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sind so luxuriös ausgestattet, daß viel verzehrt werden muß, bis
dieser Luxus bezahlt ist. Alles ist sehr teuer: Gläschen Bier 20 Pfg.,
Schnaps 60 Pfg., ebensoviel ein Spitzgläschen Wein, man kann
allerdings umsonst ein belegtes Brot haben, aber nach reichlich ein
genommenem Frühstück hat man hiezu kein Bedürfnis. — Es giebt
natürlich auch Restaurationen: in den deutschen erhält man zum
Essen Bier oder Wein, aber man ist nicht immer so glücklich, die
selben gleich aufzufinden; in amerikanischen gibt es es nur Eiswasser,
oder cold cream, Limonade rc. Die bloße Inschrift hat mich immer
vom Betreten des Lokals abgeschreckt. In Restaurationen kann man
öfters für 2 Mk. eine genügende Mahlzeit erhalten, manchmal sogar
für 1 Mark. Gewöhnlich muß man aber Portionen bestellen und
dann kommt man unter einem Dollar selten weg, erspart also nichts
gegenüber dem Gasthof.
Bezüglich der Gasthöfe will ich noch hinzufügen, daß der Com
fort in denselben sehr groß ist. Die Lokale für den allgemeinen
Gebrauch der Gäste sind sehr geräumig, die Office mit dem Bureau, J
Zeitungs- und Cigarrenverkauf, Fahrplanständern, Telegraph, dient
als allgemeiner Aufenthalt der Herren, es fehlen natürlich, (wegen
des Tabakkauens nötig) die Spucknäpfe sowie die Stangen nicht, ans
denen die Amerikaner die Füße aufzulegen pflegen. Hieran reihen
sich das Schreibzimmer, Waschzimmer, Aborte, Zimmer für den Friseur,
Aufbewahrung von Handgepäck rc. Diese Räume nehmen meist das
Parterre des Gebäudes vollständig ein. Im ersten Stock sind dann !
die Speisezimmer, die kariours für die Damen und erst in den
höheren Stockwerken beginnen die Schlafzimmer.
Sehr angenehm ist es für den Fremden, in der ganzen Ausdehnung
des Landes immer dasselbe gute Bett zu erhalten, alle sind nach demselben
Muster gebaut, sehr breit, schmales niedriges Kissen, in den eleganten Hotels
neben dem Schlafzimmer Badekabinet mit Toilette u. s. w.
Ich erinnere mich eines Gasthofs in einer Sommerfrische des
Westens (del Monte bei Monterey); die Office, ca. 20X15 m,
bildete abends den Sammelpunkt der Gesellschaft, im Kamin flammt
ein großes Holzfeuer, die Herren sitzen und rauchen oder lesen, die >
jungen Herren und Damen spazieren hin und her, es war dies
ein so reizendes Bild, daß ich nur ungern mich wieder auf die j
Wanderschaft gemacht habe.
Wie die Amerikaner wohnen, hat Kollege Tritschler eingehend
beschrieben, ich möchte nur hinzufügen oder berichtigen, daß das
Zusammenbauen der Häuser nur im Stadtkern üblich ist, wo die
Geschäftshäuser liegen. Die Straßen erhalten dadurch ein sehr eigen
tümliches Aussehen, daß zwischen Trottoir und Gebäude ein Raum
von 1,0—2,0 m (selten bis 5 m) Breite sich befindet, der zur An
lage von Treppen in den Parterrestock oder das Souterrain, zur
Aufstellung von Schaukästen, Obstverkaufständen, Schuhputzerständen
oder auch als Vorgarten benutzt wird. Auf dem Trottoirrand gegen
die Straße stehen bis m dicke Telegraphenstangen mit bis zu
100 Telegraphen- oder Telephondrähten, Lichtkabeln rc. belastet.
Auch Pfosten zum Befestigen von Querschildern, Briefkasten rc. sind
hier aufgestellt. Dieser Stadtkern nimmt aber einen kleinen Raum
ein, die Wohnquartiere, die dem Kern sich anschließen, sind meist
mit Zwischenräumen gebaut (nur New Jork macht eine Aus
nahme). Ich habe in Europa noch nichts ähnliches gesehen: die
Straßen dieser Stadtteile sind mit Baumreihen versehen, neben den
Trottoirs Vorgärten, gegen die Straße nicht eingefriedigt, mit prächtig
gehaltenem Rasen, die Gebäude stehen rings von Bäumen umgeben
wie im Park, jedes Gebäude dient meist nur für eine Familie,
zweistöckige Anlage ist das gewöhnliche. Fast jedes Haus besitzt eine
offene oder gedeckte Veranda zu ebener Erde, auf welcher die Schaukel
stühle ihre Exerzitien ausführen. Die Figuren 8 und 9 der Tafel
zeigen die Querprofile der verschiedenen Straßenformen.
Als Beispiel kann ich nur eine Arbeiterwohnung vorzeigen,
welche auf der Ausstellung zu sehen war: das Haus natürlich von
Holz, im Parterre karlour, Küche, Speisekammer, Baderaum; im
1. Stock 3 Schlafzimmer. Größe des Gebäudes etwa 6 m auf
8,5 m, Kosten ohne Bauplatz ca. 600 Dollars. Sehr gefreut hat
es mich, daß man in Amerika den Fachwerkbau nicht kennt, Material
ist immer echt, Holz oder Backstein, auch Haustein, oder in neuerer
Zeit die Gebäude aus eisernem Gerippe, über deren Konstruktion
ich mir besondere Mitteilung vorbehalte.
Von amerikanischen Städten habe ich eine größere Anzahl ge
sehen, einige der ausgestellten Pläne mögen die allgemeinen Anlagen
darstellen, die ja bekanntlich fast ausschließlich in der Anwendung
des Rechtecksystems besteht. Das System hat den Vorteil, daß bei
Vergrößerung der Städte das Straßennetz schon fertig ist und man
nicht noch wie hier jahrelang zu der Ausarbeitung und Genehmigung
der Stadtbaupläne braucht. Die Bebauung dieser Banguadrate voll
zieht sich aber sehr unregelmäßig und sieht eine amerikanische Stadt
in allen Teilen, den Stadtkern höchstens ausgenommen, sehr unfertig
aus, ferner nehmen die Städte mit Rücksicht auf die Bewohnerzahl
ganz ungemessen große Räume ein, wozu die offene Bauweise in
den äußeren Stadtteilen und das Vorherrschen der Einfamilienhäuser
viel beiträgt. Chicago hat beispielsweise eine Gesamtlänge von
24 Meilen — ca. 38 km, es liegen aber stellenweise zwischen den
bebauten einzelnen Stadtteilen Strecken von 3—4 km Länge, auf
denen kaum ein Haus steht. Die nicht bebauten Stadtteile erscheinen
als Ablagerungsplatz, Sumpf, Steppe oder Urwald, die Straßen
Naturweg, vielleicht hier und da ein schlechtes Holztrottoir auf einer
Seite, und machen diese Stadteile einen höchst betrübenden Eindruck.
Die Flächen vorübergehend landwirtschaftlich zu benutzen, fällt nie
mand ein, es würde sich nicht rentieren, und das ist für den Ame
rikaner allein maßgebend. Der Umstand, daß durch die schachbrett
artige Anordnung der Straßen und die weitläuftige Bauart große
Wege von den Wohnguartieren zum Geschäftsteil der Stadt zurück
zulegen sind, macht sich in Amerika nicht störend fühlbar, weil nach
den entferntesten, kaum im Entstehen begriffenen Stadtteilen Tram
bahnen führen. Man muß fahren so wie so, ob weit oder nicht,
es kostet dasselbe (5 Cent); es finden bei der Einrichtung sowohl
die Bewohner, als die Trambahngesellschaft ihre Rechnung.
Die meisten amerikanischen Städte liegen in ebenen Geländen,
die Trambahn erscheint deshalb meist als elektrische Bahn mit Ober
leitung, wie für Stuttgart geplant ist. In den Außenbezirken mit
dünner Bebauung fährt man sehr rasch (bis zu 25 km die Stunde),
im Innern natürlich langsamer. Sehr hübsch sehen die elektrischen
Trambahnlinien mit Mittelständern aus, namentlich wenn die Straßen
in langen Geraden und gleichen Visieren sich hinziehen, selbstver
ständlich sind derartige Anlagen nur in sehr breiten Straßen möglich
(vergl. Fig. 10). Einzelne Städte, wie San Francisco, Seattle,
Tacoma, Albany liegen aber an steilen, mehrfach unregelmäßigen
Hängen und es ergeben sich bei dem auch hier angewendeten Rechteck
system in der Richtung des Hangs unter allen Umständen, der Länge
nach aber auch bei den entlang des Hanges ziehenden Straßen starke
Gefälle bis zu 20°/o (vergl. Fig. 11). Hier reicht die elektrische
Bahn nicht immer aus, und hat man mehrfach zur Kabelbahn ge
griffen, wo der Wagen bergauf und bergab sich mit gleicher Ge
schwindigkeit bewegt. Diese Bahnen sind in Anlage und Betrieb
sehr teuer und rentieren nur infolge des starken Verkehrs. In sehr
verkehrsreichen Städten sind auch in ebenen Geländen Kabelbahnen
angelegt (New Jork, Chicago, Denver). Die Straßen sind im all
gemeinen sehr breit (ca. 20—30, selbst 40 m), nur in einigen älteren
Städten gibt es auch schmälere Straßen (südl. Teil von New Jork,
St. Louis rc.). In New Jork ist beispielsweise eine Hauptverkehrs
straße, der Brodway, nur 22 m breit (s. Fig. 12), zur Mittagszeit
stockt oft der Verkehr ganz, Labte cars, Fuhrwerke, alles in ein
ander gekeilt und ist nur zu verwundern, wie ruhig und ohne Un
fälle die Massen sich wieder entwirren.
Die der Länge der Stadt nach sich hinziehenden Straßen sind
meist breiter als die Querstraßen, erstere heißen Avenues und er
halten Namen, letztere Streets, meist nur mit Nummern bezeichnet.
Zur Orientierung ist dieses System sehr bequem, mau verwechselt
nicht Ost mit Süd, wie es bei dem gleichartigen Aussehen der Straßen
sonst nur zu leicht geschieht.
Die Baublöcke sind nicht überall gleich, aber im allgemeinen
ziemlich groß. Wo die Blöcke sehr tief sind, findet man da und
dort in der Mitte der Blöcke Feuergassen von ca. 4 m Breite, die
aber für den durchgehenden Verkehr nicht benützt werden (vergl. Fig. 13).
Straßenerbrciterungen sind schon oft ausgeführt worden, man
macht sich hier nicht viel daraus, die Häuser werden, auf gut ame
rikanisch hinausgedrückt, „gemovcd", und das geht auch bei Massiv
bauten rasch und einfach vor sich.