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Vom Rektor und Senat der Technischen Hochschule ist das nachstehende Dankschreiben eingelaufen:
An den verehrlichen Vorstand des Württemb. Vereins für Baukunde in Stuttgart.
Der Senat der Technischen Hochschule hat in seiner heutigen ersten Sitzung nach den Frühjahrsferien mit lebhaftem Danke Kenntnis
von dem Schreiben genommen, welches der Vorstand des Württembergischen Vereins für Baukunde aus Anlaß der Erlangung des Rechts
zur Erteilung akademischer Grade durch die Hochschule an ihn zu richten die Güte hatte.
Ueber den Wert solcher Grade für das praktische Leben haben sich auch die Organe der Hochschule keiner Täuschung hingegeben.
Wohl aber mußte ihr Bestreben darauf gerichtet sein, den Technischen Wissenschaften die ihrer Bedeutung in unsrer Zeit entsprechende
Gleichstellung mit den älteren Fakultätswissenschaften zu verschaffen, wofür unter den gegebenen Verhältnissen das Promotionsrecht eine
notwendige Voraussetzung bildete.
Wenn nun durch diese Gleichstellung der Eintritt leistungsfähiger Elemente in die Technische Hochschule gefördert und das An
sehen der Technik und der Techniker gehoben wird, so dürfte damit immerhin auch ein Vorteil für die Praxis verbunden sein. In richtiger
Erkenntnis dieser Sachlage hat der Württembergische Verein für Baukunde unsern Bestrebungen. von jeher seine Unterstützung geliehen,
wofür wir ihm hiermit herzlichen Dank aussprechen. Zu besonderer Freude gereicht es uns, bei diesem Anlaß zu betonen, daß gerade
die Leistungen der ausführendeu Technik von maßgebendem Einflüsse auf die unsern Wissenschaften zu teil gewordene Anerkennung ge
wesen sind.
Wir hoffen, daß es gelingen wird, das Recht zur Führung des Titels eines Diplomingenieurs allen denjenigen zu gewähren^
welche die Diplomprüfung oder erste Staatsprüfung nach bisherigen oder künftigen Vorschriften bestanden haben, und soll es uns freuen,
alsdann auch jetzige Mitglieder des Vereins für Baukunde als Doktoringenieure begrüßen zu können.
Wie bisher, so werden wir auch ferner bemüht sein, im Interesse der notwendigen Verbindung von Theorie und Praxis, von
Wissenschaft und Leben die guten persönlichen und sachlichen Beziehungen zum Verein für Baukunde zu pflegen und zu fördern, über
zeugt, dabei jederzeit auf das Entgegenkommen und die kräftige Mitwirkung des Vereins rechnen zu können.
Mit ausgezeichneter Hochachtung
Rektor und Senat der Technischen Hochschule
(gez.) Weyrauch.
H'rolokoü der 7. ordentlichen Wersammlung
am 31. März 1900.
Vorsitzender: Mayer. Schriftführer: Hofacker.
Anwesend: 31 Mitglieder und 1 Gast.
Der Vorsitzende verweist auf verschiedene Einläufe, nämlich aus
ein Schreiben von v. Schlierholz, betr. die Stadterweiterung von
Stuttgart und auf eine vom Magistrat von Dortmund übersandte Denk
schrift über „DieHafenanlagen von Dortmund", und teilt weiter mit, daß
die Regierungsbaumeister Riegel und Lörcher als Mitglieder aufge
nommen worden sind und daß von Stadtbaumeister Braun in Ulm
ein Vortrag über die Stadterweiterung von Ulm angemeldet worden
ist. Hierauf berichtet Architekt Lambert, in Firma Lambert
und Stahl über eine Studienreise in Schlesien, zu welcher
der ehrenvolle Auftrag, für das Sammelwerk der Kunst- und
Altettumsdenkmale Schlesiens, das unter Leitung des Provinzial-
Konservators herausgegeben wird, Aufnahmen zu liefern, Veran
lassung gab. (Wie Redner ausführte, sind in Schlesien die
Zeugen früherer Kunstperioden nicht mehr sehr zahlreich vertreten.
Vieles ist der modernen Entwicklung der Städte und dem vielfach
sich zeigenden geringen Verständnis für den Wert dieser Denkmale
zum Opfer gefallen. Die lebhaften Schilderungen landwirtschaftlicher
Schönheiten, interessanter Städtebilder und einzelner hervorragender
und charakteristischer Baudenkmale erfolgten an Hand einer reichen
Sammlung künstlerisch ausgeführter Skizzen und flott gemalter,
stimmungsvoller Aquarelle, die umsomehr das Interesse der Anwesen
den fesselten, als eine große Zahl der dargestellten Denkmale bis
jetzt in kunstgeschichtlichen Architekturwerken nicht veröffentlicht worden
waren.) Der Vorsitzende spricht dem Redner den Dank des Vereins
für diese Mitteilungen aus.
Es folgt nun eine Besprechung über die Kundgebung des
Vereins inSachen der Stadterweiterung von Stuttgart,
welche von einer Kommission, (vergl. das Prot, der 6. ordentl. Vers,
in Heft 3 dss. Jhrggs.) beraten und von den Mitgliedern Frey
und Hofacker verfaßt worden ist. Die Berichterstattung erfolgt
durch Frey. Leibbrand hält es für angezeigt, daß der Verein
mit der Kundgebung so lange warten solle, bis Sladtbaurat Kölle
sich noch zur Sache geäußert habe. Der Vorsitzende stellt jedoch
fest, daß die Behandlung der Stadtbauplansache int Verein in Ab
wesenheit des Stadtbaurates Kölle ganz dessen eigenen Wünschen
entspreche; in der letzten Versammlung haben sich ja auch die Mit
glieder ganz gegen die Rettich'sche Schrift ausgesprochen.
Da ein Punkt der Kundgebung, nämlich die Begutachtung des
Stadtbauplans, vom künstlerischen Standpunkt aus schon seine Er
ledigung gefunden habe, indem seitens der Stadt, eine Kommission
hiezu ernannt worden ist, bei der die Mitglieder Eisenlohr und
Reinhardt vertreten sind, und da die Stadtverwaltung sich neuer
dings nicht mehr auf den seitherigen extremen Standpunkt zu stellen
scheint, so hält es der Vorsitzende für angezeigt, zuerst darüber ent
scheiden zu lassen, ob mit der Abgabe der Kundgebung gewartet
werden soll, bis das Ergebnis der Begutachtung vom künstlerischen
Standpunkt aus bekannt ist.
Demgegenüber wird geltend gemacht, man sollte nicht mehr
zurückhalten, da ja der Gedanke einer künstlerischen Begutachtung
des Kölle'schen Entwurfs vom Verein ausgegangen und nur vom
Stadtvorstand rasch aufgenommen worden sei; die sofortige Erledigung
der Sache sei erwünscht. Neuffer betont, daß, nachdem der Verein
die Angelegenheit aufgegriffen habe, er dieselbe auch zu einem Ende
führen müsse. Die Kundgebung sei das geeignete Mittel, die An
schauung des Vereins in seiner Mehrheit zum Ausdruck zu bringen.
Kölle habe sich in seiner Entgegnung im „Neuen Tageblatt" in
glänzender Weise verteidigt, und seinen Standpunkt gewahrt; für den
Verein bleibe nur die Stellungnahme zur Rettich'schen Schrift übrig
und diese sei in der Kundgebung genügend zum Ausdruck gekommen.
Die letztere solle, nachdem sie von der Kommission nochmals durch
gearbeitet worden, alsbald abgehen.
Nachdem durch Abstimmung das Einverständnis der Versamm
lung mit diesem Vorschlag festgestellt worden war, wird in die Er
örterung der einzelnen Punkte der Kundgebung eingetreten. An der
selben beteiligen sich Laistner, Mayer, Frey, Leibbrand^
Walter, Schmid, Gustav Halmhuber, Findeisen, Pantle,
Feil und v. Euting. Das Ergebnis der Beratung ist folgendes:
Kundgebung betreffend die Stadterweiteruug von Stuttgart.
„Der württ. Verein für Baukunde hat in seiner am Samstag
den 17. März d. I. abgehaltenen ordentlichen Versammlung das
Projekt der Stuttgarter Stadterweiterung in Erörterung gezogen.
Auf Grund dieser Erörterung stellt er zunächst fest, daß der
Kölle'sche generelle Plan für die Stadterweiterung in seiner Gesamt
anlage eine Beanstandung von keiner Seite erfahren hat; die gegen
denselben, namentlich in der Rettich'schen Schrift, erhobenen Ein-