Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1898-1904)

Nö. i 
Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukünde in Stuttgart. 
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Gesetzliche Grundlagen für die Stellung der höheren*) 
städtischen Baubeamten. 
Die Stellung der höheren städtischen Baubeamten ist nicht 
nur in den einzelnen Bundesstaaten, sondern auch in den ver 
schiedenen Landesteilen desselben Bundesstaates eine sehr un 
gleichartige und ausserdem finden sich selbst in den einzelnen 
Städten desselben Landesteiles sehr bedeutende Abweichungen. 
Während in einer Reihe von Gegenden, namentlich in den alten 
preussischen Provinzen, die leitenden Baubeamten vollberechtigte 
Mitglieder der obersten Stadtverwaltung — des Magistrates — 
sind, gehören sie in anderen, zwar wohl nicht ihrem Ansehen 
nach, aber doch auf Grund der noch bestehenden Städteordnung 
zur Klasse der „Unterbeamten“ und sind a's solche nicht be 
fähigt, Mitglieder der leitenden Verwaltung zu werden, ein Zu 
stand, der bei der heutigen Bedeutung der Technik als unwürdig 
zu bezeichnen ist. 
In Preussen bestehen für die verschiedenen Provinzen 
zum Teil verschiedene Städteordnungen. In den sieben alten Pro 
vinzen Brandenburg, Pommern, Posen, Ost- und Westpreussen, 
Sachsen und Schlesien gilt die Städteordnung vom 30. Mai 1853, 
welche auf der älteren Städteordnung vom 17. Mai 1831 fusst. 
Während die letztere fachlich vorgebildete Magistratsmitglieder 
noch nicht kennt, führt die erstere als solche ausdrücklich ausser 
dem Stadtschulrat auch den Stadtbaurat auf, der also nicht nur 
Magistratsmitgiied sein kann, sondern sogar sein muss. 
Verschiedenartig sind die Verhältnisse in den neueren 
Provinzen. Aehnlich wie in den alten Provinzen liegt die 
Saöhe in Westfalen, wo die Städtaordnung vom 19. März 1856 
gilt. Die Magistratsverfassung ist hier vorherrschend und mit 
wenigen Ausnahmen sind die Stadtbauräte vollberechtigte Ma 
gistrats-Mitglieder. 
In der Provinz Hessen-Nassau waren früher gesetzliche 
Bestimmungen nicht vorhanden, welche die Stellung der höheren 
Baubeamten regelten. Die neue Städteordnung vom 4. August 
1897 hat darin Wandel geschaffen, sodass die Stadtbauräte jetzt 
vollberechtigte Magistrats-Mitglieder sind. (Für Frankfurt a. M. 
ist erst durch das Ortsstatut vom 23. Juni 1900, betr. die Zu 
sammensetzung des Magistrats und die Stadtverordneten-Kolle- 
giutns, dem Stadtbaurat Sitz und Stimem im Magistrat verliehen). 
In der Provinz Hannover ist die Städteordnung vom 
24. Juni 1858 auch unter preussischer Herrschaft in kraft ge 
blieben, welche die Regelung der Stellung der Bau-Beamten den 
einzelnen Städten überlässt. In den bezüglichen Ortsstatuten 
finden sich daher sehr verschiedene Bestimmungen, nach welchen 
der leitende Baubeamte teils dem Magistrat als vollberechtigtes 
Mitglied angehört, teils als Hilfsbeamter angesehen wird, der 
weder Sitz noch Stimme im Magistrat hat. 
Die Rhein-Provinz kennt im allgemeinen nur die sogen. 
Bürgermeister-Verfassung. Nach der geltenden Städte 
ordnung vom 15. März 1856 bildet der Bürgermeister (Ober- 
Bürgermeister) die Ortsobrigkeit und die Gerne ndeverwaltungs- 
Behörde. Ihm sind eine Anzahl von Beigeordneten beigegeben, 
welche bestimmte, ihnen vom Bürgermeister aufgetragene Amts 
geschäfte zu erledigen haben. Die höheren Baubeamten einschl. 
des obersten Leiters des Bauwesens gehören, wie durch einen 
Ministerial-Erlass vom Jahre 1891 ausdrücklich bestätigt wird, 
zu den Unterbeamten; als solche können sie nicht Beigeordnete 
sein. Da jedoch die Städteordnung nirgends verbietet, dass 
unter den Beigeordneten auch Techniker sein dürfen, haben 
einige wenige Städte höhere Techniker zu Beigeordneten ge 
macht und ihnen sodann die Leitung des Bauwesens übertragen. 
So sehr dieser Vorgang mit Freuden zu begrüssen ist, bietet 
derselbe doch leider keine Gewähr dafür, dass er sich bei 
einem Wechsel der Personen wiederholt. Die rheinischen Städte 
sind übrigens befugt, die Verfassung mit kollegialischem Magistrat 
einzuführen. Für, diesen Fall ist neben dem 1. und 2. Bürger 
meister die Schaffung besoldeter Magistrats - Mitgliedsstellen 
gestattet. Unter diesen wird auch der Stadtbaurat aufgeführt. 
Grössere Gemeinwesen haben von - dieser Ermächtigung bisher 
noch keinen Gebrauch gemacht. 
Am ungünstigsten für die höheren städtischen Bau 
beamten liegen die Verhältnisse zur Zeit in der Provinz 
Schleswig-Holstein, die unter allen preussischen Pro 
vinzen für sich die Sonderstellung einnimmt, dass es bisher 
*) Unter den höheren städtischen Baubeamten sind im allgemeinen 
solche zu verstehen, welche die Prüfungen für den höheren technischen 
Staatsdienst abgelegt haben. 
dort noch keine Stadt gibt, deren Stadtbaurat auch nur 
beratende Stimme im Magistrat hätte. Es gilt dort die Städte 
ordnung vom 14. April 1869. Der Stadtbaurat rechnet hiernach 
zur Klasse der Unterbeamten und kann als solcher nicht 
Magistrats-Mitglied sein. Aber auch hier verbietet die Städte 
ordnung nicht, technisch gebildete Männer zu Magistrats- 
Mitgliedern zu machen. Gelegentlich der kürzlich vollzogenen 
Neuwahl des Stadtbaurates in Kiel hatte daher auch d:e Stadt- 
verordneten-Versammlung, angeregt durch einen Antrag des 
Schleswig - Holstein’schen Architekten- und Ingenieur-Vereins, 
den Magistrat ersucht, mit ihr über eine derartige Lösung in 
Beratung zu treten. Der Magistrat hat sich leider, trotz wieder 
holter Verhandlung, ablehnend verhalten. Der neu gewählte 
Stadtbaurat ist nicht Magistrats-Mitglied geworden. 
Im Königreich Sachsen gilt die revidierte Städte 
ordnung vom 24. April 1873, die durch Ortsstatute ergänzt 
wird. Die Verhältnisse liegen hier ähnlich wie in Preussen. 
Die Städte haben meist eine kollegialische Magistrats-Verfassung 
und bei der Mehrzahl gehört der Stadtbaurat dem Magistrate 
— Rat genannt — als vollberechtigtes Mitglied an. Allerdings 
hat sich ein Umschwung nach dieser Richtung zum Teil erst 
während der Anstellung der vorliegenden Erhebungen vollzogen. 
So waren z. B. bis vor wenigen Jahren die Stadtbauräte in 
Leipzig nicht Mitglieder des Rates und hatten in ihm weder 
Sitz noch Stimme. 
Ungünstiger liegen dagegen die Verhältnisse in Bayern, 
Württemberg und Hessen. 
Im Königreich Bayern ist ein Unterschied zu machen 
zwischen den Landesteilen rechts vom Rhein und der Pfalz. 
Für die ersteren gilt die bayerische Gemeindeordnung vom 
29. April 1869, welche ein Gesetz im Sinne der bayerischen 
Verfassungsurkunde vom 26. Mai 1818 ist. Abänderungen 
und Zusätze können nur auf Vorschlag des Königs von den 
Ständen beraten und beschlossen werden. Es ist daher unter 
der jetzigen Regentschaft eine Aenderung des bestehenden Zu 
standes nahezu ausgeschlossen. In Absatz IV des Artikels 71 
der bayerischen Gemeindeordnung heisst es nun bezüglich der 
städtischen Baubeamten: „Nach Erfordernis können für das 
Bauwesen technische Bauräte .... als Mitglieder des Magistrats 
mit voller Stimmberechtigung in Gegenständen ihres 
Wirkungskreises aufgestellt werden.“ In Artikel 72 
Absatz I ist ausserdem gesagt: „Die Gemeinden sind ferner 
berechtigt .... Beamte für Forst- und Bauwesen und 
öffentliche Gesundheitspflege und andere höhere Bedienstete 
anzustellen.“ 
Die Städte sind also berechtigt, aber nicht ge 
zwungen, Stadtbauräte in den Magistrat zu berufen; sie 
können dieselben aber, selbst wenn sie es anders wollten, nur 
als Mitglieder zweiter Ordnung, d. h. mit beschränktem 
Stimmrecht, zulassen. Nur in dem Falle, dass ein Techniker 
zum sogenannten bürgerlichen Magistrats - Mitgliede gewählt 
würde, hätte derselbe die volle Berechtigung eines solchen. 
Die Stellung dieser Magistrats-Mitglieder ist aber eine so un 
sichere, dass sich höchstens ein nicht mehr im Berufsleben 
stehender Techniker zur Uebernahme dieses Amtes würde bereit 
finden können. 
Noch weniger erfreulich ist die Stellung in der bayer. 
Pfalz. Die Gemeindeordnung bestimmt hier in Artikel 61 
Absatz 2: „Grössere Gemeinden können zur Besorgung des 
Bauwesens eigene Techniker anstellen, welchen in den be 
treffenden technischen Fragen eine beratende Stimme im 
Gemeinderate zukommt.“ Und in Artikel 64 Absatz 1 : „Der 
Gemeinderat stellt das Dienstpersonal, dessen Ernennung nicht 
dem Bürgermeister oder einer anderen Behörde zusteht, in 
widerruflicher Weise an und bestimmt dessen Funktionsgehalt.“ 
Die Stellung selbst der leitenden Techniker ist also hier eine 
ganz unsichere. 
Wohl in keinem Bundesstaate sind die Verhältnisse der 
städtischen höheren Baubeamten so ungünstige und ent 
behren so sehr der gesetzlichen Grundlage, wie 
im Königreich Württemberg. Hier gilt für die Ver 
waltung sämtlicher Gemeinden das Verwaltungsedikt vom 
1. März 1822, das nur an einer Stelle überhaupt darauf hin 
weist, dass in der Verwaltung der Gemeinden auch Techniker 
erforderlich sind. 
Der § 23 dieses Ediktes lautet: „Für einzelne V ermögens- 
teile und Einkünfte der Gemeinden kann der Gemeinderat,
	        
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