Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1893-97)

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zur inneren Vereinsthätigkeit der Umlauf von bantechnischen Zeit 
schriften, besonders unter den Stuttgarter Mitgliedern, endlich die 
Besichtigung von Bauausführungen und fertigen Bauwerken in und 
außerhalb Stuttgart, verbunden mit Exkursionen. Die äußere 
Thätigkeit umfaßt die Veröffentlichung der Vereinsberichte, die Be 
gutachtung bautechnischer oder baurechtlicher Fragen, die Beteiligung 
an öffentlichen Festen u. a. m. 
Die Leistungen nach beiden Richtungen waren nicht immer 
intensiv, und oft waren die Vorstände in der Lage, um regere Be 
teiligung au den Vereinsarbeiten bitten zu müssen; doch läßt sich im 
großen Ganzen ein stetiger Fortschritt nicht verkennen. In den ersten 
Jahren war bei kleiner Mitgliederzahl und beschränkter Bauthätigkeit 
auch die Vereinsthätigkeit wenig lebhaft. Die Bestimmung der Sta 
tuten, daß jedes Stuttgarter Mitglied jährlich wenigstens einen 
Vortrag halten sollte, konnte nicht innegehalten werden, und da die Ver 
sammlungsberichte nicht vervielfältigt wurden, so erfuhren nur die 
gerade anwesenden Mitglieder den Inhalt der Verhandlungen. Eine 
Besserung trat ein, als im Jahre 1855 der Vorstand v. Klein, 
welcher zugleich Redakteur der in Stuttgart erscheinenden Eisen 
bahnzeitung war, anfing, die Protokolle in diesem Blatte zu 
veröffentlichen und Sonderabdrücke davon an alle Mitglieder zu 
verteilen. Ich hatte damals die Ehre, das Amt des Schriftführers 
zu bekleiden, und kann bezeugen, wie der Vorstand recht bemüht war, 
diesen Protokollen durch technisch interessante Mitteilungen auch all 
gemeines Interesse zu verleihen, wobei ich ihn mit meinen schwachen 
Kräften möglichst unterstützte. Die gedruckten Protokolle erhielten 
später auch Zeichnungsbeilagen und werden seit 1864 in halbjährlich 
oder jährlich erscheinenden Heften zusammengefaßt, wodurch freilich 
gewisse Mitteilungen, besonders geschäftliche, etwas spät den Mit 
gliedern zukommen. Die neuerdings eingeführten kürzeren Berichte 
in den Tagesblättern sind daher eine sehr willkommene Ergänzung 
jener Hefte, deren bleibender Wert in den darin enthaltenen Vor 
trägen sachlichen Inhalts mit ihren Zeichnungsbeilagen zu suchen ist. 
Diese Druckschriften und Zeitungsberichte sind, sofern sie auch 
außerhalb des Vereins eine gewisse Verbreitung finden, schon mit 
zur äußeren Vereinsthätigkeit zu rechnen. Höher anzuschlagen in 
dieser Richtung sind mehrfach vom Vereine veranstaltete, auch wei 
teren Kreisen zugängliche Ausstellungen von Zeichnungen und Ent 
würfen seiner Mitglieder, besonders aber die Mitwirkung des Vereins 
bei Regelung baulicher Angelegenheiten im Staate und tu der Stadt. 
In ersterer Beziehung gehören hierher u. a.: zwei Eingaben an 
die beteiligten Ministerien aus den Jahren 1856 und 1869, ent 
haltend Vorschläge zur zeitgemäßen Ausbildung der Bau 
techniker und zur Umgestaltung der Staatsprüfungen im 
Banfache; ferner: zwei Eingaben von 1869 und 1882 mit der Bitte 
um Besserstellung der älteren und jüngeren Bau 
beamten; sodann, als die umfangreichste Arbeit, der in den 
Jahren 1858—62 aufgestellte Entwurf einer neuen Bauord 
nung, welcher in mehrfacher Hinsicht dem im Jahre 1872 verab 
schiedeten Gesetze zur Grundlage gedient hat, und die Vorschläge zu 
der im Jahre 1883 perfekt gewordenen Revision der Vollzugs 
verfügung zur Bauordnung und der Verfügung, betreffend 
Herstellung von Feuerungseinrichtungen vom Jahre 1872. In allen 
diesen Fällen haben die Wünsche und Vorschläge des Vereins bei 
den hohen Ministerien wohlwollende und sachlich fördernde Berück 
sichtigung gefunden; nicht minder aber auch in baulichen Angelegen 
heiten der Stadt Stuttgart, deren Vorstand mehrfach das Gut 
achten des Vereins eingeholt hat: so überden Kanalisatiouseutwurf 
des englischen Ingenieurs Gordon, über das Stuttgarter Orts- 
baustatut sowohl in seiner ersten Fassung, als auch über die 
neueste, noch nicht abgeschlossene Revision desselben. 
Auch in Bezng ans einzelne öffentliche Gebäude hat der 
Verein seine Stimme mehrfach erhoben, und meist mit Erfolg; so 
im Jahre 1856 für Erhaltung der Fassadeumalereieu am 
alten Landhaus, im Jahre 1868 gegen Anlage der Gewerbe 
halle auf dem Platze des jetzigen Stadtgarteus, 1875 über die 
Stellung des neuen Justizgebäudes, 1888 zu Gunsten des Rat 
hausbaues am Markt, 1891 zum Schutz der Klostergebäude in 
Maulbronn gegen Feuersgefahr. 
Zu der äußeren Vereinsthätigkeit gehört endlich auch das Zu 
sammenwirken mit den Architekten- und Jngenieurver- 
cinen anderer deutscher Länder. Der Zusammenhang derselben 
war bis zum Jahre 1866 ein sehr loser und äußerte sich nur in 
Form von freien jährlichen Wanderversammlungen, von denen 
eine, im Jahre 1858, bei uns in Stuttgart tagte. Schon in 
dieser ersten Periode, in den Jahren 1860—68, hat unser Verein, 
insbesondere sein damaliger Vorstand, v. Egle, für die Gesamtheit 
der Vereine sich Verdienste erworben durch Aufstellung einer Norm 
für Honorierung der Architekten, welche von der Wander 
versammlung in Hamburg im Jahre 1868 für ganz Deutschland an 
genommen und später durch eine ähnliche Norm für Ingenieur- 
arbeiten ergänzt worden ist. 
Infolge der Ereignisse von 1866 trat auch unter den Bau- 
vereinen des nunmehr räumlich beschränkteren, aber fester gefügten 
Deutschlands das Bestreben hervor, sich einander zu nähern. So 
kam es, nach vergeblichen Versuchen zur Bildung eines Einheits 
vereines, zu dem auf förderativer Grundlage noch heute bestehenden 
„Verband deutscher Architekten- und Jngenieurvereine", 
dessen periodisch gewählter Vorstand alljährlich eine Versammlung 
von Abgeordneten der Einzelvereine nach stets wechselnden Orten 
einberuft zur Beratung und endgiltigen Beschlußfassung über Ver 
bandsangelegenheiten. In den Jahrgängen gerader Zahl schließt sich 
hieran noch eine allgemeine „Wanderversammlung". Unser Verein 
kann sich bei der Abgeordnetenversammlung mit 4 von im Ganzen 
80 Stimmen vertreten lassen und hat von diesem Rechte fast aus 
nahmslos Gebrauch gemacht. Der Verband hat schon eine ganze 
Reihe bauwissenschaftlicher und sozialer Fragen durch Zusammen 
fassung der von den Einzelvereinen gegebenen Antworten und Be 
schlußfassung darüber in den Abgeordnetenversammlungen zur Er 
ledigung gebracht, wobei unser Verein stets mitzuwirken pflegte; in 
einzelnen Fällen sogar in ganz hervorragender Weise. In den 
Jahren 1882—84 war unserem Verein als Vorort die Führung 
der Verbandsgeschäfte anvertraut, sowie der Abhaltung der Abgeord 
neten- und Wanderversammlung im Jahre 1884 hier in 
Stuttgart; dank der eifrigen Thätigkeit unseres damaligen Vor 
standes v. Schlierholz, dank auch der Munifizenz Seiner Majestät des 
verewigten Königs Karl hat diese Versammlung einen durchaus ge 
lungenen Verlauf genommen, geeignet, allen Teilnehmern angenehme 
Erinnerungen zu hinterlassen und den auswärtigen Fachgenossen 
Achtung und Sympathie einzuflößen für unseren Verein, wie für 
Stuttgart und das ganze Württemberger Land. 
Ich komme nun zum Schluffe, nachdem ich Ihre Geduld, ver 
ehrte Anwesende, nur zu lange in Anspruch genommen habe. Aus 
dem Vorgetragenen mögen Sie erkennen, daß wir auf den 50jährigen 
Lebenslauf unseres Vereins mit einiger Befriedigung zurückblicken 
können, in dem Bewußtsein, daß derselbe seinen Zweck nicht ganz 
verfehlt hat. Freilich bleibt auch noch manches zu wünschen übrig. 
Hoffen wir, daß es in Zukunft gelingen möge, die Mängel zu be 
seitigen, auf daß der Verein immer kräftiger sich entwickeln und ge 
deihen möge, nicht nur zur Befriedigung seiner Mitglieder, sondern 
auch zur Förderung von Kunst und Wissenschaft, zur Hebung unseres 
Standes, zum Segen für das engere und weitere Vaterland, auf daß 
dereinst das 100 jährige Jubiläum mit noch mehr Stolz und Freude 
begangen werden könne, als unser heutiges Fest!
	        
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