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Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukünde in Stuttgart.
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obersten Baubeamten die gleiche Stelle eingeräumt haben.
Andererseits werden diejenigen Städte, die sich dieser Einsicht
i verschliessen, es immer schwieriger finden, ihren Bedarf an
höheren Technikern zu decken, da mit dem wachsenden
> Standesbewusstsein und in der berechtigten Wertschätzung der
I Bedeutung der eigenen Leistungen immer mehr die Forderung
[ aufgestellt wird, nur bei solchen Stadtgemeinden einzutreten,
[ welche die höheren Techniker als vollberechtigte Mitglieder ihrer
| Verwaltung anerkennen.
Der Verband deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine
hat schon im Jahre 1897 der Ansicht Ausdruck gegeben,
„dass aus sachlichen und persönlichen Gründen den obersten
Baubeamten der grösseren Städte die vollberechtigte Mitglied
schaft der städtischen Verwaltung zustehe, wie solches in
mehreren Teilen Deutschlands, besonders in den östlichen
t Provinzen Preussens thatsächlich mit bestem Erfolge der Fall ist.“
Gesetzliche Hindernisse stehen dem, wie aus der vorstehenden
f; Darstellung hervorgeht, zur Zeit nur in Bayern, Württemberg
und Baden entgegen, aber auch diese werden sich im geeigneten
Zeitpunkte überwinden lassen. Denn auch die Gesetze müssen
: sich schliesslich den Forderungen veränderter Zeitverhältnisse
anpassen. In Württemberg scheint der Zeitpunkt hierzu ge
geben, da eine neue Ordnung des Städtewesens geplant und
1 eingeleitet ist. Im übrigen sind die Hindernisse meist nur
formaler Natur und lassen sich, wie das Vorgehen der rheinischen
p Städte zeigt, auch unter scheinbar schwierigen Verhältnissen
; überwinden. Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.
Dem Verband liegt es selbstverständlich fern, eine Be
seitigung aller Verschiedenheiten in der Stellung der städtischen
Baubeamten anzustreben; diese werden nicht aufhören, so
lange die Landesgesetze und die Städteordnungen verschieden
[ sind; er tritt aber dafür ein, dass bei Aenderung der Gesetz-
| gebung bestehende Härten ausgeglichen werden, dass z. B. die
■ durchaus unzeitgemässen Bestimmungen beseitigt werden, nach
I - denen die Stadtbauräte in der Rheinprovinz, in Schleswig-
Holstein, in Hessen-Nassau und ausserdem in den Reichslanden
zu den „Unterbeamten“ zählen. Es wird zwar niemand mehr
[■ die Bedeutung der Technik derartig verkennen, dass er mit
! diesem Ausdruck die höheren Techniker als minderwertig gegen-
I- über den „Oberbeamten“ einschätzen wollte, thatsächlich ver-
p schliesst aber diese Rangstellung den Stadtbauräten den Eingang
in die leitende Verwaltung, in die sie nur unter Aufgabe ihrer
i eigentlichen Berufsstellung, also gewissermassen auf Umwegen
f gelangen können.
Aber nicht nur bei den obersten technischen Beamten, von
denen bisher nur allein die Rede war, da ihre Stellung natur-
gemäss in erster Linie bestimmend ist für diejenige aller anderen
■ technischen Beamten einer Stadtgemeinde, sondern auch bei
- den übrigen höheren Baubeamten, die neben und unter den
I Stadtbauräten als Stadt-Bauinspektoren und Stadtbaumeister
| angestellt sind, bleibt noch mancherlei zu wünschen übrig.
Hier machen auch zum Teil diejenigen Landesteile keine Aus-
f nähme, in denen die Stadtbauräte vollberechtigte Verwaltungs-
I Mitglieder sind. Auch für diese ist, namentlich in den grossen
I Stadtgemeinden, eine erhöhte Selbständigkeit bei gleichzeitig
;; wachsender Verantwortlichkeit und eine ausgiebige Mitwirkung
; in den Deputationen bei der Vorlage und Beratung der von
ihnen bearbeiteten Aufgaben erwünscht und im eigenen Interesse
der Verwaltung geboten.
Die Wünsche der höheren städtischen Baubeamten be
züglich einer zeitgemässen Aenderung im Verwaltungskörper
grösserer Stadtgemeinden lassen sich, soweit sie einer Regelung
nach allgemeinen Gesichtspunkten für ganz Deutschland
unterworfen werden können, kurz folgendermassen zusammen
fassen :
1. Gewährung der vollberechtigten Mitgliedschaft in der
Stadtverwaltung an die obersten Baubeamten unter voller
Wahrung aller ihnen daraus erwachsenden Rechte und
Pflichten, also Bewilligung von Sitz und Stimme im
Magistrat bei Stadtgemeinden mit kollegialischer Verfassung
und Wahl zum Beigeordneten bei Bürgermeister-Verfassung;
Uebertragung des vollen Dezernates in allen Fragen ihres
eigenen Arbeitsgebietes und des Kodezernätes in denjenigen
Fragen, an denen technische Interessen in erheblichem
Masse Anteil nehmen; Vertretung der Angelegenheiten
ihres Arbeitsgebietes in den Kommissionen und Depu
tationen, sowie vor den massgebenden Körperschaften der
Gemeinden.
2. Wo die geltenden gesetzlichen Bestimmungen einer der
artigen Regelung zur Zeit entgegenstehen, ist darauf
hinzuwirken, dass bei Aenderungen derselben auch die
Stellung der Baubeamten im vorstehenden Sinne geregelt
werden möge, wobei namentlich auch die Klassifizierung
der Stadtbauräte als „Unterbeamte“ in Wegfall zu
kommen hätte.
3. Gleichberechtigung der technischen Magistratspersonen mit
den nichttechnischen in Beziehung auf den Vorsitz in
Kommissionen und Deputationen.
4. Wegfall der Probedienstzeit für Stadtbauräte und Stadt
bauinspektoren.
5. Anrechnung der im Staats- und Gemeindedienst an anderer
Stelle zugebrachten Dienstzeit auf das Besoldungs-Dienst
alter der höheren städtischen Baubeamten.
6. Volle Vertretung des Stadtbaurates in Krankheits- und
Urlaubslällen durch den nächststehenden Baubeamten,
soweit diese Vertretung gesetzlich zulässig ist.
7. Verleihung von Vertragsrecht und soweit möglich auch
Stimmberechtigung an die Stadtbauinspektoren in den
Deputationen oder Kommissionen für die von ihnen be
arbeiteten Angelegenheiten.
8. Zuziehung der Bauinspektoren zu den Verhandlungen
mit anderen Verwaltungen und Behörden innerhalb ihres
Arbeitsgebietes.
Der Verband deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine
steht auf dem Standpunkte, dass diese Wünsche der höheren
städtischen Baubeamten keine unberechtigten Forderungen ent
halten, dass vielmehr ihre Erfüllung die höheren Techniker in
der Stadtbauverwaltung nur auf die Stelle bringen würde,
welche ihnen in derselben unter den heutigen Verhältnissen
zweifellos zukommt und ihnen, wo das bisher noch nicht
geschehen ist, über kurz oder lang doch gewährt werden muss,
wenn die Städte nicht selbst gegen ihre eigenen Interessen
angehen wollen. —
—tgr
Personal-Nachrichten.
Auf das Bezirksbauamt Ravensburg wurde Bezirksbau
inspektor Weiss in Ulm unter Gewährung der Dienststellung
[ eines Kollegialrats mit dem Titel eines Baurats, seinem Ansuchen
entsprechend, versetzt.
Professor Jassoy an der Technischen Hochschule wurde
I zum Mitglied der zur Beratung des Konservators der vater
ländischen Kunst- und Altertumsdenkmale, hauptsächlich in
Restaurationssachen, eingesetzten Sachverständigenkommission
ernannt.
Regierungsbaumeister R u p p bei der Eisenbahnbausektion
Süssen wurde zum Abteilungsingenieur bei dem bautechnischen
Bureau der Generaldirektion der Staatseisenbahnen befördert.
1 Herausgeg. v. Württb. Verein f. Baukunde.— Redaktion: Reg.-Baumeister Schury, Stuttgart. —Verlag: Südd. Verl.-Anst., G. m. b. H., München.