Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1893-97)

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unter teilweiser Hinweisung auf deren schwierige technische Herstellung 
lasse ich zunächst der Benennung nach die wichtigsten Instrumente 
folgen, die sowohl zu nautischen als auch zu Messungen auf dem 
Lande in Bezug auf Ortsbestimmung in Betracht kommen. 
Diese würden sein: transportable Passage-Instrumente, Theodo- 
lithe, Sextanten, Bussolen mit und ohne Diopter, Kompaß, Chrono 
meter, Aneroid- und Quecksilberbarometcr, künstliche (Quecksilber-) 
Horizonte, Schrittzähler, Transporteure (Prosaktor). 
Je nach dem Umfang und nach dem beanspruchten Genauigkeits 
grad, mit welchem auf Forschungsreisen operiert werden soll, entscheidet 
sich auch die Art der zur Ausrüstung dienenden Instrumente. 
Es lassen sich deshalb die Expeditionen in verschiedene Rubriken 
teilen, nämlich 
1) können es lediglich solche sein, welche speziell der Erschließung 
eines Landes dienen, um deren Naturprodukte zu erforschen, rein 
komerzieller Art, wobei es sich nur um vorübergehende Ortbestimmungen 
handelt, die lediglich der Orientierung dienen, daher auch geringere 
Genauigkeit der Beobachtung selbst und deren Ausgleichungen bean 
spruchen, sodann 
2) solche, welche lediglich top o graphis ch - geopraphischen 
Aufnahmen dienen. 
Letztere unterscheiden sich auch noch unter sich, bezüglich der 
Genauigkeitsgrenzen, die gezogen werden. — Diesen letzten Arten 
der Messungen verdanken wir die Karten und Pläne, welche wir 
gleich denen unseres Kontinents über die fernen Erdteile besitzen, aus 
welchen wir die Bergformationen, Flußläufe und bestehende Heerstraßen 
deutlich erkennen können und die bei genügend erforschten Terrain 
verhältnissen uns die Möglichkeit bieten, Verkürzungen der Karawanen- 
straßen eintreten zu lassen. 
Die streng wissenschaftlichen Messungen, welchen Triangu 
lationen!. Ordnung und diesen vorausgehend genaueste Basis-Messungen 
zu Grunde liegen (Triangulationen II. III. IV. Ordnung), finden wir 
seltener, da diese große Kosten in Bezug aus grobe Zeitdauer, um 
fangreiches Personal und die Anschaffung von sehr kostspieligen 
Instrumenten bedingen und nur dann stattfinden, wenn ein Gebiet 
ernsthaft der Kultur erschlossen werden soll, um von diesen Fix- 
punklen aus für Bahnbau, Flußkorrektionen, Landesabgrenzungeu 
Anhaltspunkte !!., III. und IV. Ordnung zu finden. 
Letztere außer Acht lassend und sich den generellen topographischen 
Aufnahmen zuwendend, kommt es neben der genauen Wiedergabe 
des Terrains auch darauf an, die durchgereisten Länderstrecken möglichst 
schnell aufzunehmen, wodurch auch die Anwendung leichter trans 
portabler Instrumente ivünschenswert wird. 
Durch die erschwerenden Verhältnisse sind auch diese Vermessungen 
anderen Charakters als z. B. bei uns in Deutschland, woselbst die 
Arbeiten in kleinerem Umfang, jeweils von festen Wohnsitzen aus, 
unternommen werden. 
Die Aufnahmen in unerforschten Ländern, d. h. die Bestimmungen 
der Entfernungen, werden häufig nur approximativ angenommen, 
indem diese nicht aus wirklichen Längenmessungen, sondern aus 
Reise-Zeiten abgeleitet werden; dies geschieht entweder durch Taschen 
uhr-ähnliche Kontrollapparate, welche der betreffende Reisende sich an 
hängt und die bei jedem Schritt, bei welchem auch der Oberkörper ein 
Bewegung macht, durch pendelartigen Mechanismus jedesmal einen 
Zahn vorspringen lassen; natürlich muß bei dieser Methode, die wohl 
am besten zu einem genauem Resultat führt, wenn diese Pedometer gleich 
zeitig von mehreren Personen verwendet werden, aus der Schritt 
zahl-Angabe und der persönlichen mittleren Schrittgröße wiederum 
das arithmetische Mittel entnommen werden. 
Werden sehr ausgedehnte Durchwanderungen durch ganz oder 
nahezu ebenes Terrain angestellt, so wird unter Umständen diese 
Methode verlassen und nur aus der Stundenzahl der Märsche ein 
Resultat herausgerechnct. 
Wie ich einer kleinen Reise des Prof. Jordan, welche dieser 
im Jahre 1874 in der lybischen Wüste anstellte, entnommen, wurden 
dortselbst ganze Aufnahmen von Ortschaften mit Waldungen x. auf 
diese Weise vorgenommen, wobei außer dem Abschreiten der Be 
grenzungslinie mit einem Stockkompaß, häufig auch nur mit einem 
Taschenkompaß die Richiungsunterschiede gegen Nord gepeilt wurden. — 
Diese Art von Aufnahmen mit wissenschaftlicher Bezeichnung „JUnerar- 
Aufnahmen", die einer Kursbestimmung auf See ähneln, lassen sich 
überraschend schnell ausführen, wenn Uebung vorhanden. 
Untrüglich sind nun die Kompaßmessungen durchaus nicht, es 
spielen da manche Umstände, sowohl zur See, als auch aus dem 
Lande mit, die als konstante Fehlerquellen oder periodische Abweichungen 
angesehen werden können. — Auf See sind als konstante störende 
Faktoren die vielfachen Eisen- und gar Stahlteile, die dem Schiffs 
körper anhaften, anzusehen, neben der Mißweisung der Magnet 
nadel; letztere ist ebenso auch auf dem Lande vorhanden. 
Diese Mißweisung der Magnetnadel ist eine eigentümliche Er» 
scheinung, die des Interesses wegen an dieser Stelle einer kurzen 
Erwähnung wert ist. 
Von verschiedenen Männern der Wissenschaft sind über diesen 
Punkt umfassende Untersuchungen angestellt, auch diesbezügliche Karten 
angelegt worden. 
Die ältesten diesbezüglichen Untersuchungen wurden von Alex, 
v. Humboldt, ausführlich jedoch erst vor ca. 30 Jahren durch 
Lamont angestellt, der ein umfangreiches Material sammelte, welches 
lange Zeit hindurch auf diesem Gebiet als einzige Richtschnur diente. 
Neuerdings (1885) wurden in Württemberg wieder diese inter 
essanten Messungen durch Prof. Hammer aufgenommen und gelangten 
in einer längeren Abhandlung, mit vielen graphischen Aufzeichnungen 
versehen, in den Buchhandel. 
Die eigentümlichen Erscheinungen, die diesen Arbeiten zu Grunde 
liegen, bestehen darin, daß die Magnetnadel am gleichen Ort zu 
verschiedenen Zeiten des Tages sowohl, als auch zu verschiedenen Zeiten 
des Jahres ihre Richtung verändert, d. h. daß sich der magnetische 
Meridian verändert; eingehender diese Messungen zu verfolgen, muß 
ich gleich manchen anderen Punkten am heutigen Abend aufgeben, 
um dem allgemeinen Gesichtspunkte mich wieder zuzuwenden. 
Um kurz zu rekapitulieren: Die geographische Lage eines Ortes 
ist bestimmt durch seine Länge und Breite. 
Erstere zählt man ostwärts vom ersten Meridian bis zu 360° 
im Kreise herum, doch ist auch die Zählung nach Westen gebräuchlich, 
z. B. östlich' oder westlich von Paris, Greenwich. — Durch diese 
Zählung, ob dieselbe von Ost nach West erfolgt, ist die Eigen 
tümlichkeit entstanden, daß verschiedene Orie, die auf dem gleichen 
Meridian liegen, dennoch erhebliche Zeildifferenzen bezügl. des Datums 
ausweisen. 
Es gilt nämlich die Regel, daß beim jemaligen Ueberschreiten 
des 180°, also des Längengrades, welcher sowohl östlich als auch 
westlich um genau den gleichen <A-Wert von Greenwich entfernt 
liegt, die Seefahrer, wenn sie von West nach Ost sich bewegen, 
zwei Tage hinter einander den gleichen Wochentag schreiben, da 
gegen, wenn sie von Ost nach West fahre», einen Tag (Datum) 
überschlagen. In Folge dessen finden wir auch bei den Bewohnern, 
welche zwischen 100° und 190° Greenwicher östlicher Länge wohnen 
und die christliche Zeitrechnung eingeführt haben, daß sie, je nachdem 
denselben die Zeitangabe von Westen oder Osten her zugebracht wurde, 
am gleichen Tage verschiedenes Datum schreiben. 
Diese Datumsgrenze zieht sich nun nicht in der Richtung eines 
Meridians hin, sondern beschreibt eine Kurve, welche sich von Norden 
aus durch die Beringstraße, sodann zwischen Kamtschatka und den 
Aleuten - Inseln, östlich von Japan durch die Formosastraße, 
Balabastraße, südlich von den Philippinen, unmittelbar östlich von 
den Salomon-Jnseln und Hebriden durch die Freundschaftsinseln 
zieht, und östlich von Cantham sich dann direkt nach Süden wendet; 
westlich von dieser Grenze wird 1 Tag mehr gezählt als östlich 
davon. — 
Ich schließe mit der Hoffnung, daß die gemachten Mitteilungen 
Ihnen, hochverehrte Anwesende, ein ungefähres Bild derjenigen wissen 
schaftlichen Arbeiten gegeben haben, die einem Forscher in fernen 
Weltteilen obliegen und welche, wenn auch friedlicher Art, doch häufig 
mit einem Kampf gegen die Natureinflüsse verbunden sind. — 
Möge cs insbesondere unseren deutschen Forschern in fernen 
Ländern, so auch in unseren neu gegründeten Kolonien und deren 
fernerem Zuivachs, nie an Ausdauer und Unterstützung vom Mutter 
lande aus fehlen, um den interessanten, aber auch mit vielen 
Entbehrungen und Mühsalen verknüpften Beruf zum Wohle und 
zur Förderung unserer heimischen Industrien mit Erfolg üben zu können.
	        

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