Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1893-97)

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die schädliche Einwirkung von Ruß auf die Gesundheit der Menschen 
ist nicht unmittelbar nachweisbar; von Nachteil ist es aber jedenfalls, 
daß das Lüften bewohnter Räume wegen des Rauches vielfach sehr 
stark eingeschränkt wird. 
Dagegen sind Sachbeschädigungen durch Rauch, Ruß und schwef 
lige Säure in weitem Umfange bekanntlich leicht nachweisbar. 
Nichttechniker machen sich auch kaum eine Vorstellung von den 
wirtschaftlichen Verlusten, welche durch die mangelhafte Beschaffenheit 
der Feuerungen veranlaßt werden. Bei vielen Dampfkesseln wird 
kaum die Hälfte, bei den meisten Hausfeuerungen noch viel weniger 
von der in den Brennstoffen enthaltenen Wärme nutzbar gemacht, 
während bei guter Anlage bei den ersteren bis zu 85 °/o und bei 
den letzteren bis zu 75 °/° der Wärme wirklich ausgenutzt werden 
könnten. Es beträgt mithin der vermeidliche Verlust mehr als 20 "/» 
bei Dampfkesseln und reichlich 50 °/o bei den Hausfeuerungen. In 
Deutschland werden jährlich etwa 60 Millionen Tonnen Steinkohlen 
und 15 Millionen Tonnen Braunkohlen verbraucht und wenn davon 
etwa 2 la unter Dampfkesseln und 1 /s in Hansfeuerungen verbrannt 
werden, so berechnet sich der durch schlechte Feuerungsanlagen er 
wachsende jährliche Verlust auf etwa 18 Millionen Tonnen Stein 
kohlen und 4'/- Millionen Tonnen Braunkohlen im Werte von min 
destens 200 Millionen Mark. 
Die Hauptschuld der Rauchbelästigung wird häufig den Groß 
feuern (Fabriken, Zentralheizungen u. bergt.) zugeschrieben; in vielen 
Städten ist aber der Verbrauch von Steinkohlen in klcingewerblichem 
Betriebe und in den Einzelfeuerungen der Wohnungen ein ebenso 
großer oder ein noch größerer. 
Vielfach sind die baulichen Einrichtungen (Anordnung der Rauch 
röhren, Höhe der Schornsteine u. s. w.) mangelhaft; oft auch liegt 
der Fehler an der Verwendung schlecht geschulter Heizer; auch die Be 
nützung unpassender Heizmaterialien kann nachteilig wirken; so z. B. 
sollten in den Haushaltungen Flammkohlen nicht verwendet werden. 
Besonders sind zur Verhütung von Rauch die gasförmigen Stoffe 
(Leuchtgas, Dawsongas), ferner Holz, Torf, Anthracit, Kokes und 
Preßkohle zu empfehlen. 
Für Großfeuerungen gibt die Technik bei jedem vorkommenden 
Fall Mittel an die Hand, die Rauchbildung auf einen geringen Um 
fang einzuschränken; jedoch eignet sich unter der großen Zahl von 
rauchverzehrenden Feuerungen keine zur allgemeinen Anwendung, es 
muß vielmehr für jeden einzelnen Fall durch Sachverständige das 
passende Abhilfsmittel bestimmt werden. 
In manchen Fällen, wo wegen ungenügender Größe der Anlage 
bei starker Inanspruchnahme viel Rauch entwickelt wird, kann nur 
durch Vergrößerung der Feuerungsanlage oder durch Beschränkung 
des Betriebes geholfen werden. 
Es ist billig, von allen Großfeucrnngen die Verhütung von 
Rauch strenge zu fordern, und notwendig, bei der Genehmigung von 
Neuanlagen und Umbauten die Vermeidung von Ranch zur ausdrück 
lichen Bedingung zu machen. 
Die Verdrängung industrieller Anlagen aus dem Innern der 
Städte in besondere, zweckmäßig angelegte Außenquartiere ist anzu 
bahnen und zwar erforderlichen Falles mittelst Vervollständigung der 
Gesetzgebung. 
Für Kleinfeuerungen ist die Schaffung von Zentralheizungs 
stellen zu befürworten. 
Für Haushaltungsfeuerungen wird empfohlen: 
1) die sorgfältige Herstellung der Rauchröhren aus glatten, wider 
standsfähigen Backsteinen ohne inneren Verputz, 
2) ein genügend großer Querschnitt derselben (für höchstens 3 
Feuerungen mindestens 250 qcm); Vermeidung der Einleitung 
von mehr als 3 Feuerungen in einen Schornstein; 
3) das Ueberragen der Schornsteine um mindestens 30 cm über 
den eigenen Dachfirst und thunlichst auch über die benachbarten; 
4) die Vermeidung des Einleitcns mehrerer Feuerungen in das 
gleiche Rauchrohr aus verschiedenen Geschossen, oder ans einem 
Geschosse in gleicher Höhe; Anlage eines besonderen Rauchrohrs 
für jeden Küchenherd; (für Neubauten oder Umbauten sollte 
die Genehmigung von der richtigen Anordnung der Rauch- 
röhren abhängig sein); 
5) die Anwendung von zweckmäßig eingerichteten Rußfängen; 
6) die richtige Beschickung der Feuerungen in der Weise, daß die 
aus den noch nicht entzündeten Brennstoffen entweichenden 
Gase durch das Feuer geleitet werden; 
7) die Verbesserung des Kehrwesens und die sachverständige Ueber- 
wachung desselben. 
Alle Verbesserungsvorschläge werden aber wenig Erfolg haben, 
so lange nicht durch gesetzliche und polizeiliche Bestimmungen die ge 
eigneten Maßregeln gefördert und durch stete Ueberwachung ge 
sichert sind. 
Solche Bestimmungen sollten vorschreiben: 
1) daß die Besitzer von Anlagen, bei welchen starke und dauernde 
Rauchbildung bemerkt wird, zur Beseitigung dieses Uebelstandes 
angehalten werden; 
2) daß in dichter bebauten Ortschaften die Benützung aller starken 
Rauch entwickelnden Brennstoffe verboten wird; 
3) daß die oben für Kleinfeuernngen vorgeschlagenen Vorschriften 
in die Baupolizeiordnungen aufgenommen werden (mit Aus 
nahme der Vorschrift unter 6, welche den Fach- und Inter 
essentenkreisen zur Beachtung empfohlen wird). 
Die Durchführung derartiger Anordnungen ist Sache der polizei 
lichen Organe; letztere sollten aber dabei mehr als bisher wirkliche 
Sachverständige zuziehen. Für gewerbliche Betriebe sind die Kessel- 
Revisionsbeamten geeignete Beiräte, für die Kleinfeuerungen die Be 
zirksbaubeamten. In Großstädten wird die Anstellung eigener Be 
amten zur Ueberwachung der Feuerungen zu erwägen sein. Diese 
Ueberwachung sollte sich nicht auf die Prüfung und Genehmigung 
neuer Anlagen beschränken, sondern auch auf den Betrieb und die Er 
haltung eines dauernd guten Zustandes der Feuerungen gerichtet sein. 
Auch die Belehrung des großen Publikums durch Verbreitung 
der Kenntnis von denjenigen Naturgesetzen, welche für eine voll 
kommene Heizung maßgebend sind, in gewerblichen Lehranstalten, in 
den Vereinigungen der Baugewerke, in Arbeiter- und Bürger-Vereinen, 
und durch Mitteilungen in der Presse wird empfohlen. 
In erster Linie sollte aber an alle Feuerungen der öffentlichen 
Betriebe des Staats und der Gemeinde, welche vielfach nicht als 
Muster aufgestellt tverden können, die bessernde Hand angelegt werden. 
In der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure veröffent 
licht Prof. Bach (Stuttgart) als Referent dieses Vereins in der Rauch 
belästigungsfrage mit dem Direktor des Vereins, Th. Peters, einen 
Aufsatz, welcher gegen die vorstehend im Auszuge mitgeteilte Denk 
schrift gerichtet ist. 
Derselbe führt aus, daß auch in den Kreisen des Vereins deut 
scher Ingenieure die vorliegende Frage seit mehr als 10 Jahren 
Gegenstand der Verhandlungen gewesen sei. 
Es habe sich bei wiederholten Beratungen ergeben, 
1) daß diese Frage eine alte und schwer zu lösende sei, wie schon 
aus der ganz unerheblichen Wirkung des Eingreifens der eng 
lischen Gesetzgebung während eines Zeitraums von 5 Jahr 
zehnten, aus dem geringen Ergebnis der Ausstellungen von 
rauchverzehrenden Einrichtungen in London und Manchester 
u. s. w. hervorgehe; 
2) daß ein tüchtiger Heizer, ohne welchen die beste Anordnung 
nicht zur Geltung gelangen könne, in den meisten Fällen die 
Hauptsache sei; 
3) daß da, wo keine der vorhandenen guten Einrichtungen an 
wendbar sei, so weit wie möglich ein Brennmaterial heran 
zuziehen sei, welches wenig oder gar keinen Rauch entwickle; 
4) daß in vielen großen Städten für Kleinbetrieb und Haus 
haltungen mehr Brennmaterial und dabei noch in unvoll- 
kommnerer Weise verbrannt werde, als für Großfeuerungen; 
5) daß die Feuerungseinrichtnngen der öffentlichen Betriebe des 
Staates und der Gemeinden häufig in Bezug auf Vermeid 
ung von Rauch nicht in erster Linie stehen; 
6) daß für Kleinbetriebe und Haushaltungen nur durch die Ver 
wendung gasförmigen Brennstoffs mit zentraler Gaserzeugung 
gründlich geholfen werden könne; 
7) daß die Ansicht, es sei allgemein durch scharfes Einschreiten 
der Behörden ein wesentlicher Fortschritt zu erreichen, irrig sei; 
8) daß die Frage im allgemeinen ihrer natürlichen Entwicklung
	        

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