Full text: Versammlungs-Berichte / Württembergischer Verein für Baukunde in Stuttgart (1889/90)

Beilage 3. 
Bewegliche Wehranlagen an flößbaren und andern Missen. 
Vortrag von Baurat Rheinhard am 15. Juni 1889. 
Die württembergische Staatsforstverwaltung unterhält an 
der Enz und Nagold nebst deren Nebenflüssen, der Kleinen;, 
Eyach und dem Zinsbach, eine größere Zahl von Stauanlagen, 
sog. Wasserstuben, um auf diesen ein starkes Gefall besitzenden 
Schwarzwaldflüssen die Ausübung der Langholzflößerei zu er 
möglichen. Die Wasserstuben bilden nicht nur den zum Ein 
binden der Flöße erforderlichen Schwellraum, sondern dienen 
zu gleicher Zeit auch zum Ansammeln des zum Fortschaffen der 
selben erforderlichen Wassers, welches den zu oberst angelegten 
Wasscrstuben bei Niedrigwasser nur in Mengen von 50 bis 
200 Liter in der Sekunde zufließt, während der sekundliche 
Wasserzufluß in den letzten, flußabwärts gelegenen Sammel- 
weihern der Enz und Nagold bei demselben Wasserstand etwa 
2,5 cbm beträgt. 
Wegen der gebirgigen Gestaltung des Geländes treten bei 
stärkeren Regen oder bei Schnceabgang größere Hochwasser binnen 
eines sehr kurzen Zeitraums auf, welche jedoch gewöhnlich ebenso 
rasch verlaufen, wie sie gekommen sind. Trotz der starken, teilweise 
vier Fünftel der Oberfläche überschreitenden Bewalvung des Regen 
gebiets der genannten Flüsse ist die bei sehr großen Hochwassern ab 
fließende Wassermenge doch um etwa das einhundertfache größer als 
bei Niedrigwasser während des gleichen Zeitraums. Solche Hoch 
wasser führen gewöhnlich viel Floß- und anderes Holz von un 
genügend verwahrten Polterplätzen (den neben den Schwellräumen 
der Wasserstuben oder an den Flüssen oberhalb von Sägemühlen 
befindlichen Lagerstellen des zum Verstößen oder Verschneiden 
bestimmten Rundholzes), Sägmtthlelagern u. dergl., zuweilen 
auch ganze Flöße oder einzelne Gestöre, weggerissene Holzbrücken 
u. s. w. mit sich, durch welche die festen Einbauten in den Flüssen 
öfters verlegt und mehr oder weniger beschädigt werden. 
Die Flöße werden aus einzelnen bis zu 28 m langen und 
4 m breiten Gesiören zusammengesetzt, ihre Länge beträgt etwa 
285 m und ihr Meßgehalt an entrindetem Rundholz 150 bis 
200 cbm. Außerdem werden die außerhalb Landes gehenden 
Flöße durchschnittlich noch mit 20 Tonnen Sägwaren und Klcin- 
uutzholz belastet. An den Hanptabstoßplätzen muß der Schwcll- 
raum der Wasserstuben so groß bemessen werden, daß mehrere 
Flöße in ihnen zugleich eingebunden werden können. Eine noch 
größere Ausdehnung erhalten die hauptsächlich als Sammel 
weiher dienenden Stauanlagen, aus welchen mehrere Flöße hinter 
einander abgelassen werden. Bei den letzteren Bauten wird noch 
eine sog. Wässerfalle e (Abb. 1) angebracht, um für die zuletzt 
ausfahrenden Flöße außer dem alsdann unter vermindertein 
Druck aus der Floßgasse ck ausfließenden Wasser das noch weiter 
erforderliche Schmellwasser rechtzeitig ablassen zu können. 
In früheren Zeiten wurden die fraglichen Floßbauten fast 
ausschließlich aus Holz hergestellt; infolge Steigerung der Holz 
preise hat sich aber nach und nach eine gemischte Bauart cin- 
gcbürgcrt, welche bedeutend weniger Unterhaltungskosten verur 
sacht als der Holzbau und überdies den Vorzug einer nahezu 
vollständigen Wasserdichtigkeit hat, während die zur Dichtung der 
Holzbauten hergestellten sog. Vor- und Stichpritschen (aus 
einer einfachen oder doppelten Lage von Dielen zusammengesetzte, 
in den Untergrund reichende geneigte Böden, welche auf Boden 
rippen aufgenagelt werden) u. dgl. durch den vom Wasser mit 
geführten feinen Sand im Laufe von durchschnittlich 17 bis 
20 Jahren derartig durchgescheuert und durchlässig wurden, daß 
sie nach dieser Zeit jedesmal vollständig neu gebaut werden 
mußten. Die älteren Wasserstubcn und auch manche andere 
Werkswehre bestanden aus Bohlenwänden auf beiden Seiten, 
sowie aus einer sog. Aushebewand nebst der Floßgasse. Die 
Aushebewände wurden aus 5-6 cm starken, gut gefügten, in 
genutete Holzpfostcn senkrecht eingestellten Dielen gebildet. Die 
Holzpfosten wurden iu starke Schwellen eingezapft und durch mit 
Haften und Oesen versehene Streben mit beiderseitigen Versatz 
ungen ziemlich lose gestützt. Ueber der Aushebewand befand sich 
ein hochwasserfrei gelegter Holzsteg, von welchem aus die mit 
Haken versehenen Äushebewanddielen bei Hochwasser ausgehobcn 
und — wenn Gefahr im Verzüge war — auch die Pfosten und 
Streben losgeschlagen werden konnten, so daß das Wasser auf 
die ganze Breite der Aushebewand sowie durch die geöffnete 
Floßgasse frei abfließen konnte. Aus diesen rohen Formen eines 
beweglichen Wehrs hat sich nun die in den Zeichnungen darge 
stellte jetzige Bauweise entwickelt. Da an den meisten Orten 
auf den Steg nicht verzichtet werden konnte, und da sich die 
Aushebwand in ihrer ursprünglichen Gestalt als sehr wasserdicht 
bewährt hatte, überdies aber auch ihre Herstellung mit verhält 
nismäßig geringen Kosten ocrfiuipft war, so wurden diese Be 
standteile beibehalten, die Stegträger und Pfosten aber ebenso 
wie das Floßgassengestell nebst Welle aus Eisen hergestellt. Die 
Pfosten, an welche sich nunmehr die Aushebwanddielen anlehnen, 
erhielten hiebei die Form des beweglichen Ständers bei dem 
von Girardon erdachten und auf der Pariser Weltausstellung 
von 1878 in verkleinertem Maßstabe ausgestellten Wehrsystem*), 
dagegen wurden die bei letzterem die Ständer stützenden ausrück 
baren Streben weggelassen und die Ständer an die an dem einen 
Träger des Stegs angebrachten drehbaren Hebel a, Abb. 4, 
angelehnt, durch deren Niederdrücken die Ständer ihres Stütz 
punkts beraubt und daher zum Uinkippen gebracht wurden. Wie 
bei dem Girardonschen Wehr wurden ferner die AuShebewand- 
dielen an Ketten befestigt, um ein Fortschwimmen zu verhüten, 
es wurde jedoch hiebei die aus der Bauweise sich von selbst 
ergebende Aenderung vorgenommen, daß die Ketten nicht, wie 
bei Girardon, büschelförmig an einen Ring zusammengefaßt, 
sondern dem Steg entlang an dessen unterer Gurtung mittels 
Oesen einzeln befestigt wurden. Die Ständer erhielten eine 
Neigung von 1:10, damit sich die wie früher mit Haken ver 
sehenen Aushebwanddielen besser anlehnen. Statt der letzteren 
können (vgl. Abb. 5) auch Schützen angeordnet werden, welche 
>) Bergt, auch die Beschreibung von dem Geh. Ober-Baurat Bausch 
in der „Zeitschrift für Bauwesen" von 1879.
	        

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