Schmalseiten Galerien
anschließen, die denselben mit zwei quadratischen die Enden bil
denden frei hinausgerückten Pavillons verbinden. Die Galerien
sind im unteren Geschosse offene Bogenhallen und wie die Pa
villons zweistöckig. In der Mitte erhebt sich noch ein viertes
Stockwerk über dem Hauptbau mit beiderseits den Austritt ins
Freie gewährenden Plattformen.
Nach Norden fällt das Terrain stark ab, so daß das Schloß,
von einer davor sich hinziehenden Terrasse begleitet, sich hoch
über die Umgebung erhebt. Die gegen den Ehrenhof gekehrte
Südseite hat eine bedeckte Unterfahrt in der Mitte der Fassade;
sowohl von der Hofseite als auch von außen beleben sich diese
Bauteile durch ihr Hervor- und Zurücktreten, so daß das
Ganze eine bewegte Silhouette bekommt. Die innere Ein
teilung des Mittelbaues ist eine sehr einfache und enthält keine
besonders hervorragende Räume, die beiden Endpavillons
dagegen bieten des Interessanten vieles dar. In dem west
lichen ist im oberen Stock ein prächtiger Raum mit schönen Holz
täfelungen und vorzüglicher eingelegter Arbeit ausgestattet; im
östlichen ist eine Rotunde eingebaut, i» den Ecken des umfassenden
Quadrats kleine Kabinette bildend, was zusammen einen ganz
originellen Effekt abgiebt; besonders aber ist die Behandlung der
Galerien, die den Zusammenhang herstellen, durch die üppige
Stukkaturarbeit ganz merkwürdig. Die zunächst anstoßenden
Seitenflügel, wovon der östliche die Räume für die Kavaliere
und die Kanzleien enthielt, ist srnnmetrisch mit dein westlichen
gestaltet, in dessen obere» Stock sich ein stattlicher hoher Saal
befindet, die ganze Breite des Gebäudes einnehmend, bedeutungs
voll dadurch, daß im Jahr 1817 durch König Wilhelm die Pro
klamation der Landesverfassung darin stattfand.
Nach eingehender Besichtigung der Merkwürdigkeiten dieser
ältesten Gebäudeteile besonders des Jagd- und Spiegelzimmers,
wandte sich die Aufmerksamkeit den beiden Kapellen zu, die nach
Ost und West äußerlich den Zwischenräumen der Flügelgebäude
entsprechend hervorragen. Sie sind Anfügungen späterer Zeit
und tragen im Innern wie im Aenßern das Gepräge großer
Ungebundenheit der Formen. Die eine ist für die evangelische,
die andere für die katholische Konfession bestimmt, letztere ist mit
reicher Marmor- und Stuckdekoration ansgestattet. Besonders die
Damen interessierte die Ausstattung der herzoglichen Logen, in
denen sich einige wertvolle Gemälde befinden.
Darauf wurde das Theater besichtigt, das östlich in dem
einspringenden Winkel, den die östliche Kapelle und der dortige
vordere Seitenbau bilden, ringsum freilicgt, und bei dem sowohl
der Zuschauerraum als auch die Scene je durch einen Bogengang
mit der übrigen Baulichkeit zusammenhängen. Dasselbe ist noch
völlig ausgestattet und die Dekorationen und Maschinerien in
brauchbarem Stand, obwohl seit vielen Jahren nicht darin gespielt
wurde. Manchen der Besucher, namentlich den Damen, die selten
oder nie eine Bühne zu betreten Gelegenheit haben, waren die
eigentümlichen Vorrichtungen in diesem düsteren, nur für Lampen
licht berechneten Raum ein Gegenstand der Verwunderung, und
alle waren beim Austritt erfreut, wieder in die sonnige Galerie
zu gelangen, welche diese ältere Bananlage mit dem südlich in
weitem Abstand davon errichteten neuen Corps de Jogis ver
bindet. Es sind zwei solcher Galerien, die im unteren Geschoß
Arkaden bilden; unter sich parallel, begrenzen sie den zwischen
ihnen liegenden Hof. Die eine enthält die vollständige Reihe
von lebensgroß in ganzer Figur gemalten Ahnenbildern des
Regcntenhauses bis aus die heutige Zeit, und es waren unter
diesen Gemälden die Erbauer und späteren Bewohner des Schlossen
ganz besonders Gegenstand der Betrachtung. Namentlich aber
erweckten das lebhafteste Interesse die prächtigen Malereien der
Deckcnwölbung der Ahnengalerie, die von dem Italiener Carlone
herrühren.
Die diesseitige und jenseitige Galerie, wovon die letzte eben
falls Gemälde enthält, vereinigen das ältere mit dem fast Vs Jahr
hundert hernach erbauten südlichen Corps de Jogis, das, parallel
mit dem ersteren und beträchtlich länger, nun den mächtigen Jnnen-
hof abschließt, an den sich östlich und westlich zwei weitere qua
dratische Außenhöfe anfügen. Durch das ansteigende Terrain be
dingt, ist die Differenz der Höhe dadurch ausgeglichen, daß ein
unteres Stockwerk nur auf der nördlichen Hofseite besteht, das
obere aber nach der Südseite, also dem Garten zu, das Erdgeschoß
bildet. Die Mitte dieser Gartenseite nimmt der in damaliger
Zeit beliebte ovale Saal ein, von dem rechts und links eine
Flucht von Zimmern und kleinen Sälen ausgeht, die an beiden
Enden in rechteckigen Pavillons je mit einem kleinen Jnnenhöfchen
den Schluß erlangt. Von der bedeckte» Anfahrt im großen Hofe
aus führen beiderseits von dem unteren Vestibül interessant ^an
gelegte Treppen in den Hauptstock, auch das obere zwischen den
Treppen liegende Vestibül, das den Vorraum vor dem ovalen
Saale bildet, ist wie die Treppenhäuser selbst von sehr belebter
Form. Unter deren Decken nämlich ragt in allen drei eine rings
um laufende Galerie freitragend herein und die Geländer derselben,
sowie die Auskragungen darunter, die Nischen an den Wänden,
geben mit den Deckenwölbungen darüber einen höchst pikante:,
malerischen Effekt. Die Wohnräume und Säle haben nicht mehr
ihre ursprüngliche Erscheinung, sie wurden unter König Friedrich,
der mit seiner Gemahlin Mathilde, wie auch König Wilhelm
und die Königin Pauline, gern dort weilte, durch N. von Thouret
vielfach in, Empirestil neu dekoriert und haben von dem Reiz