Nr. 3
Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukünde in Stuttgart
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dem Eingang gegenüber fand sich zwischen den Pfeilern des
Achtecks eine bisher völlig unbekannte Altaranlage, und zwischen
den benachbarten Pfeilerstellungen traten, aus Backstein ge
mauert, Schranken zu Tage, die das innere Achteck von dem
Umgang abschlössen. Weiter zeigte sich, dass ein ganzes
Drittel der ursprünglichen Pfeilerhöhe durch die Aufschüttungen
späterer Zeit verdeckt worden war, die dem Bau jenes plumpe,
unschöne Aussehen gaben, wegen dessen er in der Kunstge
schichte nur gering geschätzt war. Jetzt, nachdem alle Pfeiler
freigelegt sind und wir wieder auf der Höhe des karolingischen
Fussbodens wandeln, kommen alle Verhältnisse zur rechten,
und von dem Künstler gewollten Geltung. Der obere Umgang
des Oktogons zeigt gegenwärtig innerhalb der grossen Rund
bogen, die über den gleichartigen der Unterhalle stehen, je 2
kleine Rundbogen, von denen die äusseren Ansätze auf dem
Gesims des Hauptbogens, die inneren vereint auf einer Säule
mit Würfelkapitäl und attischer Basis ruhen. Die meisten
früheren Forscher hatten sich für die Ursprünglichkeit dieser
kleineren Bogen nebst der Säule ausgesprochen und darauf
auch die Zeitstellung berechnet. Nun zeigte sich aber, dass
bis zu einer gewissen Tiefe das Mauerwerk unterhalb der
Säulen zwischen den Pfeilern der Hauptbogen später eingesetzt
worden war, somit können auch die Säulen und die darauf
ruhenden Bogen nicht die ursprünglichen sein, und wir müssen
annehmen, dass auch hier, analog der unteren Halle, freie
Bogenöffnungen, wenngleich von bedeutenderer Höhe, vor
handen waren.
Ausser dieser Kapelle ist aber noch ein weiteres Bauwerk
auf dem Valkhof, wie man die Burgstätte zu nennen pflegt,
den Zerstörungen entgangen. Es ist das eine Art romanischer
Kapellen-Absis, eine Rundhalle, die Kaiser Friedrich Barbarossa
erbaute (s. Figur 9). Einen Halbrund bildend, schloss sie
sich ehemals durch einen rechteckigen Vorbau an ein älteres, lang
gestrecktes Palastgebäude an, von dem wenigstens einige Spuren
die Schleifung der Pfalz überdauert haben. Malerisch von den
Bäumen des Parks umschattet, bildet sie heute eine der schönsten
Ruinen, die mannigfach an die herrlichen Reste der Klosterkirche
zu Heisterbach erinnern. Unter dem Gesims, das früher das
Dach trug, wird das Obergeschoss von kleinen Halbbogen um
säumt, von denen jeder fünfte auf einer schlanken Halbsäule
mit kunstvollem Knauf und Fuss ruht, während die übrigen
durch kleinere Tragsteine gestützt werden. Zwischen den
• Säulen ist jedesmal ein Rundbogenfenster angebracht, das eine
kräftig profilierte Umrahmung zeigt. Das Untergeschoss ist
durch Wandpfeiler, die mit den Halbsäulen des Obergeschosses
korrespondieren, belebt, und ganz unten sind noch 3 Licht
öffnungen angebracht, welche den jetzt grösstenteils verschütteten
unteren Raum erhellen. Das Innere der Halle wird durch eine
weite Halbkuppel überwölbt, deren Bogen auf einem weiss
marmornen Säulenpaar von seltener Schönheit ruht. Erhalten
sind auch noch die Wände des Zwischenbaus, der die Rund
halle mit dem grossen Quergebäude der Pfalz verband, auf
beiden Seiten sind 3 Rundbogennischen, die durch Säulen mit
Würfelkapitellen getrennt sind. Diesen Bau für eine Kapelle zu
halten, wie man früher annahm, ist nach den neuesten Forsch
ungen unthunlich; es ist nichts als der Raum für die Kathedra
des grossen Reichssaals, der sich hier anschloss.
Glücklicherweise sind noch alte Abbildungen und ein
Grundriss erhalten, welch’ letzterer erst in neuester Zeit im
Archiv zu Arnheim aufgefunden worden ist und der uns die
ganze Pfalz, wie sie noch im Jahre 1725 im Wesen stand, er
kennen lässt. Die Mitte des Palastes nimmt ein gewaltiger
Turm ein, der Riesenturm, den die übrigen selbst mehrere Ge
schosse hohen Gebäude in verschiedenen Richtungen umgeben.
An der südwestlichen Ecke, dem Verkehr der westlich gelegenen
Stadt am nächsten, finden wir den Eingang zur Burg, durch
einen staattlichen Thorturm geschützt, neben dem das Pförtner-
haus an die Ringmauer gebaut ist.
Vor uns dehnt sich der grosse Wirtschaftshof aus, mit
einem Brunnenhäuschen in der Milte. Eine oder zwei Durch
fahrten unter dem langgestreckten Hauptgebäude, das im Erd
geschoss die Pferdeställe, darübar den Reichssaal und im obersten
Stockwerk die Kleiderkammern enthielt, führten zu dem zweiten,
südöstlichen Hofe, der den Zwecken des königlichen Marstalles
diente; hier ist wieder ein Brunnen, das Wagenhaus und die
Küche, welche den nördlichen Abschluss des Hofes bildet. An
den Hauptbau schlossen sich rechts und links Flügelbauten
an, von denen der nördliche den Eingang zu den k. Gemächern
enthielt. Von der Eingangshalle aus betrat man durch einen
kleineren Vorsaal den grossen Festsaal, welcher gegen Westen
durch einen Korridor begrenzt war. An diesem Festsaal schlossen
sich die eigentlichen Wohnraume der deutschen Könige und
Kaiser an. Neben einer roten Kammer finden wir hier die
„Königskammer“, den ehrwürdigsten Raum der Pfalz, hier
wohnte und starb am 15. Juni 991 die griechische Kaisers
tochter Theophano, die Witwe Ottos II., Mutter Ottos III. Hier
gab 1165 die Gemahlin Friedrich Barbarossas, die reizende
Beatrix von Burgund, dem Thronerben Heinrich IV. das Leben,
der dann, noch im jugendlichen Alter, fern von der Heimat,
auf Sizilien, in Messina den Tod, in Palermo sein Grab finden
sollte. Vor den östlichen Fenstern der „roten Kammer“ und
des grossen Saales liegt noch ein kleiner Hof mit einem Lust
häuschen, westlich neben der Eingangshalle finden wir eine
„blaue Kammer“, daneben liegt der Riesenturm, der Gefängnisse
und das Zeughaus beherbergte. Derselbe hat oben einen Zinnen
kranz und ein steiles Dach mit Laterne (s. Figu '10). In der
nördlichen Ecke der Burg lag dann die Pfalzkapelle, die mit den
Schlossgebäulichkeiten in Verbindung stand.
Von den späteren Kaiserpfalzen kommen hauptsächlich
Goslar und Gelnhausen in Betracht. Zu Goslar im Harz
erbaute Heinrich 111. das sog. Kaiserhaus ums Jahr 1050, doch
reichen die noch stehenden Teile nicht mehr in diese frühe
Zeit zurück. Der Bau wurde öfter durch Brandunglück heim
gesucht so schon 1065, dann 1289. Die Fenster des jetzt
restaurierten Saales bilden je drei, von Säulchen getragene in
eine gemeinsame Rundbogenblende eingeschlossene Rundbögen.
Der Treppenvorbau mit seinen Fenstern gehört erst dem 13.
Jahrhundert an. Die danebenstehende Ulrichskapelle ist ein
Werk aus der Mitte des 12. Jahrhunderts, sie zeichnet sich
durch ihren merkwürdigen Grundriss aus.
Zu Gelnhausen baute Friedrich Barbarossa nach der
Mitte des 12. Jahrhunderts jenen reizenden Palast, dessen Trümmer
noch heute Zeugnis geben von der Pracht und dem Reichtum
der einstigen Architektur. Erhalten ist der Thorbuu und eine
Wand des Palas mit dem Hauptportal und gekuppelten Säulen
stellungen.
Die Burg zu Nürnberg war niemals eine kaiserliche Resi
denz, sie war Sitz der Burggrafen von Nürnberg, welche in der
dortigen Burgkapelle ihr Begräbnis hatten: nur vorübergehend
diente sie dann und wann, besonders bei Reichstagen zum Auf
enthalt der Kaiser. Ebenso wenig ist die Saalburg in Franken
eine Kaiserburg, sie war Eigentum der Bischöfe von Würzburg
und mehrerer anderer adeliger Geschlechter.
Von weiteren Reichsburgen sind die bekanntesten Trifels
in der Pfalz und der Karlsstein bei Prag; beide Orte dienten
zeitweise zur Aufbewahrung der Reichskleinodien.
Wie schon erwähnt sind durch die neuesten Untersuchungen
des Dr. Plath die lange verkannten Denkmäler der deutschen
Vorzeit wieder in das Interesse gerückt, die archäologische
Forschung ist in ganz andere Bahnen gelenkt, man begnügt
sich nicht mehr damit, aufzuzeichnen was der Augenschein
lehrt oder was diese oder jene Kronik uns über die Geschichte
der Burg mitgeteilt hat. Man forscht in den Archiven nach
Urkunden aller Art, besonders nach solchen, welche zugleich
eine bildliche Anschauung geben können, also: Grundrisse,
Katasterpläne und dergl. Dann aber auch ist in vielen Fällen
nur durch Ausgrabungen die Lage der ursprünglich vorhanden
gewesenen Baulichkeiten zu ergründen, die dann, mit den aus
den Urkunden gewonnenen Aufzeichnungen in Verbindung
gebracht, allmählich sich zu einem fassbaren Bilde zusammen
stellen lassen. Es wäre an der Zeit, die monumentalen deutschen
Geschichtsquellen in allen 'Peilen der Erde durch methodische
Untersuchung zu erwecken und damit .eine Flut neuer, geschicht
licher Thatsachen uns zuzuführen, die bisher ungenutzt schlummern,
einmal aber erwacht, weite, öde Gebiete unserer Geschichte
bereichern und fruchtbar machen würde. Bereits ist durch
Dr. Plath der Weg gebahnt, zu diesem Ziel zu gelangen, seine
Anregung ist schon in weitere Kreise gelangt; so gelang es
ihm z. B. in einer im Jahr 1893 auf dem Rathaus zu Nymwegen
gehaltenen Rede, die statische Behörde für die Ausgrabung so
weit zu erwärmen, dass die nötigen Mittel verwilligt werden
konnten. Ein einmütiges Zusammenstehen der deutschen Re
gierungen und Korporationen könnte Grosses schaffen. Für