6
Monatsschrift des Württembg. Vereins für Badründe in Stuttgart.
No. 2
Vorsitzende nimmt noch besonders Anlass, dem Vortragenden
für das von ihm Gebotene im Namen des Vereins zu danken.
An den Vortrag schliesst sich noch eine kurze Erörterung
der mutmasslichen Ursachen der Farbbeständigkeit vieler Baus
bemalungen an, an der sich Bökien, Feil und der Vortragende
beteiligen. Dieser bemerkt, dass seines Wissens es bis jetzt eben
sowenig gelungen sei, der früheren Farbbehandlung bei ge
nannten Malereien auf die Spur zu kommen, als durch neuere
Versuche ähnlich wetterbeständige Bemalung zu erzielen, wie sie
die alten Häuser aufweisen. Es scheinen die Farben mit be
sonderer Sorgfalt bereitet und auf den noch feuchten frischen ;
Verputz auf getragen worden zu sein. Auch seien, wie Bökien und
Feil schon hervorgehoben, die reine Luft der Gebirgslandschaft
und der durch die weit vorspringenden Dächer gebotene Schutz
zweifellos mit von grösster Bedeutung für die gute Erhaltung
der bemalten Wandflächen.
Vortrag des Herrn Regierungsbaumeisters Mörsch aus Neustadt a. H.
über
„Theorie der Betoneisenkonstruktionen“.
Obwohl die Kenntnisse des Betoneisenbaues durch die zahl
reichen Veröffentlichungen über diesen Gegenstand ziemlich all
gemein verbreitet sind, so herrschen doch über die statische Wirk
samkeit des armierten Betons meist sehr unzutreffende An
sichten vor. Die Gründe für die Rückständigkeit der Theorie
folgen aus der ganzen Entwicklungsgeschichte des armierten
Betons. Ohne auf dieselben weiter einzugehen, möchte ich Ihnen
die Grundsätze einer gesunden Theorie vorführen, wie sie erfreu
licherweise immer mehr zum Durchbruch zu kommen scheint.
(Diese Theorie ist auch in der Broschüre über Betoneisenbau
vertreten, welche anfangs des vorigen Jahres von der Firma
Wayss & Freytag A.-G. herausgegeben wurde und von welcher
der theoretische Teil als Beilage zu Nr. 47 der Süddeutschen
Bauzeitung erschienen ist.)
Unter dem Begriff der Betoneisenkonstruktionen werden alle
jene Konstruktionen zusammengefasst, welche derart aus Port-
landcement-Beton in Verbindung mit Eisen hergestellt werden,
dass beide innig miteinander verbundenen Elemente zu gemein
samer statischer Wirkung gegen äussere Beanspruchungen ge
langen können.
Hiebei gilt als Grundgesetz, dass der Beton hauptsächlich
die Druckkräfte aufnehmen soll, während dem Eisen die Aufgabe
zufällt, einen grossen Teil der Zugkräfte aufzunehmen, also dem
Beton anscheinend eine höhere Zugfestigkeit zu verleihen.
Die Vorzüge der Betoneisenkonstruktionen gegenüber den
üblichen Konstruktionen können als bekannt vorausgesetzt werden.
Diese Vorzüge und das statische Zusammenwirken der beiden
sonst so ungleichen Materialien ergeben sich aus folgenden grund
legenden Eigenschaften derselben:
1. Der Beton schützt das von ihm umhüllte Eisen am voll
kommensten gegen Rostbildung.
2. Die Adhäsion des Portlandcement-Betons am Eisen ist eine
sehr bedeutende und etwa gleich der Scheerfestigkeit des
Betons.
3. Die Temperaturausdehnungskoeffizienten von Eisen und Beton
sind nahezu gleich gross.
4. Der Portlandcement-Beton ist als Umhüllung von Eisenein
lagen im stände, ohne Schädigung seiner Festigkeit solche
Dehnungen bei Zugbeanspruchungen auszuführen, als es die
volle Ausnützung des eingelegten Eisens verlangt.
Die unte!r 1 bis 3 genannten Eigenschaften sind schon in der
1887 erschienenen Monierbroschüre von Ingenieur Wayss als
grundlegend angeführt und wenn auch seither viel darüber ge
schrieben worden ist, so lässt sich doch nichts Neues hinzu
fügen. *
Nach den mit den Monierbauten gemachten Erfahrungen wird
ein sicherer Rostschutz und eine hinreichende Adhäsion nur dann
erreicht, wenn das Mischungsverhältnis des Betons nicht zu mager
ist und der Wasserzusatz so bemessen wird, dass der sogenannte
plastische Zustand des Betons eintritt. Es ist nämlich zu be
achten, dass der armierte Beton wegen der Eiseneinlage und der
geringen Betonstärke sich nicht in dem Mass stampfen lässt,
als dies bei gewöhnlichem Stampfbeton der Fall ist. Wir nehmen
als äusserste Grenze das Mischungsverhältnis 1 : 4 V* auch mit
Rücksicht darauf an, dass die Druckfestigkeit des fetten Betons
grösser ist als diejenige des mageren und bei allen Betoneisen
konstruktionen eine hohe Druckfestigkeit des Betons notwendig ist.
Für die Adhäsion des Eisens am Beton wird fast allgemein
der von Bauschinger ermittelte Wert von 45 kg/qcm ange
nommen. Derselbe kann in keiner Weise als feststehend be
trachtet werden. Durch neuere Versuche ist vielmehr er
wiesen, dass bei einbetonierten Eisenstäben die Adhäsion dann
aufhört, wenn die Spannung im Eisen die Elastizitätsgrenze über
schreitet. Die Adhäsion wird sich dann mit dem Durchmesser ver
änderlich ergeben. Ihren grössten Wert wird man erhalten bei
solchen Probestäben, die nicht zu tief im Beton stecken, so dass
beim Herausziehen die Zugspannung nicht über die Elastizitäts
grenze des Eisens steigt.
In der nebenstehenden Tabelle sind die Ergebnisse eigener
Versuche über die Adhäsionsfestigkeit zusammengestellt.
Adhäsionsfestigkeit.
Wasserzusatz
1: 1
1:2
1:3
1:4
1: 5
1:6
1:7
1:8
10»/,
15
19
19
26
30
27
16
12
15°/,
Aa
46
49
40
38
21
19
15
10
20%
28
28
25
25
12
12
11
7
25%
22
30
23
24
8
12
9
7
Sie sehen hieraus, wie die Adhäsion mit steigendem
Mischungsverhältnis abnimmt und wie sich die Grösstwerte der
selben nur bei einem bestimmten Wasserzusatz, der dem plasti
schen Zustand entspricht, einstellen.
Die Zahlen sind die Mittel aus nur 2 Versuchen, können also
keinen Anspruch auf absolute Genauigkeit machen. Alle Probe
körper zersprangen beim Herausziehen der Eisen, so dass die
Annahme gerechtfertigt ist, dass bei grösseren Probekörpern oder
durch Armierung derselben mit Bügeln, die das Zerspringen ver
hindern würden, eine etwas grössere Adhäsionsfestigkeit ge
wonnen worden wäre.
Die Adhäsion ist begrenzt durch die Scheerfestigkeit des
Betons, denn wenn sie in Wirklichkeit auch grösser ist, so kann
doch der Versuch kein anderes Ergebnis liefern, da eben dann
das Eisen mit einem dünnen Betonmantel herausgerissen würde.
Die annähernde Gleichheit der Temperaturausdehnungs
koeffizienten von Beton und Eisen ist durch Versuche nachge
wiesen. Früher wurde diesem Umstand ein grosses Gewicht bei
gemessen; nach der heutigen Erkenntnis würde eine geringe
Differenz in der Längenausdehnung nicht so viel zu bedeuten haben.
Mit Hilfe der Adhäsion und der grossen Dehnbarkeit des Betons
könnte sie durch geringe innere Spannungen für die gewöhnlichen
Temperaturunterschiede unschädlich gemacht werden. Nach den
amtlich angestellten Feuerproben findet eine der Tragfähigkeit
schädliche Loslösung von Eisen und Cementmörtel selbst bei sehr
hohen und raschen Temperaturänderungen nicht statt.
Die armierten Betonkonstruktionen sind als schlechte Wärme
leiter nicht so sehr den Wärmeänderungen ausgesetzt wie die
reinen Eisenkonstruktionen; es ist daher bei ihnen mit engeren
Temperaturgrenzen zu rechnen.
Die vierte grundlegende Eigenschaft des Betons, seine grosse
Dehnbarkeit in Verbindung mit dem Eisen, hätte schon früher
geahnt werden können; sie wurde aber erst von Considöre durch
Versuche nachgewiesen.
Wohl war es bekannt, dass die Risse im Beton erst spät, bei
hohen Beanspruchungen des Eisens sichtbar werden. Es wurden
sogar die Dehnungen gemessen und mit Hilfe des Elastizitäts
moduls für Beton die grössten erreichten Zugspannungen be
rechnet. Man gelangte dann zu fabelhaften Zugfestigkeiten des
armierten Betons von 50, 70, ja sogar 100 kg / qcm, während der
nicht armierte Beton höchstens 12—15 kg / qcm aufweist.
Die Considereschen Versuche erstreckten sich auf Prismen
quadratischen Querschnitts von 6 cm Seitenlänge und 60 cm
Höhe, die an der gezogenen Seite durch Rundeiseneinlagen ver
stärkt waren. Die Belastung der Prismen war derart, dass das