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Monatsschrift des Württemhg. Vereins für Backende in Stuttgart.
Nr. 3
und öffentliche Gebäude allgemein üblich war. Ebenso ist
eine Vertäfelung der Wände in einer Höhe bis zu etwa 2 m,
vom Fussboden an gerechnet, vorauszusetzen. Eine solche
Vertäfelung ist auch in dem 1003 erbauten Festsaale des
französischen Königspalastes in Paris bezeugt. Da, wo sie
aufhörte, war die Wandfläche verputzt und mit Malereien ge
schmückt. Ueber diese Malereien sind wir freilich schlecht
unterrichtet, da kein gleichzeitiger Schriftsteller darüber berichtet.
Nur in der falschen Chronik des 'Purpin, im zweiten Teil, den
der Mönch von St. Andreas in Vienne 1109—1119 schrieb,
wird erzählt, Karl habe den Palast mit den Darstellungen der
sieben freien Künste, mit den Kämpfen in Spanien, der Be
lagerung vieler Städte und den Thaten der fränkischen Krieger
geschmückt. Nach den Untersuchungen Janitscheks gehört
dieser Bilderkreis der Zeit Ludwigs des Frommen an. Auch
in Ingelheim befanden sich ähnliche Darstellungen, und zwar
dort insbesondere die Sachsenkriege.
Unmittelbar über dem Saal erhob sich das Dach des Ge
bäudes. Es war nach italienischer Art ziemlich flach und die
Abdeckung höchst wahrscheinlich in Bleischindeln hergestellt,
wie solche auch an der Pfalzkapelle angewandt waren. Wir
sind genötigt, das Dach als an den Schmalseiten abgewalmt
anzunehmen. Denn da die Grösse des westlichen Anbaues
nicht erlaubte, die diesen mit dem Festsaale verbindende. Oeff-
nung, mit einem Bogen zu überspannen, so konnte auch keine
Figur 3. Rathaus zu Aachen (aus dem Skizzenbuch Albrecht Dürers).
das Dach abschliessende Giebelmauer aufgeführt werden. Auf
den Walmspitzen werden sich vergoldete Bleikugeln oder
„Aepfel“ befunden haben, wie ein solcher auch auf der Dach
spitze der Pfalzkapelle aufgesetzt war. Wenn in dem Lobge
dichte Angilberts von tholi celsi auf dem Dache des Reichssaales
die Rede ist, so sind darunter wohl nicht Kuppeln, sondern
Seitentürme zu verstehen, die kuppelartig bedacht sein mochten
Das Aeussere des Baues war jedenfalls höchst einfach, die
Fenster- und Thürgerüste bestanden aus HausLin, ebenso das
abschliessende Kranzgesims, alles andere aus Bruchstein. Die
inneren Deckengesimse lagen construktionsgemäss mit den
äusseren Abschlussgesimsen auf gleicher Höhe.
Ueber die an den Saalbau östlich sich anlehnenden Wohn-
gelasse des Kaisers ist man nicht genau unterrichtet; doch
dürfte der im Mittelalter mit dem Namen „Aula“ bezeichnete
Ort damit gleichbedeutend sein. Diese Bezeichnung setzt einen
in dem Gebäudekomplex befindlichen Saal voraus, der jedenfalls
noch aus der Zeit Karls des Grossen herrührte. Ueber die
innere Einrichtung dieses Saales ist eine Stelle wichtig, welche
in dem von Einhard mitgeteilten Testamente Karls vorkommt.
Wir lesen darin von drei silbernen Tischen und einem goldenen,
die Einhard folgendermassen beschreibt: „Er beschloss und
verordnete, dass davon einer, der eine viereckige Gestalt hatte
und auf welchem der Plan der Stadt Constantinopel gezeichnet
war, mit den übrigen dazu bestimmten Geschenken nach Rom
in die Kirche des Apostels Petrus überbracht werden sollte;
den zweiten, der mit dem Bilde der Stadt Rom geschmückt
war, bestimmte er für die bischöfliche Kirche in Ravenna; den
dritten, welcher die anderen sowohl an Schönheit der Arbeit als
an Schwere des Gewichtes weit übertraf (er bestand aus drei
mit einander verbundenen Kreisen und enthielt eine Darstellung
der ganzen Welt in kleinen und feinen Bildern), wurde wie der
goldene Tisch den Erben und Armen zugetheilt.“
Noch in den Stadtrechnungen des vierzehnten Jahrhunderts
wird die Aula öfter genannt; sie hatte zwei Türme und wird
in den Jahren 1334 und 1346 ausgebessert. Gegen Ende des
Jahrhunderts kommt dann anstatt „Aula“ die deutsche Bezeich
nung der „Saal“ in Gebrauch. Die Verbindung zwischen Aula
und Reichssaal bildete, wie schon erwähnt, ein Thorbau, der
sich neben dem jetzigen Granusturm befand. Dieses Thor hiess
die Ports regia, seine Grundmauern hat man im Jahre 1879
aufgefunden.
Der Thorbogen zog sich hinter dem Granusturm, auf
den Markt zu sich erweiternd, auf der ganzen Breite des
Reichssaales durch, und über ihm hat man sich einen Ver
bindungsgang vom Reichssaal in den Palast zu denken. Der
Granusturm selbst, den man früher auch für karolingisch hielt,
ist in der Hauptsache ein Werk des dreizehnten Jahrhunderts;
jedoch scheint seine hintere Mauer älter zu sein, da sich in
beträchtlicher Höhe noch der karolingische Mauerverband zeigt.
Zwischen Festsaal und Palastkapelle dehnte sich, wie
jetzt noch, ein freier Platz aus, im Mittelalter Katschhof ge
nannt, und hier standen zu Karls Zeiten beiderseits eine ganze
Reihe von Gebäulichkeiten: eine Schule, Bücherei, Wohnungen
für die Geistlichen, zwei Archive und Verwaltungsgebäude aller
Art. Gegen Nordwesten schloss sich an die Pfalzkapelle das
Hl. Geistspital an, welches schon Ludwig der Fromme errichtet
hatte; daneben, mit der Kirche in Verbindung, stand das
Sekretarium oder der Cociliensaal, dessen Grundmauern man
im Jahre 1866 neben der Karlskapelle ausgegraben hat. Von
ganz besonderem Interesse ist aber der Gang, welcher von der
Vorhalle des Münsters bis fast zur südwestlichen Ecke des
Reichssaales führt. Dieser gewölbte Gang hat eine Länge von
113 m und eine lichte Weite von 4,70 m und ist unten bei
der Kirche 5 m, oben am Ende noch 2,50 m hoch. Der
untere Teil dieses Ganges heisst der alte Kapitelsaal, der obere
war ohne Zweifel ein Verbindungsgang von den Wohnungen
der Geistlichen zum Münster. Diese Wohnungen lagen an der
Stelle des jetzigen Kreuzganges.
Eine Beschreibung der Pfalzkapelle zu geben ist hier nicht
am Ort, wir beschränken uns, darauf festzustellen, dass schon
im Jahr 1843, anlässlich der Nachgrabungen nach dem Grabe
Karls des Grossen, die Grundmauern des karolingischen Thors
aufgefunden wurden. Dagegen hat man an der Westseite des
Münsters erst im Jahre 1878 die Grundmauern des Atriums
aufgedeckt, welches zu karolingischer Zeit sich hier befunden
hat. Dieses Atrium war ein länglicher Raum von 40,60 m
Länge und 17,40 m Breite mit einer besonderen Vorhalle und
zwei Kapellenreihen. Am Eingang befand sich die Taufkapelle,
und an diese schlossen sich jederseits noch fünf Kapellen an,
von denen die der hl. Katharina, St. Quirin, dem hl. Georg,
Servatius, Martin und Antonius und der hl. Barbara geweihten
genannt werden. In dem Vorhof befand sich ein Brunnen, zu
dem der bronzene Löwe oder Wolf und der Pinienzapfen ge
hört haben sollen, welche jetzt am Haupteingang aufgestellt
sind. Später wurde an dieser Stelle ein Kirchhof angelegt. Noch
zu Anfang dieses Jahrhunderts befand sich am Eingang dieses
Vorhofs ein prächtiges Doppelportal, von welchem Bock in
seinen rheinländischen Baudenkmälern Band III eine Abbildung
gibt. Gewöhnlich nimmt man auch an, das Reiterstandbild
Theuderichs habe hier gestanden. Walafried Strabo, der Reicben-
auer Mönch, war Augenzeuge, als an einem Frühlingstage 829
Ludwig der Fromme mit seiner Gemahlin Judith, seinen Söhnen
Lothar, Ludwig und Karl und dem ganzen Hofstaat im feier
lichen Zuge aus der Thorhalle hervortrat und an diesem Denk
male, das an einem öffentlichen, am Palast vorüberführenden
Wege stand, vorüberkam. Bock nimmt an,, dass dieser Ort auf
dem heutigen Klosterplatz zu suchen ist.
Man hat noch aus der Zeit von 1520 eine Silberstift
zeichnung von Albrecht Dürer mit der Unterschrift „zu Ach
das Münster“, welche der berühmte Maler von einem Fenster
des Ratssaales aus fertigte. Hier sieht man rechts ein langes
Magazinsgebäude und dahinter die Gebäulichkeiten, welche den
heutigen Kreuzgang um Schliessen. Vor dem Münster liegt eine