Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1898-1904)

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Monatsschrift des WCrttkmbg. Vereins für Baukcndk in Stuttgart. 
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gebäuden vorzustellen, die den freien Mittelpunkt des Atriums 
im Kreis umgaben, ihre Zahl muss ziemlich hoch angesetzt 
werden, wenn man sich die Menge von Gästen und Beamten 
vergegenwärtigt, die während der grossen Synoden unter Ludwig 
dem Frommen hier anwesend waren, und die trotz der scharfen 
Ordnung, die für den Aufenthalt in der Pfalz bestand, doch viel 
Raum beanspruchten. Wie damals allgemein üblich, werden 
diese Räume in erster Linie aus Holz bestanden haben, nur für 
die kaiserlichen und fürstlichen Wohn- und Schlafräume mochte 
Stein zum mindesten für das Untergeschoss gewählt sein. Dass 
selbst in Aachen der Oberstock der aula regia, der königlichen 
Privatwohnung aus Holz bestand, beweist das beständige Krachen 
des Gebälks in den Gemächern, das Einhard als Vorzeichen von 
Karls-Tode fasste. 
Noch müssen wir aber einiger Funde gedenken, die auf 
den Grundstücken des ehemal. Palastes gemacht worden sind ; 
das sind, neben den schön angeführten Kapitalen, eine ganze 
Reihe von Werkstücken, zumeist aus grauem Sandstein, welche 
ihren karolingischen Ursprung durch ihre Profilierung und Orna- 
mentierung zu erkennen geben, darunter befindet sich auch das 
Bruchstück eines Reliefs, welches ganz in römischer Weise 
einen Jüngling darstellt, der mit der Rechten ein Ross beim 
Zügel hält. Interessant ist eine zu Oberingelheim gefundene 
Reliefplatte, welche in ganz altertümlichem, beinahe an assyrische 
Figur 9. Details von der sogen. Barbarossa-Kapelle in Nymwegen. 
Muster erinnerndem Stil hintereinander schreitende geflügelte 
Rosse darstellt, umgeben von einer Einfassung von Weinlaub- j 
ge winden mit Trauben (s. Figur 5). Es erinnern diese Figuren 
an die Stückarbeiten zu St. Peter in Cividale und die karo 
lingischen Skulpturen im Turm von St. Germain d’Auxerre. 
Die dritte Pfalz Karls des Grossen Nymwegen' liegt auf 
der letzten Erhebung des hügeligen Uferrandes, der den Rhein auf 
seiner linken Seite in grösserer oder geringerer Entfernung begleitet. 
Der aufragende Hügel, weithin sichtbar, für den vom Meere 
Kommenden der erste Höhepunkt, war wie dazu geschaffen, 
als Grenzmark und Wächterin der Rheinmündung, als Trutz 
burg gegen die heidnischen Nordvölker, zu dienen. Dieser j 
strategisch bedeutsame Punkt zog naturgemäss seit Urzeiten 
die Fürsten der umwohnenden Völkerstämme an, seine Besied 
lung schon in keltischer Zeit deutet der Name Noviomagum an. 
Vielfache Funde römischer Altertümer machen die Besetzung 
des Platzes durch die Römer zur Gewissheit. Die Franken, in 
die Fussstapfen der Römer' tretend, konnten selbstverständlich 
auch diesen Punkt als befestigten Platz nicht entbehren; aber 
erst durch Karl d. Gr. erhielt Nym wegen erhöhte Bedeutung I 
durch die grossartigen Neubauten, die der Herrscher hier auf 
führen liess und die teilweise jetzt noch stehen. Schon 777 
wird der Palast erwähnt; ein Einfall der Normannen, 100 Jahre 
später, hat den Bau nicht zerstört. Vielen der späteren Kaiser 
hat dann die Reichsburg zur Wohnung gedient. Kaiser Friedrich 
Barbarossa, der in hoher Verehrung Karls dessen Seligsprechung 
veranlasste, der die Pfalzkapelle in Aachen mit dem heute noch 
vorhandenen Kronleuchter schmückte, hat gleich in den ersten 
Jahren seiner Regierung auch seines grossen Vorgängers und 
Vorbildes Pfalz zu Nymwegen wieder herstellen lassen. Fried 
richs 11., Sohn Heinrich VI., der weitschauende Denker der 
Kaiseridee, ist in der Pfalz zu Nymwegen geboren. Aber noch 
bevor der letzte Hohenstaufe dahinsank, wurde 1247 die alte 
Reichsburg durch Wilhelm von Holland, den Gegenkönig Fried 
richs II., an den Grafen Otto von Geldern verpfändet. Zuletzt 
den Burggrafen von Nymwegen zur Wohnung dienend, blieb 
die Reichspfalz noch bis gegen das Ende des vorigen Jahr 
hunderts erhalten. Da wurde Nymwegen 1794 von den 
Franzosen beschossen. Auch der Palast erlitt dabei einigen 
Schaden. Wohl wäre die Herstellung auch diesmal möglich 
gewesen. Aber die jüngst nach französischem Muster einge 
richtete batavische Republik hatte für ehrwürdige Geschichts 
denkmäler alter Kaiserzeit kein Interesse, ja man missgönnte 
der Stadt dieses Ehrendenkmal ihres alten Vorrangs und trotz 
heldenmütigen Widerstands der Stadtbehörde wurde der Be 
Schluss gefasst, die alte Pfalz Karl d. Gr. und Barbarossas für 
den Preis von 90400 fl. auf Abbruch zu verkaufen. So ist 
dies ehrwürdige tausendjährige Denkmal, mitten im Frieden 
damals durch rohe Gewalt zerstört worden. Zwei Bauten, eine 
Kapelle durch Karl den Grossen und eine Rundhalle durch 
Figur 10. Nymwegen, Schlosshof mit dem Hauptgebäude 
und Riesenthurm. 
Barbarossa errichtet, wurden dank den Bemühungen des Nym- .| 
wegener Altertumsfreunds In de Betouw vor der Schleifung 
bewahrt und haben sich bis heute erhalten. Der übrige Platz 
wurde geebnet und zu einer Parkanlage hergerichtet. 
Die karolingische Kapelle, ein im Innenraum achteckiger, an \ 
den Aussen wänden sechzehneckiger Zentralbau, galt bis vor Kurzem j 
als ein kunstgeschichtliches Rätsel (s. Figur 8). Man wusste nicht 
recht, welcher Zeitperiode man das Bauwerk zuweisen solle, da viel- JJ 
fache Umbauten und Restaurationen die ursprünglichen Formen ; 
verschleiert hatten. Allgemein hielt man daran fest, darin eine 
Nachbbildung der Pfalzkapelle in Aachen zu sehen, die aber 
erst im II. oder 12. Jahrhundert zur Ausführung kam. Durch 
die Bemühungen des Herrn Dr. Konrad Plath, der ein grösseres 
Werk über die deutschen Kaiserpfalzen plant, ist es nun ge 
lungen, Gewissheit in die Sache zu bringen. Wir haben wirk- :1 
lieh ein karolingisches Werk vor uns, aber keine Nachbildung 
des karolingischen Oktogons zu Aachen, sondern einen Vor 
läufer desselben, und dieses selbst ist dem Nym wegener Bau • | 
viel näher stehend als einem der angeblichen italienischen Vor 
bilder. Die Ausgrabungen des Jahres 1894 hatten ein sehr 
günstiges Resultat. Das Fundament wurde ringsum bis auf 
den gewachsenen Boden freigelegt und da zeigte sich nun 
überall das ursprüngliche meist aus Tuffsteinen bestehende 
Mauerwerk ganz unberührt. Noch mehr Ueberraschungen aber 
gaben die Ausgrabungen im Innern; man fand an mehreren 
Stellen den sorgfältig angelegten karolingischen Fussboden, der 
aus fein geglätteten schwarzen, weissen und roten Thonfliesen, I. 
die ein schachbrettartiges Muster bildeten, bestand. Gerade
	        
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