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Monatsschrift des WCrttkmbg. Vereins für Baukcndk in Stuttgart.
Nr. 3
gebäuden vorzustellen, die den freien Mittelpunkt des Atriums
im Kreis umgaben, ihre Zahl muss ziemlich hoch angesetzt
werden, wenn man sich die Menge von Gästen und Beamten
vergegenwärtigt, die während der grossen Synoden unter Ludwig
dem Frommen hier anwesend waren, und die trotz der scharfen
Ordnung, die für den Aufenthalt in der Pfalz bestand, doch viel
Raum beanspruchten. Wie damals allgemein üblich, werden
diese Räume in erster Linie aus Holz bestanden haben, nur für
die kaiserlichen und fürstlichen Wohn- und Schlafräume mochte
Stein zum mindesten für das Untergeschoss gewählt sein. Dass
selbst in Aachen der Oberstock der aula regia, der königlichen
Privatwohnung aus Holz bestand, beweist das beständige Krachen
des Gebälks in den Gemächern, das Einhard als Vorzeichen von
Karls-Tode fasste.
Noch müssen wir aber einiger Funde gedenken, die auf
den Grundstücken des ehemal. Palastes gemacht worden sind ;
das sind, neben den schön angeführten Kapitalen, eine ganze
Reihe von Werkstücken, zumeist aus grauem Sandstein, welche
ihren karolingischen Ursprung durch ihre Profilierung und Orna-
mentierung zu erkennen geben, darunter befindet sich auch das
Bruchstück eines Reliefs, welches ganz in römischer Weise
einen Jüngling darstellt, der mit der Rechten ein Ross beim
Zügel hält. Interessant ist eine zu Oberingelheim gefundene
Reliefplatte, welche in ganz altertümlichem, beinahe an assyrische
Figur 9. Details von der sogen. Barbarossa-Kapelle in Nymwegen.
Muster erinnerndem Stil hintereinander schreitende geflügelte
Rosse darstellt, umgeben von einer Einfassung von Weinlaub- j
ge winden mit Trauben (s. Figur 5). Es erinnern diese Figuren
an die Stückarbeiten zu St. Peter in Cividale und die karo
lingischen Skulpturen im Turm von St. Germain d’Auxerre.
Die dritte Pfalz Karls des Grossen Nymwegen' liegt auf
der letzten Erhebung des hügeligen Uferrandes, der den Rhein auf
seiner linken Seite in grösserer oder geringerer Entfernung begleitet.
Der aufragende Hügel, weithin sichtbar, für den vom Meere
Kommenden der erste Höhepunkt, war wie dazu geschaffen,
als Grenzmark und Wächterin der Rheinmündung, als Trutz
burg gegen die heidnischen Nordvölker, zu dienen. Dieser j
strategisch bedeutsame Punkt zog naturgemäss seit Urzeiten
die Fürsten der umwohnenden Völkerstämme an, seine Besied
lung schon in keltischer Zeit deutet der Name Noviomagum an.
Vielfache Funde römischer Altertümer machen die Besetzung
des Platzes durch die Römer zur Gewissheit. Die Franken, in
die Fussstapfen der Römer' tretend, konnten selbstverständlich
auch diesen Punkt als befestigten Platz nicht entbehren; aber
erst durch Karl d. Gr. erhielt Nym wegen erhöhte Bedeutung I
durch die grossartigen Neubauten, die der Herrscher hier auf
führen liess und die teilweise jetzt noch stehen. Schon 777
wird der Palast erwähnt; ein Einfall der Normannen, 100 Jahre
später, hat den Bau nicht zerstört. Vielen der späteren Kaiser
hat dann die Reichsburg zur Wohnung gedient. Kaiser Friedrich
Barbarossa, der in hoher Verehrung Karls dessen Seligsprechung
veranlasste, der die Pfalzkapelle in Aachen mit dem heute noch
vorhandenen Kronleuchter schmückte, hat gleich in den ersten
Jahren seiner Regierung auch seines grossen Vorgängers und
Vorbildes Pfalz zu Nymwegen wieder herstellen lassen. Fried
richs 11., Sohn Heinrich VI., der weitschauende Denker der
Kaiseridee, ist in der Pfalz zu Nymwegen geboren. Aber noch
bevor der letzte Hohenstaufe dahinsank, wurde 1247 die alte
Reichsburg durch Wilhelm von Holland, den Gegenkönig Fried
richs II., an den Grafen Otto von Geldern verpfändet. Zuletzt
den Burggrafen von Nymwegen zur Wohnung dienend, blieb
die Reichspfalz noch bis gegen das Ende des vorigen Jahr
hunderts erhalten. Da wurde Nymwegen 1794 von den
Franzosen beschossen. Auch der Palast erlitt dabei einigen
Schaden. Wohl wäre die Herstellung auch diesmal möglich
gewesen. Aber die jüngst nach französischem Muster einge
richtete batavische Republik hatte für ehrwürdige Geschichts
denkmäler alter Kaiserzeit kein Interesse, ja man missgönnte
der Stadt dieses Ehrendenkmal ihres alten Vorrangs und trotz
heldenmütigen Widerstands der Stadtbehörde wurde der Be
Schluss gefasst, die alte Pfalz Karl d. Gr. und Barbarossas für
den Preis von 90400 fl. auf Abbruch zu verkaufen. So ist
dies ehrwürdige tausendjährige Denkmal, mitten im Frieden
damals durch rohe Gewalt zerstört worden. Zwei Bauten, eine
Kapelle durch Karl den Grossen und eine Rundhalle durch
Figur 10. Nymwegen, Schlosshof mit dem Hauptgebäude
und Riesenthurm.
Barbarossa errichtet, wurden dank den Bemühungen des Nym- .|
wegener Altertumsfreunds In de Betouw vor der Schleifung
bewahrt und haben sich bis heute erhalten. Der übrige Platz
wurde geebnet und zu einer Parkanlage hergerichtet.
Die karolingische Kapelle, ein im Innenraum achteckiger, an \
den Aussen wänden sechzehneckiger Zentralbau, galt bis vor Kurzem j
als ein kunstgeschichtliches Rätsel (s. Figur 8). Man wusste nicht
recht, welcher Zeitperiode man das Bauwerk zuweisen solle, da viel- JJ
fache Umbauten und Restaurationen die ursprünglichen Formen ;
verschleiert hatten. Allgemein hielt man daran fest, darin eine
Nachbbildung der Pfalzkapelle in Aachen zu sehen, die aber
erst im II. oder 12. Jahrhundert zur Ausführung kam. Durch
die Bemühungen des Herrn Dr. Konrad Plath, der ein grösseres
Werk über die deutschen Kaiserpfalzen plant, ist es nun ge
lungen, Gewissheit in die Sache zu bringen. Wir haben wirk- :1
lieh ein karolingisches Werk vor uns, aber keine Nachbildung
des karolingischen Oktogons zu Aachen, sondern einen Vor
läufer desselben, und dieses selbst ist dem Nym wegener Bau • |
viel näher stehend als einem der angeblichen italienischen Vor
bilder. Die Ausgrabungen des Jahres 1894 hatten ein sehr
günstiges Resultat. Das Fundament wurde ringsum bis auf
den gewachsenen Boden freigelegt und da zeigte sich nun
überall das ursprüngliche meist aus Tuffsteinen bestehende
Mauerwerk ganz unberührt. Noch mehr Ueberraschungen aber
gaben die Ausgrabungen im Innern; man fand an mehreren
Stellen den sorgfältig angelegten karolingischen Fussboden, der
aus fein geglätteten schwarzen, weissen und roten Thonfliesen, I.
die ein schachbrettartiges Muster bildeten, bestand. Gerade