Full text: Versammlungs-Berichte / Württembergischer Verein für Baukunde in Stuttgart (1889/90)

Beilage 5. 
Gin neues 
System von ZZergbahnen. 
Vortrag des Regierungsbaumeisters Lcbret. 
Nachdem die Bahnei: in Thälern und Ebenen in stets dichter 
-werdenden Maschen sich ausdehnen, so bleiben doch für deren 
Zusammenknüpfuug über Bergrückei: hinweg deutliche Lücken zu 
rück, welche bedingt sind durch die Schwierigkeitei: und Kosten 
der Führung vo>: Bahnen in starken Steigungen. Erst in neue 
ster Zeit beginnt man behufs der Reduktion der Kosten eines 
lang entwickelten Schleifenbaues Lokoinotiven zu bauen, welche 
die "Möglichkeit besitze,:, stärkere Steigungen als die im Thal 
angewendete,: zu überwinden. Von den verschiedene,:, wieder i>: 
den Hintergrund zurückgetretene,: Systemen hat sich nur die Abt- 
sche Zahnlamellenbahn zu einigen Weltbahnverbindungcn (in In 
dien Bolanpaß, die Harzbahn Blankenburg-Tanne und in Bosnien 
und der Herzegowina die Wasserscheiden der Linie Serajevo- 
Mostar) die Ausführung errungen. 
Die immerhin noch bedeutenden Kosten dieses Spezialsystems, 
die dadurch bedingte geringe Fahrgeschwindigkeit, die Gebunden 
heit der Bewegung durch den Zahneingriff, sowie namentlich bei 
steilerer Bahn, die Gefahr des Aufsteigens stellen dieser Konstruk 
tion trotzdem keine allgemeine Verbreitung in Aussicht. 
Es sei hieniit ein anderes System vorgeschlagen, welches 
den gleichen Zweck wie die Zahnradbahnen mit bedeutend ge 
ringeren Kosten des Spezialoberbaues erreicht, eine viel größere 
Sicherheit bietet und eine weit elastischere und weichere Bewe 
gung erzeugt. 
Dieses System beruht auf den: Prinzip der Fortbewegung 
längs eines innerhalb des Geleises festliegenden Stahlseils oder 
einer Stahlkette mittels systematischer Aufwindung an zwei 
Gegentrommeln, genau wie diese Konstruktion längst bei der 
Kettenschleppschiffahrt mit bestem Erfolg eingeführt ist. Hier 
aber ist in: Gegensatz zu den bei der Schiffahrt häufig wechseln 
den Beivegungswiderständen zufolge Strömungen und Schotter 
überdeckungen über die auf der Flußsohle liegende Kette nur 
eine ganz genau durch die Bahnneigung und die Schwere des 
Bahnzugs bestimmte Spannung der Kette bezw. des Seils vor 
handen. 
Es sei nachfolgend eine solche Berechnung kurz angedeutet: 
Die Neigung der Rampe sei 1 : 10 (100°/oo). 
Die angehängte Bruttolast sei. . . . 95,0 t 
Eine 4cylindr. Tenderlokomotive wiegt . 30,5 „ 
Nachschublokomotive 19,5 „ 
Gesamtgew. . . 145,0 t 
Die Fahrgeschwindigkeit v ist — 4 m pr. Sekunde (14,4 km 
per Stunde in der Steilrampe). 
Der Zugswiderstand beträgt in der Steigung 100 °/<>o 
— :• 106 kg per 1 Tonne Zugslast. 
Die Zugsbespannung sei durch eine vordere gemischte (Ad- 
häsions- und Kettenlokomotive) und eine am Schluß des Bahn 
zugs gehende kleinere Lokomotive, die nur mit Ketten- bezw. 
Seiltrommeln ausgerüstet ist, welche an einem zweiten, dicht neben 
dem ersten parallelliegeuden Stahlseil bezw. Kettenstrang sich 
aufwinden, gebildet. Die erste vorn angespannte Lokoinotive 
hat zu ziehen vom Gesamtgewicht 90 t 
die hinten angehängte Sicherheitslokomotive hat zu schieben 55 „ 
zus. 145 t 
Für die vordere Lokomotive wird die Anzahl der erforder 
lichen Pferdestärken N — ^ ^ ^ X ^ — 510 TP. 
Hievon wird durch die Adhäsion geleistet: 
3050,0 x0,12 —:• 3660 kg, welche einen: angehängten 
Wagengewicht entsprechen von = 34,5 t rd. 35 t. 
Es bleibt somit für die Wiudevorrichtung der vorder,: Lo 
komotive noch 90 — 35 — 55 t zu transportieren; hiefür 
N 1 = 
55 X 106 X 4 
75 
311 TP. 
Nach den bekannten Gesetzen der Uebertragung einer Kraft 
durch Riemenscheiben rechnet sich hier die Einlaufspannung T 1 
folgendermaßen: 
Der auf den Uiufang der Troinmeli: reduzierte, zu über- 
N 1 
tragende Druck in kg beträgt P — 716,2 X , wobei 
U X R bei: Weg des Walzenumfangs in 1 Minute, hier 
76 X 95 — 38, somit P = 5862 kg, dann T 1 = X P = 
—; • 6408 kg, wobei t = e 2 7111 ? gesetzt ist. 
Der Reibungskoeffizient y. zwischen Seil und Trommel kaun 
als bei jeder Witterung konstant zu 0,18 eingesetzt werden. 
Die Spannung T“ des ablaufenden Seils wird 
11 ^ P 
T 11 = = 23 kg; 
diese Gegenspannung genügt, um das Gleiten der Kette bei der 
berechneten Spannung zu verhindern. 
Die beschriebene Lokoinotive hat in der ebenen Strecke bezw. 
bei Steigungen bis zu 1:45 (22,2°/oo) allein zu ziehen: 
30,5 + 95,0 — > — 125,5 t bei einer Geschwindigkeit von 
11 m per Sekunde, dann wird für diesen Fall 
125,5 X 27,2 X 11 
N 
75 
= 500 TP. 
Dieselbe Stärke ergiebt sich für 190 t Bruttobelastung bei 
6,3 m Geschwindigkeit; diese Arbeit wird durch bloße Adhäsion 
geleistet und ist der Leistung des Lokomotivkessels in der Steil 
rampe gleich. Die Berechnung der Stärke für die Nachschub 
lokomotive ergiebt: 
X = 
55 X 106 X 4 
75 
311 TP; wie beim Seilantricb 
der vorderen Lokomotive berechnet. Damit werden auch die 
Dimensionen des Seils:c. dieselben, wie oben.
	        

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