Westfassade sich etwas reicher entfaltet und in der Steinpyramide des
Hauptturmes eigenartig ausklingt. Letzterer ist durch seinen Vor
sprung über die Bauflucht auch im Straßenbild der Hölderlinstraße,
wenn man ihn vom Herdweg kommend betrachtet, von bester Wirkung.
Besondere Studien erforderte der Abschluß des westlichen Vor
platzes gegen das kleine aber in schrägem Winkel gegen die West
front weit vorspringende Nachbargebäude. Er erfolgte durch eine
mit der Architektur dieser Westfassade übereinstimmende architektonische
Coulisse, wodurch diesem kleinen Platz etwas von der wohlthuenden
Ruhe der von Kreuzgängen umgebenen Vorhöfe altchristlicher Kirchen
verliehen wird, ein Eindruck, der sich mit der Entwicklung der Vege
tation dieses Vorplatzes noch steigern wird.
Entsprechend ihrer Bedeutung ist auf die Ausbildung von Kanzel,
Altar und Taufstein besondere Sorgfalt verwendet worden; ebenso
ist die Architektur des Orgelprospekts der Umgebung mit Bedacht an
gepaßt.
Noch dürfte erwähnt werden, daß die Kirche durch Gas nach
dem neuesten System geheizt wird.
Mit der Ausführung des Baus wurde im Spätherbst 1896
begonnen. Der speziellen Bauleitung ist Werkmeister Klingler von
Anfang an mit großem Verständnis vorgestanden. Die Ausführung
der Maurer- und Steinhauerarbeiten lag in den bewährten Händen von
Hofwerkmeister Krauß. Die sämtlichen Bildhanerarbeiten sind von
der Firma Er fort und Wüst in mustergültiger Weise ausgeführt.
Dieselben Meister haben auch Altar, Kanzel und Taufstein in voll
endeter Weise erstellt. Die schönen Verglasungsarbeiten sind durch
den Kunstglaser Dürr in Berg, das gemalte Chorfenster von der
k. Hofglasmalerei Zeitler in München ausgeführt, während die
Bemalung des Innern von Dekorationsmaler Kämmerer hier er
stellt wurde. Die Orgel ist samt dem Prospekt von der bewährten
Orgelbauanstalt Walker in Ludwigsburg, und die Glocken von dem
Gußstahlwerk Bochum geliefert.
Einem aufstrebenden Stadtteil Stuttgarts, so äußert sich das
„Christliche Kunstblatt", ist durch diesen Bau sein kirchlicher Mittel
punkt gegeben worden; es ist damit zugleich ein Kirchengebäude
entstanden, das bei voller Wahrung der Schönheit und kirchlichen
Würde des Stils in vorbildlicher Weise den Forderungen einer
Predigt- und Gemeindekirche entspricht. Die Hauptaufgabe des
Architekten, die Raumdisposition, hat der Erbauer dieser Kirche
in völlig moderner, selbständiger Weise erfaßt, aber als das ge
eignetste Hilfsmittel, als Kleid für diesen Baugedanken, hat er die
edetklare Konstruktionsweise des frühgotischen Stiles erkannt. Ganz
ungezwungen gruppiert sich der ganze Zuhörerkreis in dieser Kirche
um die Kanzel, aber Altar und Taufstein kommen nicht zu kurz, und
die Orgel hat ihren richligen Platz als begleitendes Instrument des
Gemeindegesangs. Dieser Altarraum erinnert in gar keiner Weise
an die „Meßkirche", aber er wahrt dem Altar seine besondere Würde
und giebt dem Auge im Altarraum einen zur Andacht stimmenden
Ruhepunkt.
Personalnachrichten.
Die diesjährige zweite Staatsprüfung im Baufach haben die i
nachstehenden Kandidaten bestanden:
im Hochbaufach: Gustav Blohm von Lübeck, Wolfgang |
Brude von Stuttgart, Karl Zaiser von Wildbad.
im Bauingenieurfach: Albert Beringer von Kuchen, Hermann
Gmelin von Rottweil, Otto Höckh von Breitenholz,
Albert Köhler von Alpirsbach, Otto Kommerell
von Tübingen, Johs. Lamparter von Meidelstetten,
Friedr. Probst von Oberscheffach, Robert Scheu ff ele
von Ulm, Karl Sigel von Stuttgart, Karl Wagner
von Sonderbuch.
Dieselben haben di- Bezeichnung „Regierungsbaumeister"
erhalten.
Abteilungsingenieur Bauiuspektor Ernst in Schorndorf ist zum
Eisenbahn-Bauinspektor in Calw befördert worden.
Regierungsbaumeister Blümer beim städt. Hochbauamt in
Stuttgart ist zum Vorstand des neu errichteten städt. Hochbauamts
in Eßlingen mit dem Titel Bauinspektor,
Regierungsbaumeister Hofmann bei der Bahnbausektion
Heilbronn ist zum städtischen Tiefbauinspektor in Heilbronn ernannt
worden.
Stadtbaurat Kölle in Stuttgart ist zum Magistratsrat und
Vorstand des städt. Tiefbauamts in Frankfurt a. M. berufen worden.
(Wir beglückwünschen den Herrn Stadtbaurat von Herzen zu diesem
sehr ehrenvollen Ruf in eine Großstadt, deren Vertreter seine Fähig
keiten wertzuschätzen wissen. Die Genugthuung, daß sein Weggang
von hier aufs lebhafteste bedauert wird, ist ihm bereits in reichlichem
Maße zu teil geworden. Auch wir bedauern es aufrichtig, daß be
sondere Umstände den Verlust des verdienten Ingenieurs veranlaßt
haben. Nicht minder ist unS leid, daß der verehrte Kollege aus
unserer Mitte scheidet.
Mögen sich die Vertreter der Stadt Stuttgart darüber klar
sein, daß es nicht leicht sein wird, einen vollwertigen Ersatz zu be
kommen, insolange nicht bei ihnen die Anschauung durchgedrungen
ist, daß die Stelle eines technischen besoldeten Gemeinderats ebenso
notwendig und wichtig ist, wie die eines rechtskundigen.)
Derausgegeben vom Württemb. Verein für Dautmnde. Für denselben: Dauinspektor Neihling. — Druck von Alfred Müller Sc Vo. — Vertag von L. Wei se"s
Hofbuchliandlung. sämtlich in Stuttgart.