Beilage 4.
Bericht üöer Aauch- und AußöeWigung in großen Städten.
Gegenüber der vorliegenden Anregung, betreffend die Be
seitigung der Ranch- und Rußbelästigung in großen Städten, er
innern wir zunächst daran, daß in denjenigen Gegenden Deutsch
lands, in welchen die Kohlen teuer sind (Bayern, Württemberg,
Baden, Elsaß), sowie in der Schweiz die Frage der Verhütung
des Rauchens der Feuerungen erst vor wenigen Jahren eingehend
erörtert worden ist (vergl. z. B. „Zeitschrift des Vereins deutscher
Ingenieure" 1882 S. 40-47, 81—92, insbesondere Schluß
bemerkung S. 91 und 92; dieselbe Zeitschrift 1883 S. 177-188
namentlich die Einleitung; S. 469—474 u. s. f.) und daß an
derselben hier fortgesetzt weitergearbeitet wird.
Man ist sich dabei klar geworden:
1. daß die Rauchfrage eine alte und schwierige ist (vergl.
die ganz unerhebliche Wirkung des Eingreifens der eng
lischen Gesetzgebung während eines Zeitrauins von vier
Jahrzehnten, „Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure"
1882 S. 42—43; ferner das Ergebnis der Preisaus
schreibung des sächsischen Jngenieurvereins vor reichlich
30 Jahren, dieselbe Zeitschrift 1882 S. 88, sowie das
jenige der Ausstellungen von rauchverzehrendeir Einrich
tungen in London und Manchester 1881/82 u. s. w.;
2. daß ein verständiger, gewiffenhafter und gut bezahlter Heizer
in der Mehrzahl der Fälle die Hauptsache ist, und daß ohne
einen solchen die beste Einrichtung nicht zur Geltung gelangt;
3. daß da, wo eine der vorhandenen guten Einrichtungen nicht
anwendbar erscheint und neue erprobte nicht vorliegen, ein
wenig oder gar keinen Rauch (d. h. keine belästigende Ver
brennungsprodukte) lieferndes Brennmaterial heranzu
ziehen ist;
4. daß in vielen der großen Städte mehr Brennmaterial (und
noch dazu weniger vollkommen) für Haushaltungszwecke
verbrannt zu werden pflegt, als in den Feuerungen der
Industrie;
5. daß dem Rauchen der Haushaltungsfeuerungen und dem
jenigen mancher Kleinbetriebe nur durch Einrichtungen,
welche sich auf die Verwendung gasförmigen Brennstoffs
mit zentraler Gaserzeugung stützen, wird gründlich ab
geholfen werden können.
Ferner erkannte man, daß namentlich in Süddeutschland und
der Schweiz die höheren Kohlenpreise im Verein mit den An
forderungen des industriellen Wettbewerbs weit mehr vermocht
haben, als die in England seit 1843 in Anspruch genommene
Gesetzgebung.
Was zur Verhütung des Rauchens an guten Einrichtungen
thatsächlich vorhanden ist, dürfte jedem Sachverständigen bekannt
sein, jedenfalls den Spezialisten auf dem Gebiete der Feuerungs
und Heizungstechnik, zumal seit das deutsche Patentgesetz zur
vollen Wirksamkeit gelangt ist. Auf dem Gebiete der Dampf
kesselfeuerungen und verwandter Einrichtungen bilden die In
genieure der deutschen Dampfkesselüberwachungs-Vereine eine statt
liche Schar von Sachverständigen. Die Angelegenheit muß ihrer
natürlichen Entwickelung und der Förderung durch die Techniker
Deutschlands überlassen werden, was um so mehr zulässig ist,
als die Forderung der Wirtschaftlichkeit mit derjenigen der Ge
sundheitspflege zusanimenfällt; wer vollkommen, d. h. rauchfrei
verbrennt, nutzt das Brennmaterial auch am vollständigsten aus.
Wenn nun jetzt beantragt wird, über die zur Verhütung
des Rauchens anzuwendenden Mittel sich gutachtlich zu äußern,
so ist schwer einzusehen, was hiebei Neues und Wertvolles zu
Tage gefördert werden soll. Dagegen steht der Nachteil zu be
fürchten, daß die erneute allgemeine Aufnahme der öffentlichen
Behandlung des Gegenstandes einzelne Staatsbehörden zu der
Annahme verführen könnte, es sei durch ein scharfes Eingreifen
von oben ein wesentlicher Fortschritt zu erzielen. Die Belästi
gungen, welche hiedurch entstehen können, liegen klar zu Tage.
Den mit der Durchführung hierauf bezüglicher Vorschriften be
auftragten Behörden stehen Persönlichkeiten, welche mit der nötigen
Sachkenntnis die erforderliche Rücksichtnahme zu verknüpfen wissen,
in der Regel nicht zur Verfügung. Daß aber ein wirklicher
Erfolg nicht durch Vorschriften, sondern vorzugsweise durch die
Personen, welche die Vorschriften durchzuführen haben, erreicht
werden nmß, dafür sprechen deutlich die Erfahrungen, welche in
England, sowie anderwärts gemacht worden sind, wo besondere
Bestimmungen zur Verhütung des Rauchens bestehen.
Da, wo in einzelnen Gegenden oder Städten besondere Miß
stände vorhanden sind, wo niedrige Kohlenpreise altem Schlendrian
Vorschub leisten, da wird eben auf Grund der besonderen
Verhältnisse einzuschreiten sein. Dazu dürften aber in den
meisten Fällen die bestehenden polizeilichen Vorschriften (Gewerbe
ordnung § 16 f., Bauordnung u. s. w.), erforderlichenfalls durch
polizeiliche Bestimmungen ergänzt, ausreichen. Beispielsweise
wird seit einer Reihe von Jahren in Stuttgart keine Dampf
kesselanlage mehr genehmigt, welche nicht die Einrichtung zu rauch
freier Verbrennung besitzt.
Unter diesen Umständen müssen wir uns gegen eine all
gemeine Behandlung der Rauchfrage aussprechen, und empfehlen
denjenigen Verbandsvereinen, in deren Bezirken die Belästigung
erheblich stärker ist, als nach dem heutigen Stande der Feuerungs
technik und bei durchschnittlicher Gewissenhaftigkeit der die Feue
rungen bedienenden Menschen zu erwarten ist, entschiedenes Vor
gehen unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse rc.
Stuttgart, den 28. Oktober 1889.
gez. C. Bach.
Bok.
Gsell.