5
/
zur inneren Vereinsthätigkeit der Umlauf von bantechnischen Zeit
schriften, besonders unter den Stuttgarter Mitgliedern, endlich die
Besichtigung von Bauausführungen und fertigen Bauwerken in und
außerhalb Stuttgart, verbunden mit Exkursionen. Die äußere
Thätigkeit umfaßt die Veröffentlichung der Vereinsberichte, die Be
gutachtung bautechnischer oder baurechtlicher Fragen, die Beteiligung
an öffentlichen Festen u. a. m.
Die Leistungen nach beiden Richtungen waren nicht immer
intensiv, und oft waren die Vorstände in der Lage, um regere Be
teiligung au den Vereinsarbeiten bitten zu müssen; doch läßt sich im
großen Ganzen ein stetiger Fortschritt nicht verkennen. In den ersten
Jahren war bei kleiner Mitgliederzahl und beschränkter Bauthätigkeit
auch die Vereinsthätigkeit wenig lebhaft. Die Bestimmung der Sta
tuten, daß jedes Stuttgarter Mitglied jährlich wenigstens einen
Vortrag halten sollte, konnte nicht innegehalten werden, und da die Ver
sammlungsberichte nicht vervielfältigt wurden, so erfuhren nur die
gerade anwesenden Mitglieder den Inhalt der Verhandlungen. Eine
Besserung trat ein, als im Jahre 1855 der Vorstand v. Klein,
welcher zugleich Redakteur der in Stuttgart erscheinenden Eisen
bahnzeitung war, anfing, die Protokolle in diesem Blatte zu
veröffentlichen und Sonderabdrücke davon an alle Mitglieder zu
verteilen. Ich hatte damals die Ehre, das Amt des Schriftführers
zu bekleiden, und kann bezeugen, wie der Vorstand recht bemüht war,
diesen Protokollen durch technisch interessante Mitteilungen auch all
gemeines Interesse zu verleihen, wobei ich ihn mit meinen schwachen
Kräften möglichst unterstützte. Die gedruckten Protokolle erhielten
später auch Zeichnungsbeilagen und werden seit 1864 in halbjährlich
oder jährlich erscheinenden Heften zusammengefaßt, wodurch freilich
gewisse Mitteilungen, besonders geschäftliche, etwas spät den Mit
gliedern zukommen. Die neuerdings eingeführten kürzeren Berichte
in den Tagesblättern sind daher eine sehr willkommene Ergänzung
jener Hefte, deren bleibender Wert in den darin enthaltenen Vor
trägen sachlichen Inhalts mit ihren Zeichnungsbeilagen zu suchen ist.
Diese Druckschriften und Zeitungsberichte sind, sofern sie auch
außerhalb des Vereins eine gewisse Verbreitung finden, schon mit
zur äußeren Vereinsthätigkeit zu rechnen. Höher anzuschlagen in
dieser Richtung sind mehrfach vom Vereine veranstaltete, auch wei
teren Kreisen zugängliche Ausstellungen von Zeichnungen und Ent
würfen seiner Mitglieder, besonders aber die Mitwirkung des Vereins
bei Regelung baulicher Angelegenheiten im Staate und tu der Stadt.
In ersterer Beziehung gehören hierher u. a.: zwei Eingaben an
die beteiligten Ministerien aus den Jahren 1856 und 1869, ent
haltend Vorschläge zur zeitgemäßen Ausbildung der Bau
techniker und zur Umgestaltung der Staatsprüfungen im
Banfache; ferner: zwei Eingaben von 1869 und 1882 mit der Bitte
um Besserstellung der älteren und jüngeren Bau
beamten; sodann, als die umfangreichste Arbeit, der in den
Jahren 1858—62 aufgestellte Entwurf einer neuen Bauord
nung, welcher in mehrfacher Hinsicht dem im Jahre 1872 verab
schiedeten Gesetze zur Grundlage gedient hat, und die Vorschläge zu
der im Jahre 1883 perfekt gewordenen Revision der Vollzugs
verfügung zur Bauordnung und der Verfügung, betreffend
Herstellung von Feuerungseinrichtungen vom Jahre 1872. In allen
diesen Fällen haben die Wünsche und Vorschläge des Vereins bei
den hohen Ministerien wohlwollende und sachlich fördernde Berück
sichtigung gefunden; nicht minder aber auch in baulichen Angelegen
heiten der Stadt Stuttgart, deren Vorstand mehrfach das Gut
achten des Vereins eingeholt hat: so überden Kanalisatiouseutwurf
des englischen Ingenieurs Gordon, über das Stuttgarter Orts-
baustatut sowohl in seiner ersten Fassung, als auch über die
neueste, noch nicht abgeschlossene Revision desselben.
Auch in Bezng ans einzelne öffentliche Gebäude hat der
Verein seine Stimme mehrfach erhoben, und meist mit Erfolg; so
im Jahre 1856 für Erhaltung der Fassadeumalereieu am
alten Landhaus, im Jahre 1868 gegen Anlage der Gewerbe
halle auf dem Platze des jetzigen Stadtgarteus, 1875 über die
Stellung des neuen Justizgebäudes, 1888 zu Gunsten des Rat
hausbaues am Markt, 1891 zum Schutz der Klostergebäude in
Maulbronn gegen Feuersgefahr.
Zu der äußeren Vereinsthätigkeit gehört endlich auch das Zu
sammenwirken mit den Architekten- und Jngenieurver-
cinen anderer deutscher Länder. Der Zusammenhang derselben
war bis zum Jahre 1866 ein sehr loser und äußerte sich nur in
Form von freien jährlichen Wanderversammlungen, von denen
eine, im Jahre 1858, bei uns in Stuttgart tagte. Schon in
dieser ersten Periode, in den Jahren 1860—68, hat unser Verein,
insbesondere sein damaliger Vorstand, v. Egle, für die Gesamtheit
der Vereine sich Verdienste erworben durch Aufstellung einer Norm
für Honorierung der Architekten, welche von der Wander
versammlung in Hamburg im Jahre 1868 für ganz Deutschland an
genommen und später durch eine ähnliche Norm für Ingenieur-
arbeiten ergänzt worden ist.
Infolge der Ereignisse von 1866 trat auch unter den Bau-
vereinen des nunmehr räumlich beschränkteren, aber fester gefügten
Deutschlands das Bestreben hervor, sich einander zu nähern. So
kam es, nach vergeblichen Versuchen zur Bildung eines Einheits
vereines, zu dem auf förderativer Grundlage noch heute bestehenden
„Verband deutscher Architekten- und Jngenieurvereine",
dessen periodisch gewählter Vorstand alljährlich eine Versammlung
von Abgeordneten der Einzelvereine nach stets wechselnden Orten
einberuft zur Beratung und endgiltigen Beschlußfassung über Ver
bandsangelegenheiten. In den Jahrgängen gerader Zahl schließt sich
hieran noch eine allgemeine „Wanderversammlung". Unser Verein
kann sich bei der Abgeordnetenversammlung mit 4 von im Ganzen
80 Stimmen vertreten lassen und hat von diesem Rechte fast aus
nahmslos Gebrauch gemacht. Der Verband hat schon eine ganze
Reihe bauwissenschaftlicher und sozialer Fragen durch Zusammen
fassung der von den Einzelvereinen gegebenen Antworten und Be
schlußfassung darüber in den Abgeordnetenversammlungen zur Er
ledigung gebracht, wobei unser Verein stets mitzuwirken pflegte; in
einzelnen Fällen sogar in ganz hervorragender Weise. In den
Jahren 1882—84 war unserem Verein als Vorort die Führung
der Verbandsgeschäfte anvertraut, sowie der Abhaltung der Abgeord
neten- und Wanderversammlung im Jahre 1884 hier in
Stuttgart; dank der eifrigen Thätigkeit unseres damaligen Vor
standes v. Schlierholz, dank auch der Munifizenz Seiner Majestät des
verewigten Königs Karl hat diese Versammlung einen durchaus ge
lungenen Verlauf genommen, geeignet, allen Teilnehmern angenehme
Erinnerungen zu hinterlassen und den auswärtigen Fachgenossen
Achtung und Sympathie einzuflößen für unseren Verein, wie für
Stuttgart und das ganze Württemberger Land.
Ich komme nun zum Schluffe, nachdem ich Ihre Geduld, ver
ehrte Anwesende, nur zu lange in Anspruch genommen habe. Aus
dem Vorgetragenen mögen Sie erkennen, daß wir auf den 50jährigen
Lebenslauf unseres Vereins mit einiger Befriedigung zurückblicken
können, in dem Bewußtsein, daß derselbe seinen Zweck nicht ganz
verfehlt hat. Freilich bleibt auch noch manches zu wünschen übrig.
Hoffen wir, daß es in Zukunft gelingen möge, die Mängel zu be
seitigen, auf daß der Verein immer kräftiger sich entwickeln und ge
deihen möge, nicht nur zur Befriedigung seiner Mitglieder, sondern
auch zur Förderung von Kunst und Wissenschaft, zur Hebung unseres
Standes, zum Segen für das engere und weitere Vaterland, auf daß
dereinst das 100 jährige Jubiläum mit noch mehr Stolz und Freude
begangen werden könne, als unser heutiges Fest!