— 31
Am Sonntag, den 6. Mai versammelte sich eine große Zahl
von Mitgliedern in der tierärztlichen Hochschule, um die dortigen
Neubauten in Augenschein zu nehmen. Sie wurden von Professor
Hoffmann empfangen und geführt. Neben den auf das Reinlichste
und Zweckmäßigste angelegten Stallungen erregten die in der Dunkel
kammer für die Augenuntersuchung vorgezeigten Apparate, sowie die
im Operationssaal ani Operationstisch mit einem Pferd vorgeführten
Demonstrationen ungeteiltes Interesse. Eine Besichtigung der Lehr
sammlungen beschloß den hochinteressanten Rundgang. — An diese
Besichtigung reihte sich noch ein Besuch der nahegelegenen Bürger
halle der Aktienbrauerei Wulle an, beNvelchem die Architeken Schmohl
und Stähelin, sowie die beiden Direktoren Feldmüller und
Wulle die Führung übernahmen.
[Pom Maulbronner Kloster.
Am Sonntag, den 17. Juni führte der Verein unter zahlreicher
Beteiligung einen Familienausflug nach Maulbronn zur Besichtigung
des dortigen Klosters aus. Veranlassung zu demselben gab ein von
Baurat Beger am 2. Juni gehaltener Vortrag über die seit 1892
am Kloster vorgenommenen Erncuerungsarbeiten. Indem wir die
Anlage des Klosters und seine hervorragenden Kunstbauten als be
kannt voraussetzen, entnehmen wir jenem seiner Form und seinem
Inhalt nach gleich gediegenen Vortrag folgende Mitteilungen.
Der in der Nacht vom 19./20. Januar 1892, eingetretene
Brand des Pfründnerhauses, durch welchen der engere Klosterkomplex
von ernster Feuersgefahr bedroht war, veranlaßte die k. Finanz
verwaltung, sich mit der Frage zu befassen, welche Maßregeln zur
Verminderung der Feuersgefahr bezw. zur Verhütung einer weiteren
Verbreitung eines Brandes zu ergreifen seien. Es fehlte damals
nicht an Stimmen, welche der gänzlichen Befreiung der Klostergebäude
von den profanen Wohngebäuden das Wort redeten, allein in Ueber
einstimmung mit dem Württembergischen Altertumsverein und dem
Verein für Baukunde, der in seiner Versammlung vom 12. März 1892
sich eingehend mit der Frage befaßt hatte, wurde von solch weit
gehenden Maßnahmen abgesehen und als erste und wirksamste Maß
regel zur Verminderung der Feuersgefahr eine neue Hochdruckwasser
leitung angelegt und zur Beseitigung der alten Erdölbeleuchtung das
elektrische Licht in den Räumen des Seminars ausgeführt; außerdem
wurden verschiedene alte und geschleifte Kamine durch neue ersetzt,
zahlreiche Brandmauern eingezogen und die Dachböden durch Auf
bringung eines Estrichs gegen Feuersgefahr geschützt.
Neben diesen äußerlich wenig erkennbaren Maßregeln zur Feuer
sicherheit kamen in den letzten Jahren eine Reihe baulicher Verände
rungen an den Klostergebäuden zur Ausführung, welche neben dem
Zwecke der Erhaltung des Klosters zugleich auf die Befreiung seiner
äußeren Erscheinung von fremden Zuthaten gerichtet waren, um dem
selben seinen ursprünglichen und einheitlichen Charakter zurückzugeben.
An den aus spätgotischer Zeit stammenden Giebelbau der
„Winterkirche" stieß weit in den Klosterhof ausladend ein neuzeitlicher
weißgetünchter Fachwerksbau, die Seminarküche und den Speisesaal
nebst Professorswohnung enthaltend. Derselbe verdeckte gerade den
alten, in streng romanischen Formen gehaltenen Teil der Klosterfront,
das Laienrefektorium. Auch auf letzterem ruhte seil dem ersten Drittel
des 19. Jahrhundert ein mehrstöckiger häßlicher Aufbau, in dem bis
1891 das Kgl. Oberamtsgericht sich befand. An Stelle der zwischen
den beiden Refektorien gelegenen alten gewölbten Klosterküche, in der
Faust sein Unwesen getrieben haben soll, standen ein gewöhnlicher
Schuppen und verschiedene Nebengebäude. Ueber dem neben dem
Herrenrcfektorium gelegenen Kalefaktorium (Wärmstube) erhob sich
als weitere fremde Zuthat ein nahezu baufälliger Fachwerksaufbau
mit Famuluswohnung. Neben der Beseitigung dieser meist aus Holz
bauten bestehenden Zuthaten galt es, die wachsenden Bedürfnisse des
Klosters ins Auge zu fassen und trotzdem ein einheitliches Bild der
Klostcranlage zu schaffen, das beim Betreten des Klosterhofes die
wundervolle vordere Klosterschauseite in ihrer früheren Ausdehnung
unverkürzt vor Augen führt.
Im Jahr 1895 wurde, nachdem zuvor für die wegfallenden
Wohnräume entsprechender Ersatz geschaffen war, mit dem Abbruche
des hölzernen Aufbaues auf dem Kalefaktorium begonnen und über
der Brunnenkapelle im Kreuzgarten ein Aufbau zu einem Hörsale
errichtet. Ueber dem Laienrefektorium wurde sodann an Stelle des
alten hölzernen Aufbaues ein neuer steinerner Stockaufbau ausgeführt
und die Seminarküche mit dem Speisesaal auf dem Platze der alten
Klosterküche errichtet. Besondere Schwierigkeiten machte die Verlegung
der Haupttreppe zum Seminar und zur Winterkirche. Dieselbe ließ
sich ohne einen Vorbau vor der westlichen Klosterfassade nur dadurch
erreichen, daß sie in den gotischen Giebelbau selbst hineingelegt
wurde.
Mit einer Einzelschilderung der Anlage dieses Treppenhauses,
der neuen Küche und des Speisesaales, sowie mit einer Darlegung
über die früher übliche Behandlung der Mauersteinflächen, sogenannter
„Klosterhieb", schloß Baurat Beger, nach dessen Entwürfen und
unter dessen Leitung sämtliche Restaurationsarbeiten zur Ausführung
gelangten, seinen interessanten, mit großem Beifall aufgenommenen
Vortrag.
Bei der Besichtigung des Klosters hatte der Verein Gelegenheit,
sich von der Zweckmäßigkeit und der vortrefflichen Wirkung jener
Erneuerungsarbeiten zu überzeugen. Hiebei nahm Prof. Lauser
von Stuttgart Veranlassung, den Teilnehmern an der Kirchenvorhalle,
dem sog. „Paradies", eine neue Art der Maßbestimmung für
■ die Größen- und Formverhältnisse antiker und mittelalterlicher Bauten
unter Anwendung von Schnüren vorzuführen und darzulegen, daß
diese Verhältnisse wahrscheinlich nicht auf willkürlicher Annahme,
sondern auf bestimmten geometrischen Gesetzen bernhen.
Mit einem im Kreuzgange eingenommenen gemütlichen Imbiß,
bei dem der als Gast anwesende Sänger Brodersen die Versamm
lung durch den Vortrag dreier Lieder im Herrenrefektorum entzückte,
schloß der nach jeder Richtung gelungene Ausflug.
Elektrische Ieuerlelegraphie.
Vortrag, gehalten in der 5. ordentlichen Versammlung, von Ingenieur Emil Fein in Stuttgart.
Die bedeutenden Fortschritte im Gebiete der Elektrotechnik und
insbesondere in demjenigen des elektrischen Signal- und Verkehrswesens
haben auch zu einer wesentlichen Ausbildung und Vervollkommnung
derjenigen elektrischen Einrichtungen geführt, welche dem Interesse
der Feuersicherheit dienen. Dieselben beziehen sich nicht nur auf
Verbesserungen älterer Apparate-Konstruktionen, sondern vielfach auch
auf die Herstellung von neuen Apparaten und Einrichtungen, unter
welchen sich unter Hinzuziehung der in der Starkstromtechnik
gemachten Erfahrungen die neueren Stromquellen,
Dynamomaschinen und Akkumulatoren befinden. Die Statistik
hat bewiesen, daß durch diese Feuertelegrapheu-Eiurichtungen und die
damit in Verbindung stehenden Verbesserungen der Feuerwehr-Organi
sationen die Anzahl der größeren Schadenfeuer ganz erheblich ver
mindert wurde. Zu erwähnen ist, daß selbstverständlich die massive
Bauart und überhaupt die sonstigen baupolizeilichen Vorschriften
wesentlich zu diesem Fortschritt beigetragen haben.
Was nun die Feuertelegrapheu-Eiurichtungen selbst betrifft,
so muß ich mich darauf beschränken, nur auf diejenigen meiner