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Heizung geschieht mit Niederdruck-Dampfheizung von E. Möhrlin-
Stuttgart. Mit Rücksicht auf die in diesen Lokalen gehaltene obli
gatorische Fortbildungsschule ist eine elektrische Beleuchtung mit Bogen
lampen unter Anwendung des Systems der Deckenreflexion eingerichtet.
Im Souterrain befindet sich eine Badeanstalt mit Gasheizung,
System Geiger-Karlsruhe. Der Bau kostete ohne den der Stadt
gehörigen Bauplatz 170000 ^. oder bei 10000 cbm Inhalt pro
cbm ohne innere Einrichtung 14 Ji, mit Einrichtung 17 Ji.
Bemerkenswert ist ferner, daß durch die Freigebigkeit der Eß-
linger Verlagsanstalt, I. F. Schreiber, das Schnlhaus mit einer
mustergiltigen Lehrmittelsammlung ausgestattet wnrve, deren große
bildliche Darstellungen z. B. auch zur Dekoration der Korridorwände
benützt werden konnten.
Ein zweites Schulgebäude der neuesten Zeit erlaube ich mir
ebenfalls in Photographie vorzuführen, die staatliche Präparanden-
Anstalt an der Beblinger Straße, von unserem leider so früh ver
storbenen Kollegen Le übe begonnen, fortgeführt und beendigt durch
die Herren Oberbaurat Berner und Baurat Beeger.
Unter dem Kapitel „Gesundheitspflege" ist zu rubrizieren:
Die Vergrößerung des städtischen Krankenhauses durch einen
Barackenbau, in dem erstmals in Eßlingen die Gasheizung und zwar
mittelst Warsteiner sog. Schulöfen, zur Anwendung gekommen ist,
und seitdem zu großer Zufriedenheit der Verwaltung funktioniert.
Ferner ein Desinfektionshaus mit Apparat von Rietschel und
Henneberg, Geschenk von Kommerzienrat Merkel. Das Gebäude
enthält ein Lokal zur Annahme der zu desinfizierenden Wäsche,
Betten rc., den Apparatraum, auf der einen Seite zum Einlegen der
infizierten, auf der andern Seite, getrennt durch eine massive Scheide
wand, zum Herausnehmen der desinfizierten Stücke, sodann einen Raum
zur Abgabe der desinfizierten Stücke, und endlich ein Badezimmer,
welch letzteres der Wärter stets zu passieren hat, um von der einen
Abteilung in die andere zu gelangen.
Unter die sanitären Einrichtungen begreife ich ferner den General
dohlenplan für die Stadt Eßlingen, welcher von Professor Or. Lueger
gegenwärtig ausgearbeitet wird und dessen erste Partie jetzt in Aus
führung begriffen ist.
In Ermangelung des Planes selbst, der leider noch nicht ganz
fertig ist, habe ich wenigstens den seinerzeitigen Entwurf und das Begleit
schreiben mitgebracht, sowie eine Skizze über die Art wie die Cement-
röhrendohlen von 80 und 100 cm Durchmesser auf ihrer Sohle gegen
Einwirkung von Säuren mittelst Steingutschaalen geschützt werden
sollen.
Auch auf dem Gebiete der Wasserversorgung stehen uns große
Veränderungen bevor.
Das erst 1879 erbaute Pumpwerk mit Filtergallerie soll der
künftigen Lokomotivwerkstätte der Kgl. Eisenbahnverwaltung Platz
machen und wird vergrößert weiter oberhalb neu erstehen, während
die Filtergallerie auf die linke Neckarseite verlegt wird, woselbst die
ganze Thalfläche Eigentum der Stadt und eine Gefahr der Verseuch
ung durch künftige Bauquartiere ausgeschlossen ist.
Zur Vervollständigung erwähne ich noch, daß die Stadt im
vorigen Jahr am Wasserhause mit einem Aufwand von 15 000 ^
ein Schwimmbad auf Pontons angelegt hat, und daß auf dem gegen
über liegenden linken Ufer des Neckars seil 3 Jahren eine Eisbahn
für den Schlittschuhlauf besteht.
Diese Eisbahn hat eine Fläche von 5000 qm und ist etwas
vertieft angelegt, sodaß zum erstmaligen Füllen durch eine Schütze
Neckarwasser eingelassen werden kann. Zur nachherigen Berieselung
der Bahn ist außerdem an die städtische Hochdruckleitung angeschlossen.
Die Ausführung kostete rund 10000 Ji, welche durch private Samm
lung aufgebracht worden sind.
Im Beleuchtnngswesen, darf ich mit Stolz sagen, waren wir
Stuttgart lange Zeit über, indem durch die Maschinenfabrik Eßlingen
schon im Jahr 1893 ein Elektrizitätswerk erbaut worden ist. Das
selbe wird mit Dampf betrieben. Akkumlatoren dienen zur Aus
gleichung der Stromabgabe bei Nacht und an Sonn- und Festtagen.
Der Stand am 1. April 1896 war 4507 Glühlampen, 46 Bogen
lampen und 63 Motoren mit zus. 208 Pferdekräften.
Die Stadt hat ihre öffentlichen Gebäude, Schulen u. s. w. an
geschlossen, zur Straßenbeleuchtung aber nur ausnahmsweise auf
freien Plätzen Bogenlampen verwendet und im übrigen ihre Gas
laternen beibehalten, ein System, das sich jetzt bei Einführung des
Gasglühlichtes recht gut bewährt hat.
Eine wesentliche und dankenswerte Thätigkeit entfaltet das
Elektrizitätswerk namentlich auf dem Gebiet der Kraftlieferung für
das Kleingewerbe.
Hier hat dasselbe unserer Gasanstalt erheblich Abbruch gethan,
wenn auch der Ausfall von etwa 100000 cbm inzwischen wieder
eingeholt ist.
Auch Verbesserungen im Eßlinger Gaswerk, an welchem die
Stadtgemeinde Mitteilhaberin ist, dürfen nicht unerwähnt bleiben.
Für Fachleute wird es von Interesse sein, zu hören, daß Herr
Gasinspektor Ko h l e r gegenwärtig eine Garnitur Retortenöfen neuesten
Systems Coze mit schräg liegenden Retorten und Unterfeuerung nach
' Hasse-Didier, sowie eine maschinelle Kohlenförderung hierzu ein
richten läßt. Die Jahresproduktion ist z. Zt. 1 200 000 cbm.
Die Gaspreise sind für Beleuchtung 17 Pfg., für Heizung und
technische Nutzung 12 Pfg. pro cbm, wobei eine städtische Steuer
; von 2 Pfg. pro cbm eingerechnet ist.
Bei dem bemerkten billigen Ansatz für Nutzgas hat die Ver
wendung zum Kochen ganz erheblich: Fortschritte gemacht.
Die städtischen öffentlichen Gebäude betreffend, sind unser altes
und neues Rathaus schon früher als architektonische Sehenswürdig
keiten hervorgehoben worden.
Ich erlaube mir, noch darauf hinzuweisen, daß neuerdings durch
Herrn Oberbaurat D o llinger im Auftrag eines Eßlinger Bürgers
Aquarell-Skizzen für eine stilgerechte Renovation des alten Rathauses
ausgeführt wurden, welche Sie bei Ihrem Besuch im Eßlinger Rat
hause besichtigen werden.
Eine von Herrn Dollinger zu gleichem Zwecke gefertigte
Federzeichnung des nördlichen Gebiets liegt Ihnen hier zur Ansicht
vor. Bei dieser Gelegenheit will ich unsern Herrn Architekten die
j Bestätigung ihrer schon wiederholt ausgesprochenen Vermutung nicht
vorenthalten, daß nämlich dieser Nordgiebel thatsächlich von dem
- herzogt, württ. Baumeister Schikhardt herrührt. Nach der Ihnen
mitgebrachten im Eßlinger Rats-Archiv ausgehobenen Abrechnung
über den Vorbau des Steuerhauses (wie der Bau damals hieß) dat.
1587 wurde dem Baumeister Heinrich Schikhardt in Herrenberg
für Visierung, Beratschlagung und Abmessung des Bauwerks eine
„Verehrung" von 174 fl. 48 kr. bezahlt.
Da wir nun doch wieder auf das archäologische Gebiet ge-
j kommen sind, so werden Sie mir Dank wissen, wenn ich einige ver
gilbte Handzeichnungen des Baumeisters Schikhardt beifüge, einen
Umbau des Kanzleigebäudes, des jetzigen Archivs betreffend (vom Steuer-
| Hausbau war leider bisher nichts aufzufinden). Schlichte Blätter,
dat. 1610, also knapp vor dem Ausbruch des unseligen Kriegs, in
welchem der greise Baumeister Schikhardt sein Leben rühmlos ver
lor. Anno 1610 stand er wohl auf der Höhe seines Ansehens am
herzoglichen Hofe, denn der ehrsame Rat von Eßlingen hat ihm
seine, wie er selbst schreibt, „gar geringe Bemühung" mit 15 Dukaten
gelohnt, eine für die damalige Zeit ganz respektable Remuneration.
Der Bau kam übrigens nicht nach diesen Plänen zur Ausführung.
Hoffentlich ist die Zeit nicht mehr fern, daß das ehrwürdige, alte
Rathaus wieder eine Zierde für Eßlingen bedeutet.
Infolge seiner gegenwärtigen Benützung zu Schulzwecken ist
leider viel an seiner inneren und äußeren Struktur gesündigt worden.
Das neue Rathaus bedarf äußerlich ebenfalls in Bälde der
bessernden Hand, dagegen ist im Innern der große Ratssaal, welcher
unter den früheren Besitzern — der Freiherrlich Palm'schen Familie
und später dem Grafen Alexander von Württemberg — manch fröhlichen
Reigen gesehen haben mag, vor einigen Jahren im Stile des
vorigen Jahrhunderts restauriert worden. In seinem neuen Sch mucke
diente er erstmals beim Empfange des Königspaares 1894, von
welchem Anlaß die Ihnen vorgeführten photographischen Aufnahmen
des dekorierten Rathauses und der Ehrenpforte in der Bliensau-
Straße stammen. (Schluß folgt.)
Äerausgegeben vom Württemb. Verein kür Daukunde. Für denselben: Oberbanrat Dr. v Drockmaun. — Druck von Ä-lfred Müller ofc Oo. — Verlag von L. We ise^s
Dofbuchtsandlung, sämtlich in Stuttgart.