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Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukdnde in Stuttgart.
Nr. 5
Räume erfüllen ihren Zweck nicht, grosse Räume sind meist
unrationell und bei dem geringen Besitz der Bewohner an Mobiliar
auch unwohnlich.
Ganz besonders ist auf ununterbrochene Wandflächen und
angemessene Pfeiler zu sehen, da hievon wesentlich die praktische
Ausnützbarkeit der Wohnung zum Stellen der Möbel, insbe
sondere der Betten, abhängt.
Die Zahl der Zimmer, die zu einem dem ortsüblichen Lohn
entsprechenden Preis gegeben werden kann, richtet sich ganz
nach den Baukosten, insbesondere nach dem Bauplatzpreis.
Die Zubehörden, wie Küche, Holzstall, Keller, Bühne
kammer sollten nicht fehlen, können aber in bescheidenen
Dimensionen gehalten werden, insbesondere gilt dies von der
Küche, die hier z. B. zum wohnen nicht benützt wird und
wegen des verlangten feuersicheren Bodenbelags auch nicht
gut benützt werden kann.
Bei der Küche sollte die sogenannte Küchenveranda unbe
dingt nicht fehlen, sie hat zum reinigen der Kleider u. s. w.
grossen Vorteil, ebenso nötig ist eine Speisekammer oder
wenigstens ein gut ventilierbarer Speisekasten.
Jede Wohnung sollte unbedingt ihren abgesonderten Abort
haben.
Es sind über die Abortanlagen die mannigfachsten Ver
suche angestellt worden, mit mehr oder weniger Erfolg.
In Strassburg z. B. sind sie ins Treppenhaus seitlich an
der Aussenwand eingebaut und haben ihren Zugang von einer
der Küche vorgelegten offenen Loggia, anderwärts sind sie
vom Treppenpodest aus zugänglich, liegen also ganz ausserhalb
der Wohnung, häufig sogar ausserhalb des Hauses in einem
Anbau; wenn irgend möglich sollte der Zugang aber innerhalb
der Wohnung sich befinden; eine gute Grubenventilation ver
hindert das Eindringen schlechter Gerüche in die Wohnung,
Ideal ist natürlich immer das Wasserkloset.
Aus Ersparnisgründen ist es sehr wünschenswert, dass die
Aborte so gelegt werden, dass z. B. bei Doppelwohnungen ge
meinschaftliche Gruben gemacht werden können, doch darf
dieser Punkt nicht allein ausschlaggebend sein.
Die Zimmer sollten thunlichst so gelegt werden, dass eine
Durchlüftung möglich ist, diese wird sich auch bei geschlossenen
Fenstern und Thüren bethätigen.
Das Aeussere ist mit den einfachsten Mitteln gefällig zu
gestalten; bei ländlichen Bauten wird der Fachwerkbau vor
herrschen, bei städtischen Anlagen der einfache Backsteinrohbau
oder der Putzbau.
Und nun zu den hiesigen Bauten.
Da auch hier in Stuttgart zum Teil recht ungünstige
Wohnungsverhältnisse herrschen, —- insbesondere der Preis für
kleine Wohnungen hoch ist, — speziell aber veranlasst durch
die misslichen Wohnungsverhältnisse, in welchen sich die Fuhr-
knechte der städtischen Latrinenanstalt befinden, die beiläufig
bemerkt, jedoch nicht von der Stadt, sondern von Fuhrakkor-
danten angestellt sind, will nun die Stadtverwaltung einen
Versuch mit Erstellung von städtischen Arbeiter Wohnungen
machen.
Als Bauareal ist der städtische Platz zwischen Tunzhofer-
und Thürlenstrasse gewählt. Derselbe eignet sich für den
fraglichen Zweck sehr gut, ungünstig ist nur die tiefe Fundierung,
da der Platz zum Teil bis zu 6 m hoch aufgefüllt ist.
Für die ganze Anlage wird eine Fläche von 35,9 ar in
Anspruch genommen; drei der Gebäude werden an den genannten
Strassen erstellt, das vierte schliesst den durch erstere gebildeten
sehr geräumigen Hof gegen Südosten ab.
Im Bedarfsfall soll in der Mitte des Hofes noch ein Wasch
küchegebäude erstellt werden.
Aus Ersparnisgründen wurde insoweit, als das Ortsbau
statut es gestattet, geschlossene Bauweise gewählt. Drei der Ge
bäude bestehen aus je drei, das vierte aus vier Doppelhäusern, die je
durch Brandmauern getrennt sind; die Vordergebäude haben
unter sich einen Abstand von je 4 m.
Die Dimensionen der Gebäude sind folgende:
Gebäude an der Tunzhofer- und Thürlenstrasse: 36,24 m
lang, 10,07 m breit.
Eckhaus: Flügel 14 m resp, 19,40 m lang, Eckabschrägung
40 m lang, Breite 10,07 m.
Hinterhaus: 33,26 m lang, an den Flügeln 8,56 m lang,
in der Mitte 9,34 m breit mit 0,65 m weit vorspringenden
Treppenhäusern.
Während die Ausnützung des Platzes und die Grundriss
anordnung der Gebäude nach den Vorschlägen des Hochbau
amts von den bürgerlichen Kollegien gutgeheissen wurden, ist
bezüglich der Zahl der Stockwerke der Antrag des Hochbau
amts nicht durchgedrungen.
Vorgeschlagen war, den V ordergebäuden dreiHaupt Stock
werke zu geben und im Dachstock mit Hilfe eines Aufbaues
eine Wohnung mit geraden Wänden, sowie eine Mansarden
wohnung, also zusammen acht Wohnungen einzurichten; der
Charakter der Mietkaserne wäre dabei vermieden worden.
Die Rentabilitätsberechnung ergab in unanfechtbarer Weise,
dass die aus einer solchen Anlage erzielte Rente sich günstiger
stellt, wie diejenige eines vierstöckigen Hauses mit einer
neunten Wohnung pro Doppelhaus in einem Stockaufbau, dass also
gerade im vorliegenden Fall die Aufführung von einem weiteren
Stockwerk bezüglich der Rente nicht rationeller ist. Es erklärt
sich dies daraus, dass bei neun Wohnungen an einem Treppen
haus ortsbaustatutarisch ein ganz massives Treppenhaus vorge
schrieben wird, dessen Mehrkosten neben denjenigen für einen
ganzen eingeschalteten Stock und für stärkere Wände in den
unteren Stockwerken nur der geringe Mehrbetrag an Miete für
eine Zweizimmerwohnung mit 228 M. gegenüber steht.
Mit Rücksicht darauf jedoch, dass bei 4 l / 2 stockiger Bauart
10 Wohnungen mehr auf dem Platz untergebracht werden
konnten, wurde vom Gemeinderat letztere vorgezogen.
Die Gebäude fassen folgende Räume in sich:
Das Vorderhaus an der Tunzhoferstrasse und dasjenige an
der Thürlenstrasse je 27 zweizimmerige, das Eckhaus zwischen
diesen Strassen 23 zweizimmerige und 13 dreizimmerige, das
Hinterhaus 12 einzimmerige und sechs zweizimmerigeWohnungen.
Im Erdgeschoss des Eckhauses soll nun aber eine Krippe
eingerichtet werden, sodass zwei dreizimmerige und zwei zwei
zimmerige Wohnungen wegfallen und zusammen nur noch ge
wonnen werden 12 einzimmerige, 80 zweizimmerige, 12 drei
zimmerige, zusammen 104 Wohnungen.
Ausserdem sind in den hohen Untergeschossen noch
Räume vorhanden, die als Lädchen oder Werkstätten vermietet
werden können.
Sämtliche Eingänge zu den Gebäuden gehen von den
Strassen, resp. beim Hinterhaus vom Hof aus direkt in die
Treppenhäuser, letztere liegen also bei den Vordergebäuden an
den Strassenfronten. Diese Lage der Eingänge und Treppen
gab für die sonst mit den einfachsten Mitteln auszuführenden
Faqaden willkommen Abwechslung und Belebung.
Von jedem Gebäudeteil führen auch direkte Ausgänge
nach dem Hof.
Sämtliche Wohnungen sind für sich abgeschlossen und
enthalten innerhalb des Glasabschlusses ausser den Zimmern
noch einen Vorplatz, die Aborte und die Küche mit Küchen
veranda; zudem gehört zu jeder Wohnung eine Kellerabteilung in
den teils unter, teils auf Höhe des Untergeschosses gelegenen
gewölbten Kellern, ein Holzstall im Untergeschoss und eine Latten
kammer im Dachraum. Zu gemeinschaftlicher Benützung durch
die Bewohner ist in jedem Hausteil ein Trockenboden vorhanden,
ferner für die ganze Anlage einige Waschküchen.
Sollten letztere nicht ausreichen, so ist beabsichtigt, im Hof
ein besonderes Waschküchengebäude, event, mit Bad zu er
stellen .
Die Stockhöhe ist zu 3,0 m von Boden zu Boden, also
ca. 2,72 m in Länge angenommen, das Untergeschoss erhält
2,3 m in Länge.
Das Zimmer der einzimmerigen Wohnungen
hat eine Grundfläche von ca. 20 qm.; für die Betten ist eine
besondere Nische angeordnet, die zugehörige Küche ist ausser
dem so gross bemessen, dass sie event, zum Aufenthalt der Be
wohner benützt werden kann.
Die ganze Grundfläche der Wohnung ohne Treppe ist
35 qm.
Die Zimmer der zweizimmerigen Wohnungen haben
zusammen eine Grundfläche von etwas über 30 qm, die Küche
musste für diese Wohnungen sehr compendiös gehalten werden.
Die Grundfläche der Wohnung ohne Treppe ist 46 qm.
Die dreizimmerigen Wohnungen sind verschieden
gross, die Grundfläche der drei Zimmer wechselt von 43—58 qm,
zudem sind die Küchen für diese Wohnungen etwas geräumiger.