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Die neuen UerkehrsberhiMniffe Wischen Bayern uni) Württemberg in Ulm
mb Ueu-Ulm.
Äon Bauinspellor Braun in Ulm.
(Schluß.)
Zunächst war um Genehmigung des Stegzolls einzukommen.
Dann wurde das Bauprojekt insofern einer Aenderung unterzogen,
als für die Pfeiler Beton statt Steinmaterial, für den Belag Wellblech
und Beton statt Holz angenommen werden mußte. Die wesentliche
Erhöhung der Eisenpreise war auch auf die Kostenvoranschlagssumme
von Einfluß, welche sich nunmehr auf 64 000 ^ stellte.
Noch einmal sollte die Frage nicht zum Austrag kommen. Es
drang allmählich die Ueberzeugung durch, daß mit der Erbauung eines
Fußsteges allein dem dringenden Bedürfnis für eine ausgiebige Ver
mehrung der Verkehrsgelegenheiten nicht genügend abgeholfen sei und
daß sofort auch der Fährverkehr mit berücksichtigt werden müsse.
Im Herbst 1889 brachten die beiden Städte ein Gesuch um
Erbreiterung der Ludwig-Wilhelmsbrücke ein. Hiezu wurden sie durch
die bedeutende Steigerung des Verkehrs, hauptsächlich auch des mili
tärischen Verkehrs, veranlaßt, der besonders an Markt- und Sonn
tagen manche Störungen zu erleiden hatte. Die beiden beteiligten
Staatsregierungen zeigten sich geneigt, auf die Frage näher einzugehen.
Sie gestatteten zunächst der Sladtgemeinde Ulm, die mächtigen Thor
pfeiler mit den riesigen schmiedeisernen Gitterthoren, welche ein be
deutendes Verkehrshindernis bildeten, zu beseitigen, und traten sodann
an die Behandlung der Erbreiterung der nunmehr freiliegenden Brücken
bahn und der Beseitigung der geschlossenen Steinbrüstungen, welche
die Staubentwicklung auf der Brücke wesentlich begünstigen, heran. —
Hiebei kam besonders auch mit Rücksicht auf die Erhaltung des archi
tektonischen Charakters der Ludwig-Wilhelms-Brücke, der durch die
Erbreiterung zweifellos eine wesentliche Veränderung, vielleicht nicht
zum Besten, erhalten würde, die Erbauung einer zweiten Fahrbrücke
in den Vordergrund.
Aeußerst schwer ist es bei den beengenden Schranken, welche
das Gebiet der beiden Städte einschließen, eine geeignete Baustelle
für eine solche zu bestimmen.
Zunächst war selbstverständlich die für den projektierten Fuß
steg an der Gänslände gewählte Baustelle in Betracht zu ziehen.
Es zeigte sich aber bald, daß sowohl in Ulm, als auch besonders in
Neu-Ulm die Lage der Brückenrampe sich äußerst ungünstig an das
bestehende Straßennetz anschließt und keine bequeme Anfahrt bietet.
Zudem erschien die Entfernung der neuen Brücke von der Ludwig-
Wilhelmsbrücke mit Rücksicht auf die spätere Gesamtentwicklung der
beiden Städte, welche bei der Beurteilung der Frage wesentlich ins
Gewicht fällt, zu gering.
Die eingehenden Untersuchungen über die Weiterentwicklung
des Straßenverkehrs mit Rücksicht auf eine weitere Eisenbahnver
bindung zwischen den beiden Ufern ergaben, anstatt einer, zwei weitere
Brückenbaustellen, welche in die Nähe der oberen und der unteren
Donaubastion zu liegen kämen. Damit wäre ein das ganze gegen
wärtige Gebiet der beiden Städte umschließender Ringverkehr eröffnet,
der sich von der größten Bedeutung für die weitere Entwicklung der
Dinge erwiesen und allen beteiligten Faktoren bedeutenden Dienst
geleistet hätte.
Bald jedoch zeigte sich, daß vorerst an solch weitgehende Pläne
und ein derartig rasches Vorwärtsschreiten nicht gedacht werden konnte.
Mau war genötigt, mit den engeren Verhältnissen, wie sie sich aller
seits boten, zu rechnen, und so entstand das neueste Projekt für die
Erbauung einer zweiten Fahrbrücke, das sein Zustandekommen dem
glücklichen Umstande zu verdanken hat, daß die beiden Staatsregie
rungen die Frage der Erbauung einer zweiten Donaubrücke in Ulm-
Nen-Ulm energisch in die Hand genommen hatten. Der württem-
beigischen Ministerialabteilung für den Straßen- und Wasserbau,
als derjenigen Behörde, welche etwaige durch die beiden Staaten ge
meinschaftlich zu beschließende Arbeiten an den Uebergangspunkten
der Landesgrenze für den Straßenverkehr auszuführen hat, fiel die
wichtige Aufgabe zu, die vorläufigen Projekte auszuarbeiten.
Die ursprünglichen Entwürfe stammen aus der Hand des Vor
standes der Abteilung, Herrn Regierungspräsidenten von Leibbrand.
Dieselben waren bei der Besprechung der baulichen Entwicklung Ulms
im württ. Verein für Baukunde zu Stuttgart, im Januar 1897,
ausgestellt.
Sie zeigen zwei verschiedene Annahmen. Beim ersten Projekt ist
die ganze Breite des Flusses mit einer einzigen mächtigen Bogen
öffnung von 84 m lichter Spannweite und 8 m Pfeilhöhe überspannt.
Seitlich schließen sich 3,0 m weite Durchlässe für die beiden Lein
pfade an, über denen sich in Umrißlinie und Höhe bedeutend wir
kende turmartige Aufsätze erheben. Die Architektur ist einfach und
wuchtig in gothischen Formen gehalten, welche sich besonders für die
durchbrochenen Brückenbrüstungen und die Turmaufsätze über den
Widerlagern mit ihren zierlichen Helmen vorteilhaft erweisen. Der
kühne Bogen ist aus Granit mit einer Maximal-Jnanspruchnahme
von 89 kg auf den Quadratzentimeter gedacht, während die Fun
damente aus Beton mit 5 kg Druck auf den Quadratzentimeter her
gestellt werden würden. Die Ausführung dieses Projekts würde eine
Der gewaltigsten Steinbrücken der Neuzeit ergeben.
Das zweite Projekt steht mit seiner vorzüglichen Formgebung
in kleinerem Maßstab dem großartigen Gedanken würdig zur Seite.
Es enthält eine Sieinbrücke mit 3 Bogenöffnungen von l mal 32
und 2mal 28 m sichtbarer Spannweite und etwa Oi» Pfeilhöhe und
schließt sich ausgezeichnet den gegebenen Verhältnissen des Fluß-
profils an.
Für beide Projekte ist eine Gesamtbreite der Brückenfahrbahn
von 15,0 in, wovon 10,0 m auf die eigentliche Fahrbahn mit etwaigen
Straßenbahngeleisen und je 2,5 m auf die beiderseitigen Fußwege
entfallen.
Die Hauptsache war die Lage der Brückenbaustelle. Unter
Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Verhältnisse, welche die
Rücksichtnahme auf die oben genannten Gesichtspunkte ausschließen,
hat man sich, wie man hört, für den inneren Vorplatz des Augs
burger Thores als Ausmündungsstelle der Brückenbahn auf dem
bayerischen Ufer entschieden. Die Wahl muß unter den gegebenen
Umständen als eine äußerst glückliche bezeichnet werden.
Während in Neu-Ulm der große Thorplatz Raum für eine
! entsprechende Rampenentwicklung unv Gelegenheit zu ungezwungener
Verzweigung des Verkehrs, aber auch unmittelbare Fortsetzung auf
den inneren Wallring und gegen den Bahnhof Neu-Ulm bietet, crhälr
j die Abfahrt von der Brücke gegen das würctembergische Ilfer un
mittelbaren Anschluß an die im Stadtbauplan vorgesehene Uferstraße
und damit Verbindung mit den östlichen und westlichen Stadtteilen,
geradlinige Fortsetzung auf die große Promenade, welche über den
Scelenbau, die frühere Bastion Fuchseck, zum Olgaplatz und zum
Vorplatz des neuen Justizgcbäudes führt, und vermittelst eines Durch
bruchs in der Fortsetzung der Bockgasse eine kürzeste Verbindung mit
dem Mittelpunkt der Altstadt.
Merkwürdigerweise wurde dieses Projekt, das nunmehr von
den beiden Staatsregieruugen Bayern und Württemberg endgiltig
festgelegt zu sein scheint und dem auf Grund ihres Uebereinkommens
auch die beiden Städte zugestimmt haben sollen, von einem Teil der
Neu-Ulmer Einwohnerschaft stark bekämpft. Man fürchtete eine Ab
lenkung desjenigen Verkehrs, der sich durch das Augsburger Thor
nach Neu-Ulm bewegte, in der Richtung auf Ulm zu und damit eine
Verödung der Neu-Ulmer Straßen und eine Verminderung des Ver
kehrs überhaupt. Man bedachte nicht, daß eine Vermehrung und
Verbesserung der Verkehrsmittel auch eine wesentliche Steigerung des
Verkehrs im allgemeinen zur Folge hat, wie sich an einer Reihe ähn-