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Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart.
No. 5
Die Thätigkeit des kulturtechnischen Personals wird sodann
in neuerer Zeit häufig in Anspruch genommen durch die Be
arbeitung vonEntwürfen für Zufahrtssteige für den landwirt
schaftlichen Verkehr mit hochgelegenen Feldteilen und die
Ausführung solcher Anlagen, wie sie im Hügelland mit oder
ohne die Verbindung mit Feldbereinigungen häufig vorkommen.
Vielfach wird sodann die Ausführung der sog. gemein
samen Anlagen bei Feldbereinigungen, welche die Herstellung
der Wege, Dohlen, Durchlässe, Gräben umfassen, dem kultur
technischen Bureau übertragen. Auch über die Umteilung
sog. Allmendflächen znm Zweck besserer Bewirtschaftung
dieser, meist in kleinen Stücken an die Bürger ausgegebenen
Gemeindegrundstücke wurden Pläne aufgestellt und die Aus
führung der Anlagen geleitet.
Bei der Anlage von Zufahrtswegen, welche aufwärts mit
geladenen Wagen befahren werden müssen, werden Steigungs
verhältnisse bis höchstens 10° /0 angewendet. Die Wegbreite
beträgt meist 3,5—4,6 m.
Zu den Dohlen werden in ausgedehntem Masse Zement
röhren verwendet. Auch Brücken und Durchlässe aus Beton
mit Flacheiseneinlage finden vielfache Anwendung.
In den letzten Jahren kam anlässlich des Gewitterschadens
im Unterland im Jahre 1897 eine grössere Anzahl derartiger
Wegbauten zur Ausführung, wozu den beteiligten Gemeinden
Staatsbeiträge bis zu 40"/ 0 der Kosten, ausschliesslich der
Grunderwerbung, bewilligt wurden.
Die Ausnützung der zahlreichen in Oberschwaben zwischen
die Moränenhügel eingebetteten oder längs der Flussläufe sich
hinziehenden Moore zu Zwecken der Gewinnung von Brenn
torf und Torfstreu ist bis jetzt seitens zahlreicher Privaten,
Grossgrundbesitzer und der staatlichen Forstverwaltung in um
fangreicher Weise betrieben worden.
Die landwirtschaftliche Benützung derartiger Flächen be
steht meist nur in der Gewinnung von Streugras.
Moorkulturen zur Futtergewinnung nach neueren An
schauungen sind nur wenige vorhanden.
Es steht jedoch in Aussicht, dass in nächster Zeit einige
Anlagen dieser Art geschaffen werden, welche als anregende
Beispiele für weitere Kreise dienen dürften.
Eine weitergehende Entwässerung der Moore und systema
tische Ausnützung des vorhandenen Brenntorfschatzes, verbunden
mit intensivem landwirtschaftlichen Betrieb der ausgetorften
Flächen durch Anlage von Futterwiesen wäre sehr zu wünschen.
Zum Schluss erlaube ich mir, Ihnen noch eine Uebersicht
über die in den letzten fünf Jahren von den Kulturingenieuren
der Zentralstelle bearbeiteten Anlagen zu geben.
An Meliorationen, Wegbauten und gemeinsamen Anlagen
für Feldbereinigungen wurden ausgeführt und befinden sich zur
Zeit im Stadium der Ausführung bezw. der Projektierung ca.
397 Unternehmen mit einem Kostenaufwand von 1 117 321 M.;
es entfallen somit auf ein Jahr durchschnittlich 80 Unternehmungen
mit rund 223 000 M. Aufwand.
Ein Unternehmen kostet durchschnittlich 2 800 M.
Im Vergleich zu anderen Staaten, die sich seit Jahrzehnten
einer wohlausgebildeten Wassergesetzgebung und einer aus
reichenden Organisation des kulturtechnischen Dienstes erfreuen,
sind diese Zahlen allerdings bescheidene zu nennen, allein es
ist zu berücksichtigen, dass alles, was bis jetzt geschaffen wurde,
auf dem Wege der freiwilligen Uebereinkunft der Beteiligten zu
stände kam.
Seitens des Staates wurden die ausgeführten Unternehmungen
durch Beiträge bis zur Höhe von 25°/ 0 der thatsächlichen
Ausführungskosten unterstützt und dadurch das Zustandekommen
derselben wesentlich gefördert. Es ist zu hoffen, dass, nach
dem ein Wassergesetz nunmehr auch bei uns in Kraft getreten
ist und eine Neuorganisation des kulturtechnischen Dienstes
bevorsteht, der Umfang und die Zahl der ausgeführten Unter
nehmungen zunehmen werden.
Meine Herren! Im allgemeinen sind die Meliorations
anlagen wenig in die Augen fallend, sie liegen abseits der
grossen Heerstrasse und werden im Gegensatz zu den oft
grossartigen Bauten des Bauingenieurs wenig bemerkt. Vielfach
sind die hergestellten Anlagen nach der Ausführung überhaupt
nicht mehr sichtbar und nur der Kundige bemerkt z. B. im
Frühjahr an der helleren Farbe des Bodens, dass ein Feld
entwässert worden ist.
Um so mehr werden aber die Meliorationsanlagen von
denjenigen geschätzt und gewürdigt, deren Grund und Boden
verbessert worden ist.
Sollte es mir gelungen sein, auch Ihre Teilnahme für
diesen noch wenig bekannten und vielfach verkannten Zweig
des Ingenieurwesens erweckt zu haben, so würde mich dies
sehr freuen.
Lassen Sie mich Schliessen mit dem Wunsche, dass das
Wohlwollen, das sowohl die Regierung als auch die Stände
dem Meliorationswesen bisher entgegengebracht haben, diesem
immer erhalten bleiben möge.
Die Vorführung der Abwasser-Reinigungs-Verfahren auf der Pariser
Weltausstellung 1900.^
Von Dr. O h 1 m ü 11 e r, Geh. Regierungsrat im Kaiserlichen Gesundheitsamt.
Wenn wir einen Blick in die Literatur über die Reinigung
von Abwässern werfen, so lehrt uns schon die Fülle von
Vorschlägen, wie schwierig die Lösung dieser Frage ist. Koenig
führt in seinem Werke „Die Verunreinigung der Gewässer“
unter anderem 75 Verfahren an; damit ist also die Reihe der
selben noch nicht vollständig. Viele sind verschwunden so
rasch, wie sie auftauchten, sie führen nur ein historisches
Dasein in der Literatur; manche erfreuten sich der praktischen
Anwendung, wurden bald wieder verlassen oder erschienen
in abgeänderter, verbesserter Form wieder; neue sind hinzu
gekommen. Fast könnte man glauben, es sei in der Forschung
der Abwasserreinigung ein System zu vermissen, und die vielen
Ideen mögen im grossen und ganzen einem planlosen Herum
suchen ihren Ursprung verdanken. Dies ist jedoch nicht der
Fall; schon die Entwicklung der Verhältnisse bedingte ein
schrittweises Vorgehen, die Verschiedenartigkeit der Abwässer
musste notwendig zur Folge haben, dass die Wege auseinander
gingen. Mit der zunehmenden Bevölkerung der Städte wurde
deren Assanierung ein dringendes Gebot der Hygiene. Die
durchlässigen Abortgruben, die Versitz- oder Schlinggruben
mussten beseitigt werden, weil sie den Boden verunreinigten
und damit Anlass zu weiteren Gefahren wurden, deren Folgen
auch nicht ausblieben. Damit vermehrte sich die Menge der
zu beseitigenden Abfallstoffe; sie wuchs noch mehr durch zwei
weitere Massnahmen der Assanierung, durch die Einführung
der zentralen Wasserversorgung und die im wesentlichen hierdurch
bedingte Kanalisation der Städte. Nicht minder hatte das rasche
Emporblühen der Fabriken eine stärkere Erzeugung von Ab
wässern im Gefolge. So sah man sich ziemlich plötzlich vor
die schwierige Frage der ein wandsfreien Beseitigung der Ab
wässer gestellt; kein Wunder, wenn die Vorschläge so zahl
reich auftauchten, wenn sich unter diesen so mancher Missgriff
befand. Häufig war der Misserfolg der verschiedenartigen
Zusammensetzung der Abwässer zuzuschreiben, welche ja bei
denen aus Fabriken je nach der Art des Betriebes wechselnder
ist als bei denen aus Städten.
Wenn bei den Fabriken die Art der Abwasserreinigung
nur von Fall zu Fall an der Hand der obwaltenden Verhältnisse
entschieden werden kann, so sind bei den städtischen Abwässern
gewisse einheitliche Massnahmen zulässig, aber nur in be
schränktem Masse; denn die neuere Erfahrung hat gelehrt,
dass auch hier Unterschiede in der physikalischen Beschaffen
heit auftreten, welche eine wechselnde Behandlung verlangen.
Man kann daher die Entwicklung der Reinigungsverfahren von
*) Mit gütiger Genehmigung des Herrn Verfassers und des Verlags entnommen der „Hygienischen Rundschau“ No. 2 vom 15. Januar 1902.
(Verlag von August Hirschwald in Berlin.)