o
Monatsschrift des Württembg. Vereins für Badkunde in Stuttgart.
No. 1
elastische Bogenträger bis zu 73 m Spannweite und 20 m Pfeilhöhe,
sowie Viadukte mit kontinuierlichen Trägern bis zu 140 m Länge
und auf eisernen Pfeilern bis zu 55 m Höhe zu berechnen
und zu konstruieren hatte. Neben der vortrefflichen Leitung
der deutschen Orientpolitik und der Unterhandlungskunst des
leider zu früh verstorbenen Direktors der Deutschen Bank,
Georg v. Siemens, ist es ohne Zweifel den bedeutenden
Leistungen dieser zwei genannten württember gischen
Ingenieure zu danken, dass die deutsch - anatolische Bahn
gesellschaft ihre Bauten so erfolgreich zu Ende führen konnte
und dass ihr der Sultan die Ermächtigung erteilte, die anatolische
Linie über Konia oder Angora hinaus nach Bagdad und an
den persischen Golf zu verlängern. Der Vortragende gab
sodann eine Schilderung der sehr mangelhaften Zustände der
Türkei und insbesondere der jetzt tief gesunkenen Kulturländer
Anatolien und Mesopotamien. Als hauptsächliche Ursache der
türkischen Misswirtschaft bezeichnete der Redner das Fehlen
einer führenden Gesellschaftsklasse und den Mangel an tüchtigen,
zu Reformen befähigten Beamten. Eine Besserung sei nur in
der Schaffung von Kolonien unter europäischem Schutz und
in einer damit verbundenen Hebung von Landwirtschaft, Handel
und Verkehr zu erblicken. Zu diesem Zweck soll hauptsächlich
der Bau der Bagdadbahn dienen. Die Schwend’schen Brücken
zeichnen sich durchweg durch sparsamen Materialverbrauch
aus, der teils von den gewählten, oben angegebenen Trägerarten,
teils von der angenommenen grossen Trägerhöhe und Feldweite
herrührt. Alle Schwierigkeiten dieser Brückenkonstruktionen,
die des öfteren in Steigungen von 1 : 40 und in Gleisekrümmungen
von 300 m Halbmesser liegen und ihrer oft sehr umfangreichen
Berechnungen wurden von dem Vortragenden mit durchschlagen-'
dem Erfolg überwunden. Denn die Belastungsproben sämtlicher
Bauwerke zeigten sehr befriedigende Ergebnisse und eine Zu
sammenstellung des Eisengewichts der Brückenträger ergab eine
durchschnittliche Materialersparnis von 10 pCt. gegenüber den
für geringere Lokomotivbelastung von anderen Konstrukteuren
gebauten eisernen Brücken der serbischen, ebenfalls von Graf
Vital! und Geheimen Baurat von Kapp gebauten Orientbahn.
Als der Vortragende an Malariafieber schwer leidend nach
Deutschland zurückkehrte, wurde ihm von dem Grafen Vitali
in Anerkennung seiner Leistungen eine bedeutende Remuneration
zu teil. Professor Schwend beabsichtigt im Interesse der Stu
dierenden des Brückenbaus, die Pläne, Montierungsgerüste und
Berechnungen der bedeutenderen Brücken zu veröffentlichen, um
auf Grund derselben die für den praktischen Konstrukteur mass
gebenden Grundsätze beim Entwurf und der Berechnung der
wichtigsten Systeme von Balken- und elastischen Bogenträgern,
sowie von eisernen Pfeilern darzulegen. —w.
Denkschrift über die Stellung der höheren städtischen Baubeamten.
Vorwort.
i^ ausserordentliche Verschiedenheit in der Stellung, welche die höheren Baubeamten in der Verwaltung der grösseren Städte
4^1! Deutschlands einnehmen, die am schlagendsten dadurch zum Ausdruck kommt, dass der höchste Baubeamte einer Reihe
von Städten vollberechtigtes Mitglied der Verwaltung ist, in anderen dagegen nach der Städteordnung des betreffenden Staates
a] oder Landesteiles zu den Unterbeamten gehört und als solcher nicht einmal beratende, geschweige denn beschliessende
Stimme selbst in den Fragen seines eigenen Arbeitsfeldes besitzt, haben den Verband deutscher Architekten- und Ingenieurvereine
veranlasst, sich mit der Frage der Stellung der höheren städtischen Baubeamten zu befassen. Zunächst musste durch eine Umfrage,
die sich an die Fachgenossen der grösseren Städte in allen Teilen Deutschlands richtete, ein möglichst vollständiges Bild über die
z. Z. herrschenden Zustände gewonnen werden. Von 94 Städten Deutschlands sind daraufhin eingehende Mitteilungen gemacht
worden, die in folgendem auszugsweise wiedergegeben werden*). Es geht aus diesen Mitteilungen hervor, dass in einer grossen
Zahl von Stadtgemeinden die höheren Baubeamten noch nicht den Platz einnehmen, der ihnen mit Rücksicht auf den Umfang ihrer
Thätigkeit und die Bedeutung der von ihnen zu leistenden Aufgaben in der Stadtverwaltung zukommt und der ihnen im eigensten
Interesse der Stadtgemeinde nicht vorenthalten werden sollte. Zwingende Gründe, welche es z. Z. verbieten würden, den höheren
Baubeamten der Städte die volle gleichberechtigte Mitgliedschaft in der obersten Verwaltung zu gewähren, sind nur ganz ausnahms
weise durch gesetzliche Vorschriften gegeben, aber auch diese sind nicht unabänderlich. Inden meisten Fällen sind die vorhandenen
Hindernisse überhaupt nur scheinbare und lassen sich, wie das Vorgehen der rheinischen Städte zeigt, sehr wohl überwinden, so
bald der Wille dazu vorhanden ist und sobald die Stadtgemeinden eingesehen haben, dass sie nicht nur eine Ehrenpflicht ihren
leitenden Technikern gegenüber zu erfüllen haben, sondern dass auch das eigene wirtschaftliche Interesse am besten dabei fährt,
wenn ihnen die volle Verantwortlichkeit auferlegt wird.
Wir übergeben die nachstehende Denkschrift, welche den Fachgenossen manchen wertvollen Aufschluss geben wird, der
Oeffentlichkeit in der Hoffnung, dass sie insbesondere auch bei den Staats-Behörden und den Stadtgemeinden freundlich aufgenommen
werden und in einem den höheren städtischen Baubeamten günstigen Sinne wirken möge. —
Im Oktober 1901.
Der Vorstand des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine.
Waldow. v. Weltzien. v. Schmidt. Bub end ey. Eiselen.
Einleitung.
Die veränderten politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse
haben für die Mehrzahl der grösseren Städte Deutschlands in
den letzten 30 Jahren eine Entwicklung zur Folge gehabt, welche
diese vor Aufgaben von stetig wachsendem Umfange und von
immer tiefer einschneidender Bedeutung stellte, an deren Lösung
mitzuarbeiten der Techniker in hervorragendem Masse be
rufen war.
Die gesteigerten Anforderungen an hygienische Einrichtungen,
welche das Zusammenströmen und Zusammenleben so vieler
Menschen unabweisbar macht, die wachsenden Ansprüche,
welche unsere raschlebige Zeit an die Entwicklung des Ver
kehrswesens stellt, das immer mehr hervortretende Streben nach
Verbreitung allgemeiner und fachlicher Bildung und der Zug
unserer Zeit, der in der Schaffung von der Allgemeinheit die
nenden Wohlfahrts-Einrichtungen in immer höherem Masse zum
Ausdruck kommt, schliesslich die aus der Zunahme des Volks
wohlstandes hervorgegangene verfeinerte Lebenshaltung, welche
nicht nur nach der materiellen, sondern auch nach der ästhe
tischen Seite hin Befriedigung verlangt, bringen für das städtische
Bauwesen heute so mannigfaltige und in fast alle Verwaltungs
gebiete so tief eingreifende Aufgaben mit sich, dass dieses in
der Gesamtwirtschaft der grösseren Stadtgemeinden einen über
wiegenden Platz für sich in Anspruch nehmen darf.
Zur Lösung dieser Aufgaben haben die Städte in immer
höherem Masse technische Kräfte heranziehen müssen, an deren
Sachkenntnis und Arbeitsleistung bei gleichzeitiger Steigerung
der Verantwortlichkeit, immer weitgehendere Ansprüche gestellt
wurden. Leider hat hiermit die Wertschätzung, welche den
Technikern in der städtischen Verwaltung zu teil wird, nicht
überall gleichen Schritt gehalten und die Stellung, selbst der
leitenden Baubeamten, entspricht noch in vielen Städten weder
den berechtigten Forderungen der Techniker, noch dem eigensten
Interesse der Stadtgemeinden.
*) Das gesamte Material ist tabellarisch zusammengestellt. Diese Tabellen, die sich ihres Umfanges wegen nicht zum Abdrucke eigneten, können
von Interessenten, soweit der Vorrat reicht, von der Geschäftsstelle des Verbandes, Berlin N.W. 52, bezogen werden. Zu bemerken ist, dass die Beant
wortungen der Fragebogen nicht allein auf bestehenden Gesetzen und Normen fassen, sondern dass sie ab und zu auch persönliche Anschauungen und Auf
fassungen wiedergeben, z. B. in solchen Punkten, in denen sich ein bestimmter Brauch ausgebildet hat —