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Ich will demselben seine Anwendbarkeit zu Straßenbahn
zwecken in verbesserter Gestalt nicht absprechen, zur Zeit ist der
Motor wegeil der nicht immer sicher lind gleichmäßig wirkenden
Entzündung nicht zuverlässig, auch scheiilt dessen Konstruktion
für mehr als 6 Pferdekräfte auf Schwierigkeiten zu stoßen.
Die sicherste und wirksainste Maschine ist bis jetzt immer noch
die durch Dampf mit direkter Erzeugung getriebene Lokomotive.
Das von Bachsteiil eingereichte Gesuch uin Genehmigung
einer Dampfbahn nach Berg und Wangen legte der Pferdebahn-
Gesellschaft um so mehr die Einführung des Dampfbetriebs nach
Berg nahe, als sich der Pferdebetrieb auf dieser frequenten Linie
zu gewissen Zeiten in der Badzeit oder über das Volksfest als
unzureichend erwies.
Das Projekt Bachstcins, eine besondere Dampfbahn auf der
Staatsstraße nach Berg zu führen, wird jedoch, nachdem sich
Bachstein der Vereinigung der Straßenbahnen angeschlossen hat,
aus folgenden Gründen verlassen werden müssen:
1. hat die Regierung Schwierigkeiten gemacht, die Verlegung
der Bahn auf der Staatsstraße zu gestatten,
2. der Betrieb der bestehenden Pferdebahnlinic sonnte auch
nach Erstellung der Dampfbahii nicht eingestellt oder ein
geschränkt werden;
3. die Bahn käme ganz außerhalb des Wohnbezirkes zu liegen
uild würde dem örtlichen Verkehre wenig nützen;
4. würde mail mit der ileuen Bahn der eigenen Linie, in
der Neckarstraße, welche ohnehin neu verlegt werden muß,
selbst Konkurrenz machen.
Viel wichtiger und zweckmäßiger für den Verkehr erscheint
cs, von der Anlage einer besonderen Linie abzusehen und den
Pfcrdebetrieb auf der bestehenden Linie ganz durch Maschinen
betrieb zu ersetzen, so daß wie seither fahrplanmäßig alle 6 Minuten
ein Wagen vom Königsbau nach Berg und umgekehrt fährt.
Vorausgesetzt, daß die Bctricbsmaschineil ihrer Bestimmung
als Straßenbahnlokomotiven entsprechend konstruiert werden, wird
wohl alich die Befahrung der Geleise in belebteren Straßen
Seitens der Regierung llicht beanstandet werden, nachdem ge
nügend Vorgänge in andern großen Städten gegeben und über
haupt die der Einführung von Straßenlokomotiven anfangs ent-
gegensteheudeil Bedenken betreffs der Sicherheit des übrigen
Straßenverkehres geschwunden sind.
Wird aber erst einmal der Dampfbetrieb nach Berg einge
führt sein, so wird das Bedürfnis der Erschließung einer direkten
Verbindung mit Cannstatt erst recht zu Tage treten itttb der Bau
einer neuen Neckarbrücke in erhöhtem Maße dringend werden,
denn erst nach Herstellung dieser Verbindung wird unser Straßen
bahnnetz seine richtige Ausdehnung und Entwicklung ilehmcn lind
der Dampfbetrieb rentabel sein können.
Die Fortsetzung der Linie von Berg nach Gaisburg und
Wangen wird dann auch nicht inehr lauge auf sich warten lassen,
jedenfalls wird die Gasfabrik die alsdann gebotene Gelegenheit
ausnützen, sich in Geleisverbindung mit dem ilaheil Bahnhöfe
Cannstatt zu setzen, selbst wenn die Vollbahnmagen auf besonderen
Transporteuren überführt werden müssen. Letzteres macht ja
bei den neuerdings zlir Verfügung stehenden Betriebsmitteln
keine Schwierigkeiten mehr.
Nachdem ich die Entwicklung, welche unser Straßenbahnnetz
in der einen Richtung gegen das Neckarthal nehmen wird, an
gedeutet habe, bleibt mir noch übrig, zu besprechen, in welcher
Weise unser Straßenbahnnetz in der entgegengesetzten Richtung
in den oberen Stadtteilen zur Ausdehnung gelangen dürfte.
Hier ist zunächst eine Verbindung der Linie von der Silber
burgstraße mit dem Marienplatz durch die Hohenstaufenstraße
nötig, diese wird nach Herstellung der Straße alsbald zur Aus
führung kommen.
Ueberhaupt erweist sich der Marien platz seiner örtlichen
Lage und Ausdehnung nach als ganz besonders geeignet zur Zu-
sammcnführung verschiedener Straßenbahnlinien meiner „äußeren
Zentralstelle", welche einerseits in Zusammenhang mit einem
daselbst anzulegenden neuen Depot und Stallungen, andererseits
in zweckmäßige Verbindung mit der Filderbahn gebracht wer
den kann.
Bekanntlich ist der Fildcrbahnhof hier so unzweckmäßig als
je plaziert, er liegt so versteckt, daß man ihn kaum auffinden
kann und seine Verbindung mit den Straßenbahngcleisen ist eine
sehr ungünstige. Offenbar ist der Marienplatz die geeignetste
Stelle für denselben.
Die Verlegung des Bahnhofs nach dem Marienplatze ist
durch eine bogenförmige Abzweigung von der alten Weinsteige
aus und Ueberführung mittelst eines Viadukts bis zur Mitte des
Platzes möglich, alsdann würden die Straßenbahnwagen zu ebener
Erde einfahren und die Wagen der Filderbahn über denselben
eine Treppe höher sich aufstellen. Diese Verlegung wird aller
dings einen Aufwand von ca. 100000 Ji verursache», allein
ich bin überzeugt, daß dieselbe mit der Zeit doch kommen wird.
Um die Verwirklichung dieses Projektes hat sich Herr Direktor
Lipken durch käufliche Erwerbung des zur Verlegung erforder
lichen Areales im Voraus verdient gemacht.
Die Verbindung des Marienplatzcs mit dem zunächst ange
nommenen Ende der Querlinie in der Olgastraße stößt zur Zeit
noch auf ganz erhebliche Hindernisse und wird sich nicht so bald
verwirklichen, dagegen wird mit der weiteren Ausdehnung der
Stadt in nördlicher und nordwestlicher Richtung die Linie zur
Gewcrbehalle von der Canzlcistraße durch die Hegel- und Korn
bergstraße in die Silberburgstraßc an die bisherige Linie
daselbst anschließend und die Linie durch die Militärstraße bis
zur Moltkekaserne weiter und durch die Schwabstraße an das
derzeitige Westende des Straßenbahnnetzes angeschlossen werden.
Nach Fertigstellung der von mir angedeuteten Linien würde
unser Straßenbahnnetz eine Ausdehnung von ca. 30 km (die
Doppelgeleise nicht eingerechnet) erhalten.