Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1893-97)

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je nachdem sich der Beobachter in nördlichen oder südlichen Breiten 
befindet, zu nehmen sind. — 
Breitenbestimmungen durch Beobachtungen aus Durchgängen an 
Passage-Instrumenten, welche eine absolut feste Aufstellung bean 
spruchen, übergehe ich hier, da diese auf Reisen nicht gut ausführbar 
sind, weil zu zeitraubend. — Gegenüber den Breitenbestimmungen 
handelt es sich bei den Längenbestimmungen (geograph. Längen 
bestimmungen) den Zeitunterschied zweier Orte zu ermitteln, was 
auf verschiedene Arten möglich ist: 
1) die einfachste Art, die darin besteht, durch Chronometer 
oder sonst absolut genau gehende Uhren die Zeit zu übertragen, 
2) durch künstliche Signale, die an verschiedenen Punkten 
gleichzeitig gegeben werden, wie z. B. durch explodierende Körper 
(Feuersignale) oder vermittelst Heliotropen, 
3) durch elektrische Signale, 
4) durch Beobachtung von Mondfinsternissen oder Verfinsterungen 
von Jupiter-Trabanten. 
Am ausgiebigsten werden jedoch die Mondbeobachtungen hiezu 
angewandt. 
Die verhältnismäßig kurze Entfernung des Mondes von der 
Erde, wobei die geozentrische Reduktion vorausgesetzt ist, ergiebt eine 
schnelle Eigenbewegung zu einem anderen Gestirn, wodurch sich ein 
Winkel bildet, mit Hilfe dessen man Schlüsse ziehen kann. 
Die Stellung der Sterne zu bestimmten Zeiten des Tages und 
des Jahres ist in den Ephemeriden genau angegeben; kennt man 
daher die Zeit, zu welcher die Berührung, Eintritt und Austritt z B. 
bei Sonnenfinsternissen, oder Bedeckungen, wie z. B. beim Venus 
durchgang, oder Monddistanzen von bestimmten Sternen stattfindet, 
beobachtet an anderem Ort von neuem die Distanzen, so ergiebt die 
Differenz der beobachteten Ortszeit mit der voraus berechneten Green 
wicher Zeit die Länge auf Bezug von Greenwich an. — Die Be 
obachtungen der Bedeckung des Jupiter durch seine Trabanten 
bedürfen bereits der Anwendung starker Fernrohre, welche auch nur 
auf dem Lande bei sicherer Aufstellung verwendbar sind. — Auf 
dem Schiffe wird man ein großes Gesichtsfeld des Fernrohres bei 
mäßiger Vergrößerung vorziehen und ein Objekt wählen, welches 
leicht aufzufinden und bei welchem vermöge seines größeren Durch 
messers die unvermeidlichen Schwankungen nicht so störend wirken; 
somit wird stets der Mond gewählt werden. 
In den Ephemeriden sind die Sonnenfinsternisse und Stern 
bedeckungen schon vorausberechnet verzeichnet und zugleich die Grenzen 
angegeben, innerhalb welcher solche total, partiell oder garnicht mehr 
sichtbar sind. — Diese Anhaltspunkte würden von Natur aus die 
zuverlässigsten sein, doch durch deren verhältnismäßig seltenes Er 
scheinen spielen dieselben nur zeitweise eine Rolle; wenn diese fehlen, 
muß für die täglichen Beobachtungen die umständlichere Methode, 
wie schon erwähnt, gewählt werden. — Es finden sich durch Rechnung, 
daß von Sternen 1—4ter Größe jährlich im Mittel 6, selten mehr 
als 9, — für Sterne 1 —5te Größe jährlich im Mittel 20, selten 
mehr als 27 Sternbedeckungen eintreten. 
Dadurch, daß der Mond, abgesehen von bedecktem Himmel, nur 
zur Zeit des Neumondes unsichtbar ist, erwächst ihm seine große 
Bedeutung für Längenbestimmungen. Die Beobachtungen selbst sind 
am günstigsten, wenn die scheinbare Bewegung am stärksten ist, 
variabel wird dieselbe dadurch, daß durch die elliptische Mondbahn 
und andere Nebenumstände die täglichen Aenderungen 8—16° betragen. 
Wie schon zu Anfang vermerkt, bietet die Sonne bei Anstellung 
geographischer Ortsbestimmungen nicht die Bequemlichkeit, wie dies 
die Fixsterne uns bieten, was darin seinen triftigen Grund hat, daß 
die scheinbare Bahn der Sonne zur Erde, die „Ekliptik", zum Aequator 
geneigt ist, somit konstant wachsende oder abnehmende Veränderungen 
eintreten, die zwar durch Rechnung genau festgestellt werden können, 
jedoch die Rechnungen umfangreicher gestalten. 
Bei den ausführlichen Berechnungen ist unter anderen auch das 
zu berücksichtigen, daß, obgleich der Erdhalbmesser im Vergleich zu 
der Entfernung von den zu beobachtenden Fixsternen verschwindend 
klein ist, doch nicht übersehen werden darf, eine Reduktion auf den 
wahren Horizont eintreten zu lassen. 
Wir vermögen uns an jedem Beobachtungspunkt der Erde eine 
Berührungsebene durch denselben an das Erdellipsol'd zu denken, und 
von diesem scheinbaren Horizont aus unsere Messungen, Höhenwinkel zu 
bestimmen, korrekter ist es dagegen, stets von demjenigen Horizont 
auszugehen, welcher in der Astronomie der wahre (geozentrische 
Horizont) benannt wird. 
Dieser, wie die Bezeichnung schon angiebt, ist durch den Erd- 
mittelp unkt gedacht. 
Nur noch einige Begriffe einschaltend, sei unter anderem die An 
nahme und Begründung der Zeitrechnung erwähnt, die durch die Drehung 
des Himmels von Ost nach West, oder richtiger durch die einmalige 
Umdrehung der Erde um sich selbst entsteht, welches Zeitinterwall wir 
mit Sterntag, abweichend von dem gewöhnlichen Sonnentag, benennen. 
Letzterer ist das Zeitinterwall welches zwischen zwei Kulminationen 
durch den Ortsmeridian liegt. 
Um den Ausgangspunkt unserer Beobachtungen festzulegen, 
muß ein künstlicher Meridian gedacht, resp. angenommen werden, 
den wir uns dadurch veranschaulichen, daß wir von einem festen 
Standpunkt aus und zwar, wenn ein solcher nicht von Natur aus vor 
handen, von einem erst künstlich hergestellten mit einem hierzu geeigneten 
Instrument, z. B. einem transportablen Passage-Instrument, in Er 
mangelung eines solchen, mit einem durchschlagbaren Theodolith- 
Fernrohr diesen Meridian ausführen. Neigen wir nun dies Fernrohr 
und denken wir uns ferner in demselben die Verbindungslinie des Faden 
kreuzmittelpunkts mit dem Objektivmittelpunkt, die sogen. Kollimations- 
axe des Instruments, ins Unendliche in gerader Richtung verlängert, so 
beschreibt diese ideell gedachte Linie bei der Auf- oder Abwärts 
bewegung des Fernrohrs summarisch zusammengesetzt eine Fläche, 
eine Scheidewand, wenn wir so annehmen wollen, deren eine 
Begrenzung im Zenith, die andere im Horizont und der dritte Punkt 
im Jnstrumenten-Mittelpunkt liegt; und zwar von einer seitlichen 
räumlichen Ausdehnung in der Stärke eines feinsten Spinnenfadeus. 
Diese Annahme erleichtert den Begriff, daß in dieser Richtung 
die Entfernung eines Gestirns kaum eine Rolle spielt und nur 
der jeweilige Uebergang aus dem Eintritt zum Austritt aus dem 
Meridian maßgebend ist. Somit fallen, sobald der Stern durch den 
vom Beobachter festgelegten Meridian geht, der Deklinationskreis und 
der Ortsmeridian zusammen, der Winkel, den beide bilden, wird — 0. 
Schon in der nächsten Sekunde tritt eine Veränderung ein, die von 
Sekunde zu Sekunde wächst und schließlich den vollen Umkreis aller 
Stundenwinkel durchläuft, bis nach Verlauf eines Sterutages die 
Kulmination von neuem eintritt. 
Es ergiebt sich hierdurch die wichtige Gleichung, daß die Stern 
zeit sich aus der Summe des Stundenwinkels und der Rektascension 
bildet. — Sternzeit — Stundenwinkel -j- Rektascension. 
Von weiteren Gleichungen an dieser Stelle absehend, ist es 
jedoch von allgemeinen! Interesse, auf dasjenige Material hinzuweisen, 
welches in Anwendung hierbei gelangt, und einige Definitionen zu 
erörtern, die, wenn auch nur in Kürze, doch ein ungefähres Bild 
der Anstellung dieser Beobachtungen ermöglichen. 
Als weitere Folgerung aus oben Gesagtem ergiebt sich, daß der 
Längenunterschied zweier Orte auf unserer Wanderung, in welcher 
wir je 1 Meridian bestimmt und die Kulmination des gleichen Sternes 
beobachtet haben — der Differenz ihrer Sternzeiten oder — der 
Differenz des Stundenwinkels irgend eines Himmelspunktes ist. 
Das Maß der Zeiten und der geographischen Längen wird 
verschieden angenommen, kommt je nach dem jeweiligen Zweck in 
Anwendung. — 
Entweder wird eine volle Umdrehung, Culmination zu 24 
Stunden — 1440' — 86400" oder in Winkelmaß ausgedrückt, zu 
360° — 2160' = 129600" oder auch: 
l h — 15°; 1™ = 15' und l aec — 15". 
Zur Verwendung dieser Größen dienen besondere Tabellen, die 
in einigen der aufgelegten Werke im Anhang zu finden sind. 
(Schluß folgt.) 
itiernnegegeben vom Würltemd. verein iür Sanknnde. Für dcnselden: Mverbnnrat vr. v. Ära ck-nnn ». — flcatfe von Alfred Malier * ®o. — 0er!»o» L. lve ise's 
chofbuchlinndinng, sämtlich in Ltattgarl.
	        

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