Volltext: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1898-1904)

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Durch die Selbstinduktion wird der Entladungsstrom gegen die 
Oberfläche der Leitung gedrängt, so daß das Innere des Querschnitts 
nahezu stromlos bleibt; es erweisen sich deshalb die großflächigen 
Bande und blechförmigen Leiter rationeller als die vollen cylindrischen 
oder drahtförmigen. 
Trotz dieser Vorsichtsmaßregeln ist es aber doch noch ratsam, 
bei der Führung der Luftleitungen die Nähe größerer Metallmassen 
zu meiden, sofern sie nicht selbst in den 
Blitzableiter eingeschaltet werden können. 
Die größte Gefahr zum Abspringen 
des Blitzes vom Blitzableiter besteht, wenn 
sich eine Gas- oder Wasserleitung in dessen 
Nähe befindet (Figur 7), es ist deshalb 
unbedingt nötig, daß die Gas- und Wasser 
leitungen in den Blitzableiter eingeschaltet 
werden, wodurch dem Blitz zugleich die 
widerstandsloseste Ausbreitung in der Erde 
ermöglicht wird. 
Ist keine Gas- oder Wasserleitung 
vorhanden, so hat bei einem von Selbst 
induktion möglichst freien, und sonst richtig 
Fl£.Z Blitzschlag in.EhlnJfi-1 Ing Jf hf 'JßBfii 
konstruierten Blitzableiter mit mehrfachen Ableitungen die Anwendung 
besonderer, ins Grundwasser versenkter Erdleitungen nicht den großen 
Wert, welchen man ihnen seither beigelegt hat. 
Die durch Influenz der Wolkenelektriziiät erzeugte entgegen 
gesetzte Erdelektrizität breitet sich vorzugsweise an der Erdoberfläche 
aus, deren Leitungsfähigkeit durch den fast jeden Blitzschlag begleiten 
den Gewitterregen erhöht wird. Es wird deshalb in den meisten 
Fällen die atmosphärische Entladung ihren Ausgleich mit der Erd 
elektrizität ohne Weiteres von den unteren Enden der Ableitungen 
finden. Dies beweist auch der Umstand, daß bei ungeschützten Ge 
bäuden fast niemals Spuren zu finden sind, wo der Blitz in den 
Boden gedrungen ist. 
Am entbehrlichsten sind besondere Erdleitungen bei ganz eisernen 
oder vorzugweise aus Eisen konstruierten Häuser, z. B. bei Well- 
blechschuppcn, wo der Blitz von der Einschlagstelle an sich sofort 
nach allen Richtungen über große, gut leitende Metallflächen aus 
breiten und an unendlich vielen Stellen zur Erde abfließen kann. 
Ein Wettblechschuppcn ist in seiner metallischen Hülle selbst besser 
geschützt, als durch den besten künstlichen Blitzableiter, und bedürfen 
solche Gebäude in der Regel auch keiner besonderen Erdleitung. 
Nur wenn sich eine Gas- oder Wasserleitung in dem eisernen Haus 
oder in unmittelbarer Nähe desselben befindet, ist eine metallische 
Verbindung mit derselben herzustellen. 
Bei den gewöhnlichen Gebäuden aber, wo einzelne metallene 
Bestandteile, welche ihrer Natur nach nicht wohl in den Blitzableiter 
eingeschaltet werden können, wie z. B. Thür- und Fensterbeschläge, 
Glockenzugdrähte, die Drähte elektrischer Läutwerke, eiserne Oefen 
und die leitende Brücken zu denselben bildenden Gipserdrähte in 
Decken und Wänden, oft Anlaß zu einem Abspringen des Blitzes 
vom Blitzableiter geben, empfiehlt es sich, durch Anordnung guter 
Erdleitungen für einen möglichst widerstandslosen Uebergang des 
Entladungsstroms zur Erde zu sorgen und ihn so zu veranlassen, 
dem Blitzableiter mehr zu folgen als jenen anderen Metallwegen. Es 
kann dies in der seither üblichen Weise durch Versenken größerer 
Metallmassen ins Grundwasser geschehen. Wo aber das Grundwasser 
schwer zu erreichen ist, wie dies häufig vorkommt, da ist es vorzu 
ziehen, in geringer Tiefe unter der Erdoberfläche in der gewöhnlich 
durch den Gewitterregen befeuchteten, aber auch mit ihrem natürlichen 
Feuchtigkeitsgehalt für die Ausbreitung des hochgespannten Blitz 
stroms genügend leistungsfähigen Humusschicht die Ableitungen in 
langgestreckten Bändern oder Drähten rings um das Gebäude oder 
je nach den örtlichen Verhältnissen um einen Teil desselben herum 
zuführen. 
Die langgestreckten Erdleitungsformen besitzen nämlich eine viel 
bessere Ausbreitungsfähigkeit als die üblichen quadratischen Erd 
platten. Es ist z. B. die Ausbreitungsfähigkeit eines 150 m 
langen, 4 mm dicken Drahts mit 2 Oberfläche 15mal größer 
als diejenige einer quadratischen Platte von gleich großer Oberfläche 
Solche Oberflächenleitungen sind, wie mir von der österreichischen 
Militärverwaltung mitgeteilt worden ist, bei vielen Militärbauten 
im Karstgebirge, wo das Grundwasser nicht zu erreichen war, ange 
wendet worden, und haben sich dieselben bereits bei mehreren Blitz 
schlägen gut bewährt. Ebenso berichtet Geheimrat Prof. Dr. Aron 
vor einigen Jahren ini Elektrotechn. Verein in Berlin von Fällen, 
wo die besten Blitzableiter der üblichen Konstruktion keinen genügen 
den Schuh gewährten, bis man nach dem Vorschlag von Werner 
von Siemens in geringer Tiefe unter der Erdoberfläche Kabel rings 
um das Gebäude zog, worauf die Beschädigungen durch Blitzschlag 
für immer aufhörten. 
Im 9. und 10. Kapuel meines Buchs über Blitzableiter habe 
ich an einer Reihe von Beispielen gezeigt, wie solche Oberflächen 
leitungen auf einfache und billige Weise durch mehrere neben einander 
geführte Drähte oder Bänder hergestellt werden können. 
Für alle Fälle giltige Rezepte lassen sich übrigens nicht geben, 
weder für die Luftleitungen noch für die Erdleitungen. Jeder ein 
zelne Fall ist in Wirklichkeit wieder anders zu beurteilen und erfordert 
seine besondere Lösung, welche aber keineswegs schwierig ist für den 
jenigen, der sich nur einigermaßen mit den richtigen Prinzipien be 
kannt gemacht hat. Seither ist bei der Konstruktion der Blitzableiter 
viel zu schematisch verfahren und auf die Individualität des zu 
schützenden Gebäudes zu wenig Rücksicht genoinmen worden. In der 
ganzen seitherigen Blitzableiterlitt ratur hat insbesondere die durch 
die Statistik erwiesene Thatsache zu wenig Beachtung gefunden. 
Daß die rationellsten und zugleich die billigsten Blitzableiter 
nur im engsten Zusammenhang mit den metallenen Baukonstruktionen 
ausgeführt werden können. Diese Lücke glaube ich mit meiner Schrift 
über den Blitzschutz ausgefüllt zu haben. Dieselbe ist in erster Linie 
meinen Kollegen vom Hochbaufach gewidmet, sie sollen dadurch von 
der Herrschaft engherziger veralteter Anschauungen befreit und in den 
Stand gesetzt werden, die metallenen Gebäudeteile so viel wie mög 
lich für die Zwecke der Blitzableitung nutzbar zu machen. 
Meine Herren, wenn Sie das von mir Gesagte bei der Auf 
führung von Neubauten von Anfang au berücksichtigen, so haben 
Sie es in der Hand, Ihren Bauherren, welche einen Blitzableiter 
wünschen, Geld zu ersparen, und denjenigen, welche der Kosten halber 
auf einen Blitzableiter der üblichen Konstruktion verzichten würden, 
einen solchen nach meinen durch die Erfahrung erprobten Vorschlägen 
fast kostenlos zu liefern. 
Was die größere oder geringere Blitzgefahr der einzelnen Ge 
bäude je nach ihrer Lage und Höhe betrifft, so stimmen die herrschen 
den Meinungen auch in dieser Beziehung nicht durchaus mit den 
Ergebnissen der Württembergischen Blitzstaristik überein. Nach der 
selben ist die Blitzgefahr in und in der Nähe von Wäldern nicht 
geringer als in waldlosen Gegenden, auch übt die Nähe von Wasser 
läufen und feuchter Untergrund keinen merkbaren Einfluß auf die 
Blitzschlaghäufigkeit aus. Dagegen ist bei hohen, hochgelegenen und 
isolierten Gebäuden die Blitzgefahr offenbar eine größere als bei 
andern Gebäuden. So ist z. B. die Blitzgefahr bei Kirchen mit 
Kirchtürmen 20 mal größer als bei den gewöhnlichen, niederen Ge 
bäuden. Verhältnismäßig am sichersten vor Blitzschlag sind Gebäude 
in engen, tief eingeschnittenen Thälern. Ganz sicher vor Blitzschlag 
ist aber kein Gebäude, mag es stehen wo es will. Wenn auch an 
manchen Orten der Blitz seit Menschengedenken nicht eingeschlagen 
hat, so kann es doch plötzlich vorkommen, daß der Blitz daselbst öfters 
hintereinander einschlägt. 
Unbedingt sicher vor jeder Art von Blitzschaden sind aber auch 
Gebäude mit guten Blitzableitern nicht, wie dies richtig in einem von 
Siemens, Helmholtz und Kirchhoff unterzeichneten Gutachten der 
preußischen Akademie der Wissenschaften vom Jahr 1880 gesagt ist. 
Das aber ist durch die Erfahrung hinlänglich bestätigt, daß durch 
rationell angelegte Blitzableiter unter allen Umständen die Blitzgefahr 
in hohem Masse vermindert wird und darf man bei einem einiger 
maßen richtig konstruierten Blitzableiter mit Sicherheit darauf rechnen, 
daß durch denselben wenigstens eine Zündung und das Eindringen 
des Blitzes ins Innere des Gebäudes verhütet wird.
	        

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