Full text: Versammlungs-Berichte / Württembergischer Verein für Baukunde in Stuttgart (1889/90)

zwar die Kosten etwas vermehren, jedoch für die Ausgleichung 
von höheren Wasserständen im Schwellraum sich besser eignen 
als die von Hand auszuhebenden einzelnen Dielen. 
Wenn bei Hochwasser die Brustwand rasch entfernt werden 
muß, um ein Verlegen des Wehrs durch etwaige von demselben 
mitgeführte sperrige Körper zu vermeiden, so läßt sich dies durch 
Niederdrücken der Drehhebel a (Abb. 4) mittels eines hiezu 
besonders geformten Hebels binnen wenigen Minuten bewerk- 
. stelligen. Dies darf selbstverständlich nur in besonderen Not 
fällen geschehen, um den unterhalb gelegenen Grund- und Werks 
besitzern nicht zu große Wassermassen unvorbereitet auf den Hals 
zu schicken. In der Regel sollen daher in solchen Fällen zuerst 
die obersten Wanddielen ausgehoben und auf die Bahn des 
Steges gelegt und dann erst in Zwischenräumen von etwa zehn 
Minuten die Ständer umgeworfen werden. Die letzteren fallen 
hiebei zunächst auf das geschwellte Unterwasser und sodann auf 
einem Holzpolster b (Abb. 2 u. 6) auf. Um die eisernen 
Ständer gegen Beschädigungen durch Eisstöße und dergleichen zu 
schützen, werden vor dieselbe an Ketten befestigte starke Holz 
nadeln c (Abb. 6) gestellt, welche unten in einen offenen Schuh 
gesteckt, oben aber an den Steg angelehnt werden. Ein selbst 
thätiges Oeffnen der beweglichen Wehrteile bei Hochwasser läßt 
sich durch Verbindung der Drehhebel mit einem stark gebauten 
Schwimmer, mit einein mit steigendem Wasserstand sich füllenden 
und dann umkippenden Gefäß u. bergt.. sowie mittels einer 
Rollen- und Hebelübersetzung derart einrichten, daß die Felder 
nacheinander entsprechend der Zunahme des Wasserstandes frei 
gemacht werden können. Die unteren Gurtungen des Stegs finb 
zur Ausnahme des durch die Ständer misgeübten wagerechten 
Drucks auch in letzterer Richtung als Träger auszubilden, eine 
erhebliche Gewichtsvermehrung tritt aber hiedurch nicht ein. 
Gegen Verschiebungen der Stegträger in wagercchter Richtung 
werden dieselben an den Auflagern mit dem Mauerwerk kräftig 
verankert. 
Bezüglich der Bauweise der Floßgasse ist zu bemerken, daß 
bereu Aufzugvorrichtung möglichst einfach und kräftig hergestellt 
werden muß, da die Flößer dieselbe sehr wenig schonend zu haud- 
baben pflegen. Da die Floßgassenfalle (Schütze) in der Regel 
sehr rasch in einem Zeitraum von höchstens einer halben Minute 
etwa 1,7 m hoch gezogen werden muß, so ist die Anwendung 
von Zahnstangengetriebcn und dergleichen in solchen Fällen aus 
geschlossen. An die Stelle der beim Holzbau angewendeten 
eichenen Wellbäume mit zwei kreuzweise durchgesteckten hölzernen 
Haspelarmen sind daher eiserne Wellen mit aufgekeilten Trommeln 
getreten. Das Aufziehen wird ferner durch Anbringung von 
sechs in eine Rosette gesteckten, leicht zu verspannenden und aus 
zuwechselnden Armen und wie früher nrittels Ketten bewerkstelligt. 
Die Arme können an ausziehbaren sog. Steckern angelegt und 
gegen mutwilliges Ziehen der Falle verwahrt werden. Die 
Fallen erhalten gewöhnlich eine Höhe von 0,8 bis 0,9 m und 
4,5 m Breite. Bei größeren Stauhöhen werden auf sie noch 
Staudiclen aufgesetzt, welche sich gegen sog. Steuberer k (Abb. 3) 
stützen. Beim Ausfahren der Flöße werden zuerst diese Auf 
satzdielen nebst dem Steuberer weggenominen, worauf das wegen 
des VoreilenS der Flöße auf der Fahrt erforderliche sog. Vor 
wasser ausgelassen wird, bevor die Gassenfalle so weit gezogen 
wird, daß die auf den Flößen stehenden Flößer in gebückter 
Stellung unter ihr hindurch fahren können. 
Zur Verminderung der Reibung beim Aufziehen der Floß 
gassenfalle werden abgerundete eiserne Führungsleisten angebracht. 
Die Eckkanten der Floßgassenständer werden ferner abgerundet, 
um ein Aufreißen der Floßhölzer zu vermeiden. Um die Schwelle 
unter der Falle gegen das Abstoßen durch die Gestöre und zugleich 
um die Dichtheit des Fallenabschlusses zu sichern, wird in der 
Mitte der Schwelle und vor dieselbe ein ausgesucht harter 
Quader eingelegt. Um schädliche Auskolkungen unterhalb des 
Bauwerks zu verhüten, schließen sich an die Abschlußmauern 
Absturzpritschen an, welche ebenso wie der Belag der Floßgasse 
aus einer doppelten Lage Dielen von frisch gefälltem Buchenholz 
bestehen. Die Pritscheir werden mindestens 20 cm unter Niedrig 
wasserstand angebracht, einesteils zum Zweck ihrer Erhaltung, 
andernteils um die Gewalt des abstürzenden Wassers zu mildern. 
Bei dem in den Abb. 5, 6 und 7 abgebildeten Weikenwehr 
bei Höfen hatte sich im Laufe der Zeit infolge der Holzeinbauten 
ein ziemlich beträchtlicher Unterschied in der Höhenlage der Fluß 
sohle gebildet, welcher bei dem Umbau aus nachbarrechtlichen 
Rücksichten nicht beseitigt werden durfte. Wegen des beträcht 
lichen Höhenunterschieds zwischen Ober- und Unterwasserspiegel 
mußten hier sowie an der Neuenbürger Wasserstube (Abb. 1, 
2 und 3) zum Aufstieg von Forellen und Aeschen Fischwege 
eingebaut werden, deren unterer Ausgang an diejenigen Stellen 
der Wehre verlegt wurde, woselbst (hauptsächlich infolge Hand 
habung der Floßgassenfallen) der tiefste Kolk und somit der be 
liebteste Aufenthaltsort der Fische sich ausbilden und auch er 
halten bleiben muß. Die obere Ausmündung des Fischweges 
wird (s. Abb. 5) bei Hochwasser mit einer leichten Schützentafel 
verhängt, damit sich dort keine sperrigen Gegenstände festsetzen 
können. 
Die oben geschilderte, nunmehr an sechs Wehren zur Aus 
führung gebrachte Bauweise hat sich seit dem Jahre 1883, ins 
besondere hinsichtlich der Wasserdichtigkeit und leichten Hand 
habung bei vollständiger Gefahrlosigkeit bewährt. Auch die 
Kosten dieser Wehrbauten dürfen als mäßige bezeichnet werden. 
Es hat z. B. das einschließlich der beiderseitigen Ufermauern 
31,5 m lange Böhmleswagwehr in Calmbach mit 2,3 m Gefüll, 
einschließlich Fischweg und aller sonstigen Einrichtungen 320 M 
für 1 m Länge, die Neuenbürger Wasserstube dcsgl. bei 42,5 m 
Länge 1,8 m Gefäll 350 M., das 36,5 m lange Weikenwehr 
bei Höfen mit 2,4 m Gefäll desgl. 425 M, ferner die 37 m 
lange Lautenhofer Wasserstube oberhalb Wildbad, welche zu 
beiden Seiten zusammen 19,2 m lange steinerne, auf Beton 
gegründete Brustmauern erhalten hat, bei 1,8 m Gefäll in- 
einandergerechnet 170 X, endlich das 0,4 m unter Niedrig- 
waffer auf Felsen gegründete 7,5 m im lichten weite, an dem 
nicht flößbaren Forbach, also ohne Floßgasse erbaute Wehr in 
Friedrichsthal, ausschließlich der Seitenwände und Anschluß 
mauern 130 X für 1 m gekostet. 
Bei Vergleichungen mit anderen unter ähnlichen Verhält 
nissen und ebenfalls mit gemischter Bauart hergestellten festen 
Wehren crgicbt sich ein so geringer Unterschied in den Kosten 
der beweglichen und festen Wehre, daß in allen Fällen, in wel 
chen die Anlage von festen Wehren mit schädlichen Auflandungen 
der Flußsohlen und Anstauungen oder mit anderen Mißständen 
verknüpft ist, die Genehmigung zur Anlage solcher Wehre ver 
sagt werden sollte. Es dürfte eine Aufgabe der technischen 
Vereine sein, noch weitere bezügliche Nachweisungen ans ver 
schiedenen Landesteilen zu sammeln, um sodann in dieser wich 
tigen gewerblichen und zugleich wasserwirtschaft 
lichen Angelegenheit für eine Aenderung der bestehenden 
Vorschriften über die Herstellung der fraglichen Gattung „lästiger 
Gewerbeanlagen" im Sinne der allgemeineren Durchführung der 
beweglichen Wehre sowohl bei Neubauten als auch bei größeren 
Umbauten bei den zuständigen Behörden vorstellig zu werden. 
Stuttgart, im Januar 1889. Rheinhard. 
(Aus dem Zentralblatt der Bauverwaltung 
Wiederabdruck nicht gestattet.)
	        

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