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Haus-Rosette eine Lösung durchführt, welche nun mit den übrigen
Teilen der angrenzenden Umgebung in harmonischem Einklang steht.
Hierher gehören auch die an beiden Chortürmen leichtfertig angefügt
gewesenen zwei Strebepfeiler, an welchen den übrigen Strebepfeiler-
Endigungen der Seitenschiffe entsprechend spätgotische Formen durch
geführt wurden. Unter den Baldachinen dieser beiden Strebepfeiler
wurden die Statuen von Moses und Jesaias ausgestellt.
Unter den zur Zeit in Ausführung begriffenen und noch zu
beginnenden Bauarbeiten, welche bis zu der aufs Frühjahr 1900 fest
gesetzten Vollendung des Innern erforderlich sind, nennen wir folgende
Einzelheiten:
Auf den Rohbau des Ganzen haben Bezug die noch auszu
führenden Verstärkungs- und Ergänzungsarbeiten im Innern der
westlichen Vorhalle und dem darüber befindlichen Stockwerke, des
gleichen in den östlichen Turmhallen, sodann die Neueinfügung der
Gewölbe in den beiden Seitenschiffen, die Erneuerung der verbrannt
gewesenen Gewölbe-Rippen im Chor und zwischen den Chortürmen,
die Einsetzung der Bänke und des steinernen Pfostenwerks in sämt
lichen Fenstern, die Erneuerung weniger bisher zurückgestellter Strebe
bögen über den Seitenschiffen. Ferner haben sich die Umfassungs-
wände des südlichen Kapellen-Anbaues (Abb. 4) bei der neuesten
Untersuchung derart defekt gezeigt, daß eine gründliche Ausbesserung
derselben sich als unabweisbar ergab. Auch diese Kapelle soll ihrer
zweckmäßigeren Benützbarkeit halber von außen einen direkten Ein
gang erhalten.
An Dachbedeckungen sind noch die sog. Lauben beiderseits vom
Hauptturm und die beiden Sakristei-, beziehungsweise Kapellen-An-
bauten am Chor auszuführen.
Um nach dem Bezug der Kirche eine ungestörte Benützung der
selben zu sichern, müssen als äußere Arbeiten die sämtlichen Aus
besserungen der östlichen Chorwand, sowie diejenigen am untersten
Stockwerk der Westvorhalle ins Auge gefaßt werden. Im Innern
der Kirche sind außer den oben genannten Arbeiten noch auszu
führen: die steinerne Orgelempore nebst Treppeniurm, die Central
heizungsanlage, für welche eine Niederdruck-Dampfheizung in Aus
sicht genommen worden ist, ferner die Bekleidung und Dekorierung
der massiven Gewölbeflächen, die Herstellung der Böden und des
ganzen Gestühls, der Kirchthüren und Windfänge, der Kanzel mit
Schalldeckel, der Orgel, der Beleuchtungsanlage, sowie die Versetzung des
heiligen Grabes in den Chor*)
Von dem letzteren sagt Dr. P. Keppler mit Recht: „Deutsch
lands schönstes Werk dieser Art, mit überaus reicher, figurenbesetzter
Baldachinkiönung, vor dem Sarkophag zwei schlafende Wächter
(prächtige Gestalten, wie lebend hingegossen), hinter denselben
Johannes mit drei Frauen voll Leben und schmerzlicher Bewegung."
Wirkungsvoll und mannigfaltig ist der plastische Schmuck dieses
hervorragenden Werkes, das in seiner ganzen Ausführung eine Fein
heit uud Gewandheit, eine Vollkommenheit der Technik zeigt, wie sie
nur wenigen Werken jener Zeit eigen ist. Leider hat das heilige
Grab in der Zeit der Bilderstürmerei und durch den großen Brand
sehr gelitten.
Weniger umfassend werden die Erneuerungsarbeiten an dem im
ganzen gut erhaltenen Taufstein sein.*) Dieses reich mit fast runden
*) Abbildung ist in dem Bericht enthalten.
Reliefs geschmückte Kunstwerk zieht die Aufmerksamkeit der Kenner
in besonderem Maße auf sich. Der Taufstein ist achteckig, an den
Ecken stehen acht Apostelsiguren, in den Nischen sind die sieben
Sakramente dargestellt; dazu außerordentlich feines Zierwerk; am
Fuße der Nischen sind humoristische Tierszenen, z. T. mit symbolisch-
satyrischer Anspielung angebracht. Das herrliche Werk stammt aus
dem Jahre 1499. Der Taufstein und das heilige Grab sind wehl
von demselben Meister, wahrscheinlich von Peter von Breisach.
Ausbesserungsbedürftig sind auch die in der alten Sakristei be
findlichen, vor 50 Jahren von Professor Eberlein aufgedeckten und
leider damals stark übermalten Wand- und Deckenbilder. Dieselben
sind von hohem Wert, als ein seltenes Beispiel der Kunst der
Malerei des 14. Jahrhunderts. Sie zeign: das Martyrium der
heiligen Katharina, auch Einzelgestalten von Heiligen. An der West
wand, ziemlich zerstört, Christus am Kreuz, die Kriegsknechte u. s. w.
Ungemein anziehend erscheinen besonders die blonden, schlanken, hold
lächelnden, langlockigen, idealschönen Gestalten, wie sie zur selbigen
Zeit auch in der italienischen Kunst auftauchen.
Noch mag hier angefügt werden, daß die Modelle zu allen
architektonisch und künstlerisch bedeutenderen Arbeiten in einer Samm
lung vereinigt wurden, in welcher auch die bei den Restaurations
arbeiten gemachten Funde, insbesondere auch Baureste aus früherer
Zeitpeuode Aufnahme fanden. Es wird diese Sammlung nicht nur
dem Architekren und Künstler, sondern auch dem Laien einen genauen
Einblick in die edlen Formen unseres Baudenkmals gewähren, wie
auch eine leicht zugängliche Quelle für das Studium der verschiedenen
Baustiele bieten.
Die vom 1. Mai 1893 bis 30. Juni 1898 an die Bauleitung
zur Ausbezahlung angewiesene Kostensumme berechnet sich aus
490 893 M. 20 H, während die von dieser Zeit ab bis zur
Vollendung des Innern noch erforderliche Summe sich auf
376 650 Ji. berechnet, bis zu diesem Zeitpunkt sind also rund
868 000 Jt erforderlich.
Am Schlüsse des Berichts heißt es: „Mit der Erlangung dieses
vorerst gesteckten Ziels ist jedoch das Ende der Restauration unserer
Marienkirche noch nicht erreicht, denn einerseits sind die oberen Teile
der Westfapwde, sowie der Hauptturm, soweit sich bis jetzt beurteilen
läßt, von sehr schadhafter Beschaffenheit, andererseits wird es sich,
wie in Ulm und Heilbronn, auch hier frage», ob nicht die Vollendung
der nicht ausgebauten Chortürme als letzter Schlußstein in unser Bau
programm aufzunehmen ist.
Hätten wir uns darauf beschränken können, unsere Kirche nur in
den Stand zu stellen, daß dieselbe ihrem Hauptzweck — dem gottes
dienstlichen — genügen würde, so hätten die uns zur Verfügung
stehenden Mittel weitaus gereicht, allein wir mußten als unsere Auf
gabe erkennen, unser ehrwürdiges und erhabenes Denkmal mittel
alterlicher Baukunst, welches von unsern Voreltern in Zeiten schwerer
Not begonnen und in Zeiten harter Bedrängnis notdürftig wieder
hergestellt wurde, in den Stand zu versetzen, daß dasselbe in seiner
alten Schönheit und Vollendung als Kleinod und Vorbild seiner
Gotik wieder erscheine.
Diesen Zweck zu erreichen, wollen wir nicht müde werden."
Möchte es diesen Blättern vergönnt sein, das Interesse
für die edle, große Sache auch ferner zu erhalten und ihr die that
kräftige Hilfe weiterer Kreise zu gewinnen.
Verschiedenes.
Eine Ehrung für Baudirektor von Bach. Aus Anlaß der
Ueberreichung der Ehrenmitgliedsurkunde an Baudirektor C. v. Bach,
dessen Ernennung zum Ehrenmitglied des Gesamtvereins deutscher
Ingenieure im Juni d. I. auf der Hauptversammlung in Nürnberg
geschehen, fand am Sonntag den 19. November d. I. im Oberen
Museum zu Ehren v. Bachs ein Festessen statt, an dem über
100 Mitglieder und Gäste teilnahmen. Die feierliche Ueberreichung
der Urkunde erfolgte vorher in der Wohnung des Gefeierten durch
den Vors, des Gesamtvereins, Baurat Bissinger-Nürnberg, den
Direktor des Vereins, Baurat Peters-Berlin, und die Vorstands
mitglieder Geh. Reg.-Rat Ritschel-Charlottenburg, Reg.- und Baurat
v. Borries-Hannooer, Professor Truhsen-Berlin, Dir. Majert-Siegen.
Die Feier wurde beehrt durch die Anwesenheit des Kultministers
Dr. v. Sarwey mit dem Min.-Rat Dr. Bälz, des Direktors der
Techn. Hochschule Prof. Dr. v. Weyrauch und vieler anderer Ehren
gäste. Der Vors, des württ. Jngenieurvereins, Dir. Cox-Cannstatt,