Fig- 1.
jener Bauernkünstler habe sich nämlich dadurch Luft gemacht, daß
sie mittelst einer brennenden Oelampel die Deckenflächen in rythmischer
Folge mit schnecken- und blumenförmigen Gebilden in verschiedenen
Rußnüancen dekorierten.
Nun schritt Redner zu der Erläuterung seiner oben erwähnten
Auslese von Zeichnungen, welche sich auf ca. 60 württembergische
Kirchen bezogen und suchte hiebei insbesondere auf die verschiedenen
Erweiterungsmöglichkeiten bei vorhandenen Kirchen hinzuweisen.
Gruppe I. Nestaurationen ohne Erweiterungen an den Um-
fassnngswänden. Als erste Gruppe war eine reichhaltige Auswahl
von Restauralionsprojekten vorgeführt, bei welchen die Grundflächen
zwischen den allen Umfassungswänden keinerlei wesentliche Erweiterungen
erfuhren. Entweder handelte es sich hiebei um Erneuerung des
ganzen Einbaues, wobei es durch zweckmäßige Ausnützung des Raumes
möglich war, das vorhandene Sihplatzbedürfnis zu be
friedigen oder hat man den in der Regel durch die
Entfernung der Orgel aus dem Chore sich ergebenden
Verlust an Sitzplätzen durch eine zweite Quereinpore
im Schiff zu decken gesucht (Illingen, Fig. 1). Wo
aber die Platzbedürfnisse noch größer waren und nur
ganz bescheidene Mittel zur Verfügung standen, hat
man sich zur Erbauung von zwei übereinander liegenden Längs
emporen entschlossen, wobei die oberen Emporen eine triforienartige
usbildung erhielten, was architektonisch viel hübscher wirkt, als jene
zweiemporigen Kirchenvergrößerungen, welche im sog.
Kameralamtsstil in den zwei ersten Dritteln dieses Jahr
hunderts vielfach ausgeführt wurden (Besigheim, Walheim
u. a., Fig. 2). Bei der triforienartigen Lösung sind die
oberen Emporen dem Dachraume entnommen, sie sind
dementsprechend weniger tief und mit dem überhöhten
Mittelschiff durch Arkaden verbunden. Dieser Gedanke ^>g. 2.
ist in der Kirche zu Oberroth (Fig. 3) zur Ausführung
JL gebracht, auch für Kochendorf*) war ein sorgfältig ge-
zeichneter Entwurf (Fig. 4 u. 5 Tafel) vorgeführt, bei
welchem in origineller Weise der Dachraum für den
Kirchenraum nutzbar gemacht wurde.
Für Mittelfischach wurde in primitivster Weise der
Gedanke einer zweiten Empore als Provisorium durch
geführt, weil die Mittel zu anderweitiger Vergrößerung der Kirche
sich nicht beschaffen ließen.
Die alten Deckenbildungen im Schiffraume haben bei diesen
inneren für Holzbau entworfenen Erneuerungen in beinahe allen
Fällen insofern Aenderungen erfahren, als dieselben mit Zuhilfenahme
des Raumes über dem untersten Dachgebälk als gesprengte Decken
ausgeführt wurden, sei es nun, daß dieselben die ganze Breite des
Schiffes in Vieleckform tonnenförmig überspannen, wobei .
in manchen Fällen die Anwendung von Deckenoberlicht
gute Dienste leistete, (Beuren*, Heumaden (Fig. 6), Holz.
hausen* (Fig. 7 Tafel), Illingen, Neuhausen ob. Eck, Ott-
marsheim* Oeschelbronn, Uhlbach, Weissach*,) oder daß der
Schiffraum in 2 oder 3 Längsschiffe derart geteilt wurde, f>
daß man in den Seitenschiffen die horizontale Deckenform beließ und
nur über dem Hauptschiff die gesprengte Deckenform in Anwendung
brachte (Backnang* Bietigheim (Fig. 14), Kornwestheim, Sersheim*),
wobei es oft willkommen schien, zur besseren Erhellung
A der Kirche an den senkrechten Teilen des überhöhten
Mitelschiffs Fenster anzuordnen, welche von
NPR durch das Dach geführten Lichtschächten ihre
Helle erhalten (Baiersbronn, Laufen-Herberg
(Fig. 8 u 9), Kochendorf* (Fig. 4 u. 5 Tafel),
Oberroth (Fig. 3), Unterjesingen, Göppingen
(Oberhofenkirche Fig. 10 u. 11) Hier sei
auch zu erwähnen, welche Vorteile die schrägen
Emporendecken in Bezug auf die Lichtzufnhrung für die darunter
befindlichen Räume bieten.
Fig. 3.
Fig. 8.
Fig- 9.
*) Bei den mit * versehenen Orten handelt es sich um Projekte, welche
zur Zeit noch nicht ausgeführt sind.
Fig. 10
Prinzip
Bemerkenswert sei, daß die gesprengten Deckenbildungen sich in
den meisten Fällen ausführen ließen, ohne die alten Dachstühle ab
nehmen zu müssen, so daß die ganze Arbeit
im Trockenen vor sich gehen konnte. Nur
in denjenigen Fällen, wo sich die Erhöhung
der Schiffmauern empfehle, müsse der Dach
stuhl abgebrochen werden.
Gruppe II. Zwcischisstge Anlagen.
Interessant war auch der Hinweis auf die
Zweckmäßigkeit der als zweite Gruppe vor
geführten zweischiffigen Anlagen bei kleinen
und mittelgroßen Kirchen, das hierinliegende Prinzip sei bei den
meisten Württembergischen Landkirchen von der Reformationszeit her
zuleiten. indem man bei den meisten dieser Kirchen sehe, daß wenn
außer der Querempore noch weitere Emporenfläche zu gewinnen war,
dieselbe durch Anordnung von nur einer Längscmpore erreicht wurde,
während die andere Längswand des Schiffes freiblieb und der Kirche
ungehindert Licht zuführte. Die Kanzel stehe dann immer am Ende
dieser freien Längswand, wodurch der Geistliche beinahe von allen
Plätzen im Schiffraume gesehen werden könne.
Wo dieses Auskunftsmittel damals nicht ausreichte,
habe man öfters eine der Längswände (meist
die nördliche) abgebrochen und entsprechend
nach außen gerückt (Bietigheim, Kornwestheim,
Oberfischach (Fig. 12 u. 13), Satteldorf.
Sersheim, Schwabbach, Weiler z. St. u. dgl.),
wodurch der Chor oft in unschöner Weise
aus der Mitte des Schiffs gerückt schien,
wie es natürlich scheinen sollte, auf dem
sei es in manchen Kirchen umge-
Flg.
Anstatt die
erbreiterten
Längsempore
Schiffteil anzuordnen,
kehrt gemacht worden, so daß oft die Längsempore weit in das Licht
des Chorbogens hereinrage und dort meist mit der im Chor errichteten
Orgelempore in Verbindung stehe.
Da die Alten sich bei solchen Kirchenerweiterungen meist nur
mit der Lösung der praktischen Seite der Aufgabe begnügten, wurden
diese Längsemporen ohne irgend eine Wechselbeziehung zur Deckcn-
bildung in den Schiffraum hineingestellt. Denke man sich aber die
erwünschte Wechselbeziehung durchgeführt, so habe man die zwei-
schiffigc Kirchenanlage vor sich, wie solche die Neu
zeit vielfach bei Neubauten anstrebe.
In welcher Weise sich solche einerseits er-
breiterte Schiffrüume auch künstlerisch zu organisch
durchgeführten zweischiffigen Anlagen umgestalten
lassen, davon legten die teils schon aus dem Anfang
der 80 er Jahre herrührenden Pläne für die Kirchen
der oben zuletzt genannten Orte Zeugnis ab. In
Bietigheim (Fig. 14) sei nach demselben Prinzipe
eine dreischiffige Anlage mit zwei sehr ungleich breiten Seitenschiffen
entstanden, deren Ungleichheit jedoch bei der angewendeten architck-
«ü w tonischen Ausbildung in keiner Weise störend wirke. Auch
. . , bei der Kirche zu Oberroth (Fig. 3,15 u. 16)
s: H j haben die Längsaxen des Schiffs und des
als Chor dienenden Turmunterteils nicht zu
sammen getroffen. Beim innern Umbau habe
man alsdann auf einer Seite im Chor eine
schmale Empore ein-
Fig. 15. Fig. 16. gefügt und hiedurch
die Choraxe in die Schiffaxe eingerückt,
welche Anordnung infolge der dortigen Decken
ausbildung und des neuen Chorfensterdurch
bruchs einen ganz harmonischen Eindruck
macht. In Sulzbach a. Kocher habe man
gelegentlich der Erbauung eines neuen Kirch
turmes Anlaß genommen, aus Zweckmäßig
keitsrücksichten durch die Stellung des Turmes
eine zweischiffige Anlage zu erzielen (Fig. 17 u. 18).
Daß das alte Auskuuftsmittel, die eine der beiden Längswände
nach außen zu rücken, auch heute noch durchgeführt wird, davon
i
Fig. 18.