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Durch die Selbstinduktion wird der Entladungsstrom gegen die
Oberfläche der Leitung gedrängt, so daß das Innere des Querschnitts
nahezu stromlos bleibt; es erweisen sich deshalb die großflächigen
Bande und blechförmigen Leiter rationeller als die vollen cylindrischen
oder drahtförmigen.
Trotz dieser Vorsichtsmaßregeln ist es aber doch noch ratsam,
bei der Führung der Luftleitungen die Nähe größerer Metallmassen
zu meiden, sofern sie nicht selbst in den
Blitzableiter eingeschaltet werden können.
Die größte Gefahr zum Abspringen
des Blitzes vom Blitzableiter besteht, wenn
sich eine Gas- oder Wasserleitung in dessen
Nähe befindet (Figur 7), es ist deshalb
unbedingt nötig, daß die Gas- und Wasser
leitungen in den Blitzableiter eingeschaltet
werden, wodurch dem Blitz zugleich die
widerstandsloseste Ausbreitung in der Erde
ermöglicht wird.
Ist keine Gas- oder Wasserleitung
vorhanden, so hat bei einem von Selbst
induktion möglichst freien, und sonst richtig
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konstruierten Blitzableiter mit mehrfachen Ableitungen die Anwendung
besonderer, ins Grundwasser versenkter Erdleitungen nicht den großen
Wert, welchen man ihnen seither beigelegt hat.
Die durch Influenz der Wolkenelektriziiät erzeugte entgegen
gesetzte Erdelektrizität breitet sich vorzugsweise an der Erdoberfläche
aus, deren Leitungsfähigkeit durch den fast jeden Blitzschlag begleiten
den Gewitterregen erhöht wird. Es wird deshalb in den meisten
Fällen die atmosphärische Entladung ihren Ausgleich mit der Erd
elektrizität ohne Weiteres von den unteren Enden der Ableitungen
finden. Dies beweist auch der Umstand, daß bei ungeschützten Ge
bäuden fast niemals Spuren zu finden sind, wo der Blitz in den
Boden gedrungen ist.
Am entbehrlichsten sind besondere Erdleitungen bei ganz eisernen
oder vorzugweise aus Eisen konstruierten Häuser, z. B. bei Well-
blechschuppcn, wo der Blitz von der Einschlagstelle an sich sofort
nach allen Richtungen über große, gut leitende Metallflächen aus
breiten und an unendlich vielen Stellen zur Erde abfließen kann.
Ein Wettblechschuppcn ist in seiner metallischen Hülle selbst besser
geschützt, als durch den besten künstlichen Blitzableiter, und bedürfen
solche Gebäude in der Regel auch keiner besonderen Erdleitung.
Nur wenn sich eine Gas- oder Wasserleitung in dem eisernen Haus
oder in unmittelbarer Nähe desselben befindet, ist eine metallische
Verbindung mit derselben herzustellen.
Bei den gewöhnlichen Gebäuden aber, wo einzelne metallene
Bestandteile, welche ihrer Natur nach nicht wohl in den Blitzableiter
eingeschaltet werden können, wie z. B. Thür- und Fensterbeschläge,
Glockenzugdrähte, die Drähte elektrischer Läutwerke, eiserne Oefen
und die leitende Brücken zu denselben bildenden Gipserdrähte in
Decken und Wänden, oft Anlaß zu einem Abspringen des Blitzes
vom Blitzableiter geben, empfiehlt es sich, durch Anordnung guter
Erdleitungen für einen möglichst widerstandslosen Uebergang des
Entladungsstroms zur Erde zu sorgen und ihn so zu veranlassen,
dem Blitzableiter mehr zu folgen als jenen anderen Metallwegen. Es
kann dies in der seither üblichen Weise durch Versenken größerer
Metallmassen ins Grundwasser geschehen. Wo aber das Grundwasser
schwer zu erreichen ist, wie dies häufig vorkommt, da ist es vorzu
ziehen, in geringer Tiefe unter der Erdoberfläche in der gewöhnlich
durch den Gewitterregen befeuchteten, aber auch mit ihrem natürlichen
Feuchtigkeitsgehalt für die Ausbreitung des hochgespannten Blitz
stroms genügend leistungsfähigen Humusschicht die Ableitungen in
langgestreckten Bändern oder Drähten rings um das Gebäude oder
je nach den örtlichen Verhältnissen um einen Teil desselben herum
zuführen.
Die langgestreckten Erdleitungsformen besitzen nämlich eine viel
bessere Ausbreitungsfähigkeit als die üblichen quadratischen Erd
platten. Es ist z. B. die Ausbreitungsfähigkeit eines 150 m
langen, 4 mm dicken Drahts mit 2 Oberfläche 15mal größer
als diejenige einer quadratischen Platte von gleich großer Oberfläche
Solche Oberflächenleitungen sind, wie mir von der österreichischen
Militärverwaltung mitgeteilt worden ist, bei vielen Militärbauten
im Karstgebirge, wo das Grundwasser nicht zu erreichen war, ange
wendet worden, und haben sich dieselben bereits bei mehreren Blitz
schlägen gut bewährt. Ebenso berichtet Geheimrat Prof. Dr. Aron
vor einigen Jahren ini Elektrotechn. Verein in Berlin von Fällen,
wo die besten Blitzableiter der üblichen Konstruktion keinen genügen
den Schuh gewährten, bis man nach dem Vorschlag von Werner
von Siemens in geringer Tiefe unter der Erdoberfläche Kabel rings
um das Gebäude zog, worauf die Beschädigungen durch Blitzschlag
für immer aufhörten.
Im 9. und 10. Kapuel meines Buchs über Blitzableiter habe
ich an einer Reihe von Beispielen gezeigt, wie solche Oberflächen
leitungen auf einfache und billige Weise durch mehrere neben einander
geführte Drähte oder Bänder hergestellt werden können.
Für alle Fälle giltige Rezepte lassen sich übrigens nicht geben,
weder für die Luftleitungen noch für die Erdleitungen. Jeder ein
zelne Fall ist in Wirklichkeit wieder anders zu beurteilen und erfordert
seine besondere Lösung, welche aber keineswegs schwierig ist für den
jenigen, der sich nur einigermaßen mit den richtigen Prinzipien be
kannt gemacht hat. Seither ist bei der Konstruktion der Blitzableiter
viel zu schematisch verfahren und auf die Individualität des zu
schützenden Gebäudes zu wenig Rücksicht genoinmen worden. In der
ganzen seitherigen Blitzableiterlitt ratur hat insbesondere die durch
die Statistik erwiesene Thatsache zu wenig Beachtung gefunden.
Daß die rationellsten und zugleich die billigsten Blitzableiter
nur im engsten Zusammenhang mit den metallenen Baukonstruktionen
ausgeführt werden können. Diese Lücke glaube ich mit meiner Schrift
über den Blitzschutz ausgefüllt zu haben. Dieselbe ist in erster Linie
meinen Kollegen vom Hochbaufach gewidmet, sie sollen dadurch von
der Herrschaft engherziger veralteter Anschauungen befreit und in den
Stand gesetzt werden, die metallenen Gebäudeteile so viel wie mög
lich für die Zwecke der Blitzableitung nutzbar zu machen.
Meine Herren, wenn Sie das von mir Gesagte bei der Auf
führung von Neubauten von Anfang au berücksichtigen, so haben
Sie es in der Hand, Ihren Bauherren, welche einen Blitzableiter
wünschen, Geld zu ersparen, und denjenigen, welche der Kosten halber
auf einen Blitzableiter der üblichen Konstruktion verzichten würden,
einen solchen nach meinen durch die Erfahrung erprobten Vorschlägen
fast kostenlos zu liefern.
Was die größere oder geringere Blitzgefahr der einzelnen Ge
bäude je nach ihrer Lage und Höhe betrifft, so stimmen die herrschen
den Meinungen auch in dieser Beziehung nicht durchaus mit den
Ergebnissen der Württembergischen Blitzstaristik überein. Nach der
selben ist die Blitzgefahr in und in der Nähe von Wäldern nicht
geringer als in waldlosen Gegenden, auch übt die Nähe von Wasser
läufen und feuchter Untergrund keinen merkbaren Einfluß auf die
Blitzschlaghäufigkeit aus. Dagegen ist bei hohen, hochgelegenen und
isolierten Gebäuden die Blitzgefahr offenbar eine größere als bei
andern Gebäuden. So ist z. B. die Blitzgefahr bei Kirchen mit
Kirchtürmen 20 mal größer als bei den gewöhnlichen, niederen Ge
bäuden. Verhältnismäßig am sichersten vor Blitzschlag sind Gebäude
in engen, tief eingeschnittenen Thälern. Ganz sicher vor Blitzschlag
ist aber kein Gebäude, mag es stehen wo es will. Wenn auch an
manchen Orten der Blitz seit Menschengedenken nicht eingeschlagen
hat, so kann es doch plötzlich vorkommen, daß der Blitz daselbst öfters
hintereinander einschlägt.
Unbedingt sicher vor jeder Art von Blitzschaden sind aber auch
Gebäude mit guten Blitzableitern nicht, wie dies richtig in einem von
Siemens, Helmholtz und Kirchhoff unterzeichneten Gutachten der
preußischen Akademie der Wissenschaften vom Jahr 1880 gesagt ist.
Das aber ist durch die Erfahrung hinlänglich bestätigt, daß durch
rationell angelegte Blitzableiter unter allen Umständen die Blitzgefahr
in hohem Masse vermindert wird und darf man bei einem einiger
maßen richtig konstruierten Blitzableiter mit Sicherheit darauf rechnen,
daß durch denselben wenigstens eine Zündung und das Eindringen
des Blitzes ins Innere des Gebäudes verhütet wird.