Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1893-97)

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Gesellige Vereinigung am 3. Februar 1894. 
Die gewöhnlich mit der Hauptversammlung verknüpfte gesellige 
Bereinigung mußte dieses Jahr am Vorabend abgehalten werden. 
Dieselbe fand im kleinen Saale der Museumsgesellschaft statt unter 
der Teilnahme zahlreicher Mitglieder (auch auswärtiger) mit ihren 
Familien. 
Nach Einnahme eines genieinschaftlichen Abendessens entwickelte 
sich bald ein heiteres Leben, verschönt durch musikalische Vorträge, 
sowie durch die gelungene Aufführung eines Lustspiels. Große 
Zweiter Reisebericht 
über 
öcrs Land der WcruKunöigen, 
vorgetragen in der geselligen Vereinigung am Vorabend der Hauptversammlung am 3. Februar l8y-s von Äauinspektor Laistner. 
Vor 15 Jahren habe ich, allerdings durch fremden Mund, ver 
sucht, den damaligen Besuchern unserer Hauptversammlung eine kurze 
Beschreibung des Landes der Baukundigeu und ihrer Bewohner zu 
geben. 
15 Jahre sind auch in unserer rasch lebenden Zeit immerhin 
ein Zeitraum, der es rechtfertigt, wenn ich mir heute erlaube, Ihre 
Blicke wiederuni auf jenes Land zu lenken und Ihnen ein gedrängtes 
Bild der bisherigen Aenderungen in demselben und der gegenwärtig 
dort herrschenden Verhältnisse zu geben. 
Was die äußere Gestaltung des schönen, leider noch nicht häufig 
genug besuchten Landes betrifft, so hat sich hierin Verschiedenes ge 
ändert, ohne daß ich Ihne» hiefür eine ausreichende Erklärung zu 
geben vermöchte. 
Zunächst weisen die Wasserverhältnisse einen merklichen Rückgang 
auf: vom Becker ist bedauerlicherweise nichts mehr zu sehen; auch 
der aus der Zentralquelle des Landes gespeiste Biekenbach und der 
ruhig dahinfließende Schlebach sind viel trockener als früher und 
vielfach gar nicht mehr zu sehen. 
Die Bodenerhebungen sind gleichfalls andere geworden: der 
Brenner, der ehemalige Hauptrücken des Landes, ist ganz von der 
Bildfläche verschwunden; nur der malerische (•Milfnsttin ragt noch in 
stiller Einsamkeit grau schimmernd in die Höhe. 
Nicht unwesentlich haben sich auch die Vegctationsverhältnisse 
geändert. Der stattliche Lraunwald, von dem ich Ihnen früher be 
richtet, ist verschwunden. Der keineswegs finstere vobel, den er in 
sich barg, hat dadurch zwar an Gemütlichkeit nichts verloren, doch 
kommt sein Echo nicht mehr so ansprechend zur Geltung wie sonst. 
Auf der ehemaligen Waldfläche trifft man ab und zu noch einen 
Rast, ein Stendel, ein Kräuile. oder — aber nur höchst selten — 
das gern gesehene Bareis. 
Die Knollengewächse sind auf die Hälfte zurückgegangen; das 
Beigele jedoch blüht und gedeiht noch wie ehedem. 
Bei den von den Baukundigeu verwendeten Baumaterialien ist 
an die Stelle des l)od)ftstn das linifistii getreten. Die Verwendung 
des Stahl hat sich in ungeahntem Maße gesteigert; es kommt der 
selbe bei den verschiedensten Bauten und in allen möglichen Sorten 
zur Anwendung. Das von jeher viel und nutzbringend verwendete 
Schlierhol; dient auch heute noch den verschiedensten Zwecken und 
gilt als das dauerhafteste Holz ini Lande. Ans den jungen Be 
ständen von Schlierholz werden seit einiger Zeit auch Materialien 
zu Eisenbahnzweckcn gewonnen. 
Auch in zoologischer Beziehung sind gegen früher einige Aende 
rungen zu verzeichnen. 
Es ist zwar nur noch ein einziger älterer Lok vorhanden; 
dagegen blüht in einem jüngeren Bölrlen ein erfreulicher Nachwuchs. 
Auch der Babel mit seinem kostbaren Pelz ist ab und zu noch anzu 
treffen. Die Wölfe sind sehr dezimiert worden. Der einzige aus 
gewachsene Wolf, dessen Vorhandensein sich mit Bestimmtheit nach- 
Heiterkeit erregte auch der von Herrn Bauinspektor Laistner vor 
getragene komische Vortrag (nachstehend abgedruckt). 
Den Glanzpunkt des Abends bildete das von 16 in der Tracht 
des Empire gekleideten Paaren vorgeführte Menuett. 
An dasselbe schloß sich der allgemeine Tanz an. Der Abend 
verlief in gelungenster Weise; es hat sich der VergnügungSkommissär, 
Architekt Lauser, um dessen Zustandekommen überaus verdient 
gemacht. 
weisen läßt, soll überdies keineswegs gefährlich sein und sich sogar 
schon, ohne irgendwie Schaden anzurichten, bis in die öffentlichen Ver 
sammlungslokale der Baukundigen gewagt haben. Ueberhaupt scheinen 
die Raubtiere deö Landes von ziemlich sanfter Art zu sein — so 
namentlich auch der hantle. 
Der Haas hat sich gegen früher auf das doppelte verniehrt. 
Das meist gejagte Wild ist zur Zeit zweifellos der Buchs. 
Auf Weganlagen zur bequemeren Verbindung der Baukundigeu 
unter sich scheint bisher nicht viel gehalten worden zu sein: der 
einzige noch vorhandene Beldwry ist von einem scharfen Z'aitzle durch 
zogen. Nachdem neuerdings jedoch wieder ein besonderer Slratzer 
angestellt worden ist, so werden sich die Wegverhältnisse wohl bald 
wieder bessern. 
Auf anderen Gebieten zeigen die Baukundigen übrigens nach 
wie vor ein reges Interesse für die Wohlfahrt ihres Landes. Wenn 
sic sich auch keinen besonderen Börfler mehr halten — und ein 
solcher ist nach dem Eingangs erwähnten Verschwinden des Braun 
waldes wohl auch kaum mehr Bedürfnis —, so sind doch beispiels- 
weise zur Hebung der Fischzucht ein Teichmann und mehrere Bischer 
bestellt worden. Die Sorge für den Ackerbau im allgemeinen liegt 
einem Ba»r ob, dem zur Unterstützung ein Bäuerle beigegeben ist. 
Zwei Mustcrgnindstücken, welche den Namen Kokacker führen, wird 
dabei besondere Aufmerksamkeit zugewendet. Der früher aufgestellt 
gewesene Pflüger ist nicht mehr vorhanden; dagegen wird die Ansaat 
durch einen eigens hiezu berufenen Bliimer übciwacht. Das einzige 
landwirtschaftliche Geräte, das Egle, kommt wenig mehr zur Ver 
wendung, leistet aber in besonderen Fällen wie früher noch die er- 
ersprießlichsten Dienste. 
Die mit der Landwirtschaft verbundene Malier ei besteht noch 
annähernd im alten Umfange fort. 
Der Gewerbebetrieb steht in schönster Blüte, doch würde cS zu 
weit führen, denselben heute einer näheren Betrachtung zu unter 
ziehen. Es mag genügen, darauf hinzuweisen, daß ein Metzger, 
ein Bleischhnuer, ein Glaser, ein Seeger (oder Kretschneider), mehrere 
Schmid, ein Magner, zwei Schneider, ein Meber. ein Meisert iwas 
man bei uns Gipser nennt), zwei Kilbler, ein Werlimann und ein 
Maurer mit seinem Gsell im Lande der Baukundigen anzutreffen sind. 
Was die letzteren selbst betrifft, so haben sie sich seit meiner 
ersten Reise nur wenig verändert, dank ihrem kräftigen, gesunden 
Menschenschlag, der am meisten Aehnlichkeit mit dem Kager oder dem 
Berner Oberländer zeigt. 
Früher waren bekanntlich mehrere Ehemänner, darunter ein lediger, 
vorhanden: jetzt soll's aber nur noch einen Ehmann geben. Die siaa», 
von der ich Ihnen früher sagte, ist nun mittlerweile eben auch um 
15 Jahre älter geworden 
Mit Vornamen quälen sich die Bankundigen nicht viel ab: die 
meisten Männer heißen Pete, oder Menzel. Sie tragen, wenn sie 
überhaupt einen Bart tragen, den sog. Keirbarth.
	        

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