Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1893-97)

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„Sollte sich die mit dem Verzeichnisse veröffentlichte Aufforderung 
zur Nachforschung nach den abhanden gekommenen Nummern als 
erfolglos erweisen, so müßten, da Weise zum Ersatz nicht wohl 
herangezogen werden kann, die noch fehlenden Nummern auf Rechnung 
der Vereinskasse nachbezogen werden, da es keinen Sinn hätte, un- 
vottstündige Jahrgänge einbinden zu lassen und der Bibliothek ein 
zuverleiben. 
„llm derartige unliebsame Vorkommnisse künftighin zu vermeiden, 
möchte ich empfehlen, durch entsprechende Bekanntmachung in den 
Vereinsmitteilungen die Mitglieder, insbesondere diejenigen, bei welchen 
die Zeitschriften in Umlauf sind, dringend zu bitten, auf die Er 
haltung der Zeitschriften sorgfältiger Bedacht zu nehmen und jeweils 
bei der Uebernahme und Abgabe der Mappen sich davon zu über 
zeugen, ob die betreffenden Nummern der einzelnen Zeitschriften alle 
in den Mappen sind. In Anstandsfällen wäre alsbald Mitteilung 
an Herrn Weise zu machen oder eine entsprechende Bemerkung auf 
der P ,ppe beizufügen. Ergäben sich künftig weitere zahlreiche Ver 
luste oon Zeitschriftennummern, so müßte der betreffende Leserkreis 
für den Ersatz verantwortlich gemacht werden. 
„Aus der Bibliothek wurden ausgeliehen zusammen 5 Bücher an 
2 Mitglieder. 
„2a bei den auswärtigen Mitgliedern vielfach Unklarheit darüber 
herrscht, an wen man sich bezüglich des Entlehnens von Büchern aus 
der V> Ansbibliothek zu wenden hat, habe ich eine kurze Bibliothek- 
Ordnung entworfen und möchte dieselbe dem Vereine zur Ge 
nehmigung empfehlen. Hierauf könnte dieselbe am besten im Zu 
sammen lang mit dem im vorigen Jahre vorgelegten Kataloge, welcher 
meines Wissens bislang noch nicht bekannt gegeben wurde, als be 
sonderes Beiblatt unserer Vereinsmitteilungen gedruckt und an sämt 
liche Vcreinsmitglieder verteilt werden. 
„Der Verkauf der alten abgängigen Zeitschriften ist bis 
jetzt sehr flau gegangen; ich möchte empfehlen unter Bekanntgebung 
des gleichfalls angeschlossenen Verzeichnisses in den Vereinsmit- 
teilungeu nochmals zum Ankaufe einzuladen und alsdann entweder 
im Vereine selbst eine Versteigerung vorzunehmen oder mit einem 
Antiquar in Verhandlung zu treten." 
Von der Versammlung wird gegen den Inhalt dieses Berichtes 
und die in demselben gestellten Anträge kein Einwand erhoben. (Die 
neue Bibliothek-Ordnung ist in diesem Heft abgedruckt.) 
Der Vorsitzende verliest darauf eine Mitteilung des Verbands 
vorstandes. betreffend die Frage der Aufnahme der Mitglieder anderer 
Vereine ohne Bezahlung von Aufnahmegeldern. 
Reg. Baumeister Pohlhammer hält darauf einen Vortrag 
über den Bau der neuen Nikolauskirche in Stuttgart an der Hand 
einer großen Anzahl Pläne, nachdem die Kirche selbst vor 8 Tagen 
unter seiner Führung vom Vereine eingehend besichtigt worden ist. 
Die Kirche ist in nordfranzösischem Uebergangsstyl erbaut, zeigt eine 
dreischiffige Basilika-Anlage und faßl 1500 Personen mit 850 
Sitzplätzen. 
Der Vorsitzende dankt dem Redner für seine interessanten Er 
läuterungen, sowie für die Führung durch die Kirche und betont da 
bei besonders, daß es dem Architekten gelungen sei, mit geringen 
Mitteln der Stadt eine neue Zierde zu schaffen. 
Der nun folgende Vortrag von Oberbaurat v. Euting bringt 
eine gedrängte Zusammenstellung alles dessen, was über römische 
Holzbauten in verschiedenen Mitteilungen zerstreut zu finden ist. Es 
wird besonders betont, daß die Frage, wie die römischen Holzbauten 
beschaffen waren, schwierig zu lösen sei, da man eigentlich auf die 
Abbildungen, welche man auf den Wandgemälden von Pompeji und 
auf Münzen finde, beschränkt sei, sowie auf die von Vitruv gegebenen 
Beschreibungen von Dächern. Als Beispiel von alten Holzkon 
struktionen führt der Redner das Dach der Kirche von San Stefano 
Rotondo in Rom an und die Donaubrücke Trojans bei Turn Severin 
vom Jahre 100 n. Chr. 
Durch zahlreiche Zeichnungen werden die interessanten Aus 
führungen des Redners veranschaulicht, welchem der Vorsitzende am 
Schlüsse den Dank des Vereins ausdrückt. 
Besichtigung der im Hau begriffenen Weckarbrncke 
zwischen Kirchheim und cheinrnrigheiui. 
Am 29. November 1896 nachmittags fuhr eine große Zahl 
Mitglieder des Vereins nach Besigheim, um die zwischen dieser Stadt 
und Lauffen im Bau befindliche neue Brücke zu besichtigen. Die 
selbe dient zur Verbindung der rechtsseitig gelegenen Orte und des 
Bottwarthals mit der Eisenbahnstation Kirchheim und den Orten 
des Zabergäus, welche Verbindung bisher nur durch eine Fähre be 
werkstelligt wurde, deren Benutzung bei höherem Wasserstande ge 
fährlich und bei Eisgang ganz unmöglich war. Die Brücke wird 
nach dem Entwurf des Präsidenten v. Leibbrand, unter der Leitung 
des Oberbaurats Schaal und der speziellen Leitung des Bauinspektors 
Reihling, welcher die Führung bei der Besichtigung in freundlichster 
Weise übernommen hatte, erstellt. 
Da in einer Tiefe von 5 m unter Niedrigwasser Muschelkalk 
felsen anstehen, und Kies und Sand in guter Beschaffenheit in der 
Nähe erhältlich sind, so wurde beschlossen, die Brücke in Beton her 
zustellen. Die Höhe derselben war durch die Schienenhöhe des Bahn 
hofes Kirchheim bestimmt; ihre Bogen mußten mit Rücksicht auf 
Hochwasser und Eisgang weite Sprengungen und die Pfeiler thunlichst 
scharfe Abmessungen erhalten; man entschied sich deshalb für 3 Fluß- 
und 1 Flutöffnung. Die Weite der 4 Stichbogen beträgt 38 m 
ihre Pfeilhöhe 5,5 m; die Gesamtlänge ist 180 m. In den Scheitel 
und den Kämpferfugen befinden sich gelenkartige Einlagen von Blei 
platten mit 15 bzw. 18 cm Breite und 2 cm Dicke. Die Breite 
der Fahrbahntafel beträgt 5,50 m (Fahrbahn 4 m, 2 Gehwege 
von 75 cm.) Die Berechnung der Brücke ist unter der Annahme 
einer Verkehrslast von 400 kg per qm gemacht. 
Die Ausführung des Baues wurde im Herbst 1895 begonnen; 
die Herstellung der Gerüste hatte unter der Ungunst der Wasserstände 
zu leiden, doch konnten die Gewölbe im August innerhalb 12 Tagen 
fertig gestellt werden, wobei immer in allen 4 Oeffnungen gleich 
zeitige Fortschritte gemacht wurden, wie auch zur Vermeidung eines 
einseitigen Schubes später die Gerüste gleichmäßig gesenkt wurden. 
Dabei senkte sich der Scheitel um 14 bis 17 mm und nach dem 
Aufmauern der Zwickel und der Herstellung der Fahrbahntafel trat 
noch eine weitere Senkung von 6 mm ein. Der Bau ist nahezu 
fertig und soll in diesem Frühjahr dem Verkehr übergeben werden. 
Die der Besichtigung anwohnenden Ingenieure konnten kon 
statieren, daß dieses neue, vom Präsidenten v. Leibbrand entworfene 
Bauwerk sich den früheren als eines der bedeutendsten würdig anreiht. 
Auf dem Wege nach Besigheim, wo bei vortrefflichem Wein 
der Verdienste des Präsidenten v. Leibbrand um die Fortschritte im 
Brückenbau gedacht und dem Bauinspektor Reihling für die liebens 
würdige Führung gedankt wurde, fand noch eine Besichtigung der in 
einer Kapelle der Kirche zu Gemmrigheim noch gut erhaltenen 
gothischen Gewölbemalereien statt, sowie in Besigheim die Besichtigung 
des Altars der Kirche, eines Meisterwerkes spätgothischer Holzschnitzkunst. 
Zweite ordentliche Mersainmkung am 19. Dezember 1896. 
Vorsitzender: Mayer. Schriftführer: Neusfer. 
Anwesend 58 Mitglieder. 
Der Vorsitzende teilt der Versammlung mit, daß Professor Zemann 
als ordentliches Mitglied und die im Protokoll der Versammlung 
vom 28. November aufgeführten Studierenden der technischen Hoch 
schule als außerordentliche Mitglieder in den Verein aufgenommen 
worden sind; ferner daß zur Aufnahme angemeldet sind als ordent 
liches Mitglied Reg.-Baumeister Link, und als außerordentliche Mit 
glieder die Studierenden der technischen Hochschule M. Ruilberg, 
G. Reuter, A. Burr, P. Mundt und P. Ziegler. 
Der Versammlung wird darauf mitgeteilt, daß der Bierbrauerei 
besitzer Leicht in Vaihingen a. F. sich bereit erklärt hat, seine Brauerei 
durch den Verein besichtigen zu lassen. Als Zeit für den Ausflug 
dahin wird die Mitte des Februars in Aussicht genommen. 
Vom Verbands-Vorstand ist eine Zuschrift, betreffend die Bei 
träge für die Entwicklungsgeschichte des deutschen Bauernhauses ein 
gelaufen, in welcher um möglichst beschleunigte Fortsetzung der 
Arbeiten der Einzelvereine ersucht wird. Diese Zuschrift soll der
	        

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