Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1893-97)

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2 Grundierungsanstrichen mit Bleimenninge. Um bezüglich der Ma- j Regie bezogen und nach Bedarf an die äußeren Stellen abgegeben, 
terialien zu den grauen Deckanstrichen möglichste Gewähr für gute ! Bei Bahnüberfahrtsbrücken, deren Eisenwerk häufig mit den Lokomotiv- 
Beschaffenheit zu erhalten, wird zur Zeit der Jahresbedarf an Blei- ! gasen in Berührung kommt, hat sich sorgfältige Unterhaltung als be- 
weiß, Leinölfirnis und Graphit von der Eisenbahnverwaltnng in sonders notwendig erwiesen. 
Die bauliche Entwicklung der Stadt Eßlingen. 
Bortrag von Stadtbauinspektor Keppler, gehakten am 6. März 1897. 
Verehrte Herren! Jedem von Ihnen ist die freundliche Stadt 
Eßlingen im Neckarthale, vermöge deren Nähe zur Residenz und 
ihrer mancherlei Anziehungspunkte aus eigener Aitschaunng bekannt, 
und jedem sind angenehme Stunden in Erinnerung, die er dort in 
fröhlichem Kreise und bei einem guten Glase Neckarhalder verbracht hat. 
In dieser Hinsicht ist es eine dankbare Aufgabe, die Sehens 
würdigkeiten unserer Stadt zu schildern, wobei ich die Ihnen wohl 
bekannten Altertümer aus der Freien Reichsstadtzeit nur, soweit sie 
für die neuen Bauwesen in Betracht kommen, streifen will, und mich, 
darauf beschränke, an der Hand einer bis jetzt im Buchhandel nicht 
erschienenen Karte der Reichsstadt ans dem vorigen Jahrhundert 
einen kurzen Rundgang durch die alten Stadtteile zu besprechen. 
Doch habe ich mir erlaubt, aus der Bibliothek des Stadtbauamts 
die bezüglichen Blätter mitzubringen, um die bildnerische Darstellung 
von Eßlingen zu vervollständigen. 
Hier ist das Zentrum der Altstadt mit ihren engen winkligen 
Gassen, den vielen heute noch erhaltenen stattlichen Holzgiebeln 
(leider zum großen Teil verputzt), die uralte St. Dionysius-Kirche 
mit den romanischen Turmanfängen und den zopfigen Einbauten, 
sowie das städtische Archiv mit einer ebenfalls uralten Unterkapelle. 
Auf dem jetzigen großen freien Spitalplatze stand noch vor 
50 Jahren das reich ausgestattete Spital zu St. Katharina. Im 
Westen schauen wir die Paulskirche, aus der frühgothischen Periode 
stammend, lange Zeit ihrem kirchlichen Charakter entfremdet, daun 
in den 60er Jahren stilgemäß renoviert und dem katholischen Gottes 
dienst zurückgegeben. 
Ich habe mir erlaubt, einige im Besitz der städtischen Bau 
verwaltung befindliche Entwürfe einer in den 40er Jahren geplanten 
Renovation mitzubringen, woraus die Herren Kollegen des Architekten 
faches mit Interesse ersehen werden, wie ernstlich die Gefahr vorlag, 
daß der reinen Architektur des schönen Gotteshauses Zwang angethan 
worden wäre. 
Gegen Norden reiht sich hier an die weit über die Grenze 
unseres engeren Vaterlandes berühmte Schöpfung der genialen 
Meister Ensinger und Beblinger, worüber ich in Anbetracht 
viel berufenerer Schilderer kurz hinweggehe. 
Wenn ich als östliche Begrenzung das neue Rathaus von 1746 
und das alte Rathaus von 1430 mit dem Schikhardt'schen Giebel 
von 1587 bemerke, auf welche Bauten ich nachher noch zu sprechen 
komme, so werden Sie mit mir darin einig sein, daß eine schönere 
altertümliche Umgebung eines großen freien Platzes nicht leicht ge 
sunden werden kann. 
Am Tage stört die moderne Benützungsweise der hochgiebeligen 
Häuser den romantischen Eindruck, bei Mondschein aber ist der An 
blick von bezaubernder Wirkung. 
Hoch oben ragt die Burg, das Bollwerk der mittelalterlichen 
Stadt, das anheimelnde Bild krönend und schirmend zugleich. 
Von der untern Bcutau, dem gelobten Lano der Maler, wo zur Zeit 
trotz aller sanitären Maßregeln noch die Idylle des murmelnden Baches 
mit Enten und Gänsen nicht ganz ausgestorben ist, erblickt man in 
luftiger Höhe an der Ringmauer des Bergfrieds klebend das reizende 
Wachhaus (von Professor Dollinger seinen Reiseskizzen einverleibt), 
und hinter ihm den massigen runden Turm, welchem unser lieber 
Kollege Schiller vor einigen Jahren eine neue Haube aufgesetzt hat. 
Gehen wir weiter gegen das Schelzthor zu, so stehen von den 
dortigen Befestigungswerken heute keine mehr, nur das liebliche 
St. Agues-Brückchen erfreut sich eines bescheidenen Daseins neben 
seinem breiten und anspruchsvollen Kameraden, der neuen St. Agnes- 
Brücke. 
Dagegen steht noch in ungebrochener Trutzigkeit der biedere 
Schelzthor-Turm — trotzdem er wiederholt im Laufe der Zeiten 
Auffüllungen zu seinen Füßen erfahren mußte, heute noch eine 
respektable Erscheinung — die auch, wie ich hoffe, nicht darunter 
gelitten hat, daß er neuerdings auf allerlei Weise in den Dienst der 
modernen Anforderungen gestellt worden ist. 
Er dient nämlich gegenwärtig als ein Hauptknotenpunkt der 
Elektrizitäts- und Telefouleitungen; in seinem wehrhaften Innern 
sind 3 friedliche Wohnungen und ein Laden eingebaut; nebenan be 
findet sich eine städtische Bodenwage und endlich noch — eine öffent 
liche Bedürfnisanstalt! 
Wir setzen unsern Weg fort und kommen durch /das Bliensau- 
Thor auf die über 200 m lange steinerne Neckarbrücke, welche, auf 
10 gewaltigen Flußpfeileru ruhend, Ende des 13. Jahrhunderts 
von „Ablaßgeld" gebaut worden ist. 
Ehemals war sie mit mehreren Türmen und einer Kapelle ge 
schmückt. Dieselben sind bis auf den rechtsseitigen Thorturm längst 
abgebrochen, aber gleichwohl blieb sie architektonisch und landschaftlich 
ein hervorragendes Bauwesen. 
Jenseits, wo jetzt eine neue Stadt sich ausdehnt, war noch vor 
einigen Jahrzehnten Ackerland, Garten und Feld, und am Zollberg 
stand in Reichsstadtszeiten das Eßlinger Mauthaus. Vor diesem 
Thore der Stadt, fand im Städtekrieg l 449 das für Eßlingen un 
glückliche Treffen im Mutzenreis gegen Ulrich den Vielgeliebten von 
Württemberg statt, von welcher Niederlage die Stadt sich nie ganz 
erholte, und bald mehr und mehr in beengende Abhängigkeit von 
dem aufstrebenden Nachbarn Württemberg geriet. 
Gehen wir nun über den 189 l neu erbauten Alicen-Steg zurück, 
so kommen wir zu dem in den Jahren 1824—26 unter dem Staats- 
Ingenieur Duttenhofer erbauten Wasserhause, d. h. einer Wehr 
anlage nebst Einlaßfallen für die Werkskanäle der Stadt. (Nach 
dem Plane von 1750 bestand daselbst eine sog. Sperre.) 
Bei dem Hochwasser von 1824 waren nämlich die mittelalter 
lichen Schutzdämme an der Ostseite der Stadt durchbrochen worden, 
und es fand nach einer heute noch erhaltenen Registrierung (in 
Mannshöhe) am Schelzthor-Turm eine Ueberschwemmung der Bau- 
guartiere statt, von deren Wirkung wir uns jetzt kaum mehr eine 
Vorstellung machen können. 
Wir befinden uns nunmehr in der sog. Oberthor-Vorstadt, 
einem seiner Entstehung nach weniger bevorzugten Stadtteil mit meist 
niedrigen Häusern. 
Von Interesse ist der noch erhaltene mittelalterliche Spitalbau 
mit alten Holzgiebeln. 
Die letzten Reste der Stadtmauer daselbst, welche in Abständen 
von ca. 50 m mit Türmen bewehrt war und gegen Osten ein 
starkes Vorwerk besaß, wird z. Zt. abgetragen, nachdem zuvor Auf 
nahmen des letzten Turms gemacht und dem Archiv einverleibt 
worden sind. 
Die Hauptsache des Abreißens hat 1688 Melac besorgt. 
Das Oberthor mit den bekannten hohenstaufischen Löwen — 
in Wirklichkeit wohl Wölfe, weil dem Steinmetzen ein Original-Löwe 
wohl nie zu Gesicht gekommen sein mag — bringt uns wieder in 
die innere Stadt. 
Es sind dort eine Menge für den Architekten und namentlich 
für den Altertümler höchst interessante Bauten, u. a. die leider einer 
materiellen Zeitströmung teilweise zum Opfer gefallene „Hintere 
Kirche". Speciell seien noch bemerkt die Heppächer-Gasse, Landolin- 
Gassc (mit dem renovierten Renaissance-Hause des Architekten und 
Stadtrats Zillinger), die Weber-Gasse u. a.
	        

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