Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1898-1904)

Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukdnde in Stuttgart. 
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No. 3 
Um ein malerisches Strassenbild zu erhalten, wurden die 
grösseren Gebäude zwischen den Eckhäusern um 7—8 m hinter 
die Strassenlinie zurückgestellt, wobei immer noch reichlicher 
Raum für Nutzgärten belassen werden konnte. 
Die Kolonie in Westheim soll nach dem Projekt 
etwa 200 Baunummern umfassen mit ungefähr 650—700 
Wohnungen. Rechnet man für jede Wohnung wie in Ostheim 
4,5 Bewohner, so ergibt sich eine Einwohnerzahl von rund 
3000 Personen. Mit dem Bau wurde in der Weise begonnen, 
dass man etwa in der Mitte der Kolonie ein Baubureau mit 
Kantine erstellte. Im Sommer und Herbst vorigen Jahres wurden 
für ca. 25 Nummern die Grab-, Beton-, Maurer- und Steinhauer 
arbeiten an die Firmen Vischer und Lehenherr & Landauer, die 
Zimmerarbeiten an Gebr. Fahrion in Feuerbach vergeben. 
Das Wirtschaftsgebäude und das künftige Verwaltungs 
gebäude werden bis 1. Juli bezogen. Letzteres soll bewohnt 
werden von dem Bauführer und einem Beamten des Vereins. 
Die weiteren 23 Nummern werden bis 1. Oktober ds. Js. zum 
Beziehen fertig und enthalten 54 Wohnungen. 
Der zu erwartende Zuzug hat die Gemeinde Bothnang 
schon veranlasst, ein neues Schulhaus zu erbauen. 
Was nun die Mietspreise anbelangt, so betragen sie in 
Ostheim: 
für eiife 1 zimmerige Wohnung durchschnittlich 102 Jt. pro Jahr, 
,, 3 ,, ,, ,, 216 ,, ,, ,, 
„ „ 3 „ „ von 240—300 „ „ „ 
je mit Zubehören. 
In diesen Zahlen ist wohl mit ein Hauptgrund zu suchen, 
weshalb die Wohnungen stets sofort vermietet werden, sobald 
sie fertiggestellt sind; denn neben der gesunden Anlage ist die 
Preisfrage für die Vermietung entscheidend. Im Durchschnitt 
sind die Wohnungen in Ostheim um 150 Jt billiger als in der 
Stadt. Diese Zahlen sind um so bemerkenswerter, als der Verein 
für die Ausgestaltung des Aeussern mehr aufwendet als andere 
Wohlfahrtsanstalten. 
Auch das System der Anwärter ist es vielleicht, welches 
seine Bauten so beliebt macht, und Leute mit ganz geringen 
Anzahlungen allmählich in den Besitz eines Hauses kommen lässt. 
Der allgemeine wirtschaftliche Niedergang hat 
sich auch auf dem Wohnungsmarkt fühlbar gemacht, insofern 
mehr Kündigungen als früher stattfanden infolge von Wegzugs 
von hier oder von Arbeitslosigkeit. 
Seit einigen Monaten ist jedoch wieder eine wesentliche 
Besserung eingetreten, und es ist ein Verdienst des Vereins, dass 
er von diesen ungünstigen Umständen unbeeinflusst weiter 
gebaut hat. Ohne die fortgesetzte energische Thätigkeit, welche 
der Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen gerade auf 
diesem Gebiete entfaltet hat, würde sich sicher jetzt eine 
bedenkliche Wohnungsnot bei den minder bemittelten Klassen 
hier fühlbar machen. 
Was die finanzielle Gebahrung des Vereins betrifft, 
so sucht er Gelder zu möglichst billigem Zinsfuss aufzunehmen. 
Von Mitgliedern und Freunden des Vereins erhielt er 
1,100,000M. zu 3pCt. vorgestreckt gegen Schuldscheine ohne 
hypothekarische Unterlage. Von der Württemb. Versicherungs 
anstalt wurden ihm bis jetzt auch schon über eine Million gegen 
l 1 /., fache Sicherheit zu 3pCt. angeboten. Die übrigen Kapitalien, 
und es stecken bis heute nahezu 6 Millionen in diesem Unter 
nehmen, wurden von der Württemb. Sparkasse, von anderen 
Anstalten und Privaten gegen Verpfändung der Häuser auf 
genommen; hiefür musste meistens 4pCt. bezahlt werden. 
Im Durchschnitt hat der Verein also etwa 3 3 / 4 pCt. Zins zu 
zahlen. 
Bei der Berechnung der Mieten werden vom Verein 
ca. 5 1 /,,pCt. brutto aus den Herstellungskosten angesetzt. 
Es erfordern dann die Steuern ca. 0,5 pCt., allgemeine Haus 
unkosten, Wasserzins, Brandschaden, Latrinen u. dgl. circa 
0,65 pCt, es bleiben sonach für Reserve und Amortisation noch 
ca. 0,60pCt. übrig. Im Interesse der Sicherstellung des Unter 
nehmens auch für spätere Zeiten, wenn die Häuser mehr aus 
besserungsbedürftig werden, oder bei Eintritt von grösseren 
Krisen, hält der Verein wohl mit Recht die Ansammlung eines 
genügenden Reservefonds für erforderlich. 
Für seine Bestrebungen hat der Verein viele Anerkenn 
ungen gefunden und findet sie noch. 
Die letzten und vielleicht bedeutendsten waren die doppelten 
Prämiierungen auf der Pariser Weltausstellung 1900 je mit der 
goldenen Medaille für Einrichtungen zur geistigen und moral 
ischen Förderung der Arbeiter, sowie für Arbeiterwohnungen. 
Möge es dem Verein gelingen, alle seine weitausschauenden 
Pläne auch fernerhin zum Wohl der minderbemittelten 
Klassen zu verwirklichen und zur Verschönerung von Stuttgart 
und seiner Umgebung beizutragen. 
Op ^"3 
Personal-Nachrichten. 
Der Bauinspektor B a u r beim technischen Bureau der 
Ministerialabteilung für den Strassen- und Wasserbau ist seinem 
Ansuchen gemäss mit dem 1. Juli in den Ruhestand versetzt. 
Bei der diesjährigen zweiten Staatsprüfung im 
Hochbaufach sind die Kandidaten Fr. Bärtle von Kisslegg, 
E. Behr von Reutlingen, O. Eberbach von Stuttgart, 
K. Gabriel von Leipzig, W. Holch von Hall, 0. Jeremias 
von Stuttgart, P. Mundt von Weissenfels, Reg.-Bez. Merseburg, 
A. Stahl von Esslingen, G. Wieland von Göppingen und 
K. Winter von Stuttgart, und bei der diesjährigen zweiten 
Staatsprüfung im Bauingenieurfach sind die Kand- 
daten E. Böhmler von Stuttgart, K. Bessert von Stuttgart, 
E. Brumm von Stuttgart, O. Fauser von Stuttgart, J. Fell 
von Möckmühl, 0. Fuchs von Stuttgart, A. Heyd von Neuen 
haus, K. Marquardt von Stuttgart, A. Mössinger von Reut 
lingen, A. Nägele von Berlin, M. Nübling vonHopfgarten 
(Tirol) und A. Nüssle von Thun (Schweiz) für befähigt erklärt 
worden. Dieselben haben die Bezeichnung „Regierungsbau 
meister“ erhalten. 
Herausgeg. v. Württb. Verein f. Baukunde. — Redaktion: Reg.-Baumeister Schury, Stuttgart. — Verlag: Südd. Verl.-Anst., G. m. b. H , München.
	        

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