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Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart.
No. 7
wenden oder Persönlichkeiten in einflussreicher Stellung bei
zuziehen suchen.
Ist der Techniker nicht Kapitalist, so wird er ein ganz
hervorragendes organisatorisches Talent besitzen müssen, um
selbst die Gründung von Gesellschaften und dergleichen in die
Hand nehmen zu können.
Auch dabei wird er leicht in seinen Absichten verkannt
werden.
Nach Vorausschickung dieser allgemeinen Gesichtspunkte
sollen die einzelnen Leitsätze eingehender behandelt werden,
soweit dies überhaupt noch nötig ist.
Zu 1. Die Sammlung und Veröffentlichung mustergültiger
Bauentwürfe mit Konstruktions- und Kostenangabe u. s. w. ist
dasjenige Gebiet, auf dem sich der Techniker in allererster
Linie bethätigen kann und soll. Es ist dabei nicht allein auf
die konstruktive Seite Rücksicht zu nehmen; ganz besonders
zu begrüssen wären Veröffentlichungen, die neben guter zweck
mässiger Anlage zeigen, wie mit wenig Mitteln dem Aeussern
der Gebäude ein gefälliges, freundliches Aussehen gegeben
werden kann.
An Veröffentlichungen von Vereinsgenossen sind zu nennen:
Lambert & Stahl, Wohn- und Einfamilienhäuser; Ed. Pfeiffer,
Eigenes Heim und billige Wohnungen mit näherer Beschreibung
der von den HH. Architekten Reg.-Baumeistern Karl Heim und
Karl Hengerer in Ostheim bei Stuttgart erstellten Arbeiterkolonie
Ostheim; Veröffentlichung der Konkurrenzentwürfe für Ostheim
und für die Beamtenwohngebäude der Generaldirektion der
Staatseisenbahnen durch Neumeister & Häberle in Karlsruhe;
Vortrag über die städt. Arbeiterwohnhäuser in Stuttgart von
Pantle im Württembergischen Verein für Baukunde; ebendaselbst
Vortrag von Architekt Karl Hengerer über Südheim, von Reg.-
Baumeister Karl Heim über Ostheim, von Reg. - Baumeister
R. Bolden über Westheim. Ein Teil dieser Vorträge ist in den
Vereinsmitteilungen des Württembergischen Vereins für Bau
kunde veröffentlicht.
Zu 2. Sind die Mittel eines gemeinnützigen Unternehmens
thatsächlich so gering, dass die unentgeltliche Unterstützung
durch Anfertigung von Entwürfen und die Erteilung von Rat
schlägen die Sache fördert, so sollte diese Unterstützung nicht
abgelehnt werden. Bei der Anfertigung von Entwürfen wird
es sich aber nur um die Skizzen handeln können, da die voll
ständige Ausarbeitung von Entwürfen doch ein zu erhebliches
Opfer fordern würde, das nicht viele Techniker zu bringen in
der Lage sind.
Diese Unterstützung dürfte auch da geboten sein, wo es
an erfahrenen Technikern fehlt und die Bearbeitung von Ent
würfen unter Umständen ungenügenden Kräften überlassen
werden müsste. In grösseren Städten wird diese Frage kaum
praktisch werden.
Zu 3 und 4. Beantwortet sich aus der Einleitung. Es
liegt meist nicht in dem Belieben des Technikers, sich an ge
meinnützigen Gesellschaften zu beteiligen oder gar in die Vor
stände und Aufsichtsräte der Gesellschaften einzutreten; wenn
aber Aufforderungen zur Teilnahme an gemeinnützigen Be
strebungen vorliegen, sollte sich kein Techniker dieser entziehen,
da er thatsächlich durch seinen Beruf ersprießliches zu leisten
in der Lage ist.
Aus dem Kreis der Mitglieder des Württembergischen Ver
eins für Baukunde ist eine besondere Beteiligung an solchen
Veranstaltungen nicht zu konstatieren; zu nennen ist jedoch
das Unternehmen des Herrn Architekten Karl Hengerer, welcher
mit Unterstützung des Vereins für das Wohl der arbeitenden
Klassen eine ganz vorzügliche Anlage von Kleinwohnungen im
Süden Stuttgarts (Südheim) zu erstellen begonnen hat. Die
Anlage soll 22 Gebäude mit etwa 130 ein-, zwei- und drei-
zimmerigen Wohnungen umfassen. Eine Rente soll namentlich
dadurch noch erzielt werden, dass einige Gebäude gewerbliche
Betriebe erhalten, deren Mehrertrag die geringen Einnahmen
aus den reinen Wohngebäuden ausgleicht.
Zu 5. Die Gelegenheit, sich an statistischen Erhebungen
zu beteiligen, ist doch eine äusserst geringe und viel zu zeit
raubende; die Teilnahme muss den dienstlich hiezu berufenen
Technikern vorbehalten bleiben. Angeregt könnte werden, dass
technische Beamte jedenfalls zugezogen werden, da dadurch
der Berufsstatistiker vor Einseitigkeit bewahrt werden kann und
die technische Seite bei der Statistik nicht zu kurz kommt.
Zu 6. Auch die Wohnungsinspektion wird so zeitraubend
sein, dass im allgemeinen nur an eine Beteiligung von tech
nischen Beamten gedacht werden kann. Würde die Wohnungs-
[ Inspektion aber ähnlich wie die Armenpflege ehrenamtlich be-
I sorgt werden, so dürfte sich der Techniker weniger als jeder
andere Bürger einer solchen Aufgabe entziehen.
Zu 7 und 8. Diese Anregungen sind sehr zu begrüssen
und erscheinen namentlich als Ergänzung zu Ziff. 1 zweck
mässig und auch wirkungsvoll. Eine sehr dankbare Aufgabe
wäre z. B. die Ausarbeitung von Vorschlägen mit Entwürfen
über die Anlage von Kolonien im Anschluss an die Auf
stellung von Stadtbauplänen, z. B. im Inneren sehr grosser Bau
blocks u. s. w. Namentlich wäre eine literarische Behandlung
und Belehrung über die konstruktive Anlage von Kleinwohnungen,
nach dem Grundsatz — billig aber gut — erwünscht. Es wird
zur Zeit eine solche Menge Ausführungsweisen, namentlich
Wand- und Deckenkonstruktionen von Fabrikanten und Theo
retikern empfohlen, die manches Bestechende an sich haben,
häufig auch äusserst billig sind, oft aber auch nicht, die aber
meist nichts weniger als dauerhaft und solid sind; von diesen
ist gerade für Kleinwohnungen, die mehr als bessere Wohnungen
mitgenommen werden, die aber grosse Unterhaltungskosten am
wenigsten ertragen können, abzuraten.
Bezüglich der Vorträge siehe Ziff. 1.
B. Thätigkeit der Baubeamten im besonderen.
Zu den Punkten 9—13 kann zusammenfassend nur die
volle Zustimmung ausgesprochen werden und zwar sowohl,
was die einzelnen angeregten Massregeln, als auch was die
Mitwirkung der technischen Beamten bei denselben betrifft.
Dass technische Beamte diesen Fragen, soweit sie in ihren
Wirkungskreis fallen, ihre ganz besondere Aufmerksamkeit und
weitgehendes Wohlwollen schenken, dürfte als selbstverständlich
betrachtet werden.
C. Thätigkeit der Vereine.
Erwünscht ist namentlich, dass die einzelnen Vereine in
ihrem Gebiet die Anregungen in Ziff. 11, 12 und 13 beherzigen
und durch das Ansehen, das sie gemessen, für Verbesserungen
auf dem fraglichen Gebiete wirken, event, selbst Vorschläge bei
den in Frage kommenden staatlichen und kommunalen Be
hörden einreichen.
Im wesentlichen wird bei der ausserordentlich grossen Ver
schiedenheit der örtlichen Verhältnisse und Bedürfnisse eine
Thätigkeit der Einzelvereine ersprießlicher sein, als diejenige
des Verbands.
Der Verband wird im allgemeinen nur anregend vorgehen
können; immerhin könnten die Einzelvereine veranlasst werden,
über ihre Thätigkeit an den Verband Bericht zu erstatten und
Anregung zur Behandlung derjenigen Fragen im Verband zu
geben, die sich nach ihrer Anschauung dazu eignen.
Die Kommission:
Wörrle. Pantle. Hengerer. Feil.
Personal-Nachrichten.
Dem Direktor des Vereins deutscher Ingenieure, Baurat
Peters in Berlin, ist das Ritterkreuz I. Klasse des Friedrichs
ordens verliehen. — Dem kais. Geh. Baurat v. Kapp ist die
Erlaubnis zur Annahme und zum Tragen der ihm verliehenen
türkischen goldenen Liakat-Medaille erteilt.