Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1898-1904)

No. 2 
MoNATSSCHR1F4 DES WüRTTEMBU. VeREINS FÜR BaüKUNDE IN STUTTGART. 
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eine Ende derselben eingespannt und das andere Ende einem 
Biegungsmoment ausgesetzt wurde, das für alle Querschnitte 
gleich gross war. Es wurden sodann die Verlängerungen auf 
der gezogenen Seite unter zunehmender Belastung gemessen. Das 
Mischungsverhältnis war 1:3; die Eiseneinlagen bestanden aus 
3 Rundeisen von 4,25 mm Durchmesser. Wenige Prismen blieben 
zu Vergleichszwecken ohne Eiseneinlage. Bei einem der Prismen 
wurde das Biegungsmoment so vergrößert, bis an der Zugseite 
Verlängerungen von 2 mm festgestellt werden konnten. Alsdann 
wurde 139 000 mal ein Moment ausgeübt, das 44—71 °/o dieses 
zuerst angebrachten Momentes betrug, wobei jedesmal auf den 
unbelasteten Zustand zurückgegangen wurde. Diese wiederholten 
Anstrengungen gaben Verlängerungen von 0,545 mm bis 1,27 mm. 
Aus den Prismen wurden sodann kleine Betonstäbe von 12/15 mm 
Querschnitt herausgesägt und nochmals der Biegung unterworfen. 
Hiebei zeigte sich die Festigkeit überraschend hoch und nahezu 
gleich derjenigen des frischen Mörtels. Aus den Parallelver- 
versuchen mit Mörtelprismen ohne Eiseneinlage folgt aber, dass 
die Dehnung beim Bruch sich in den Grenzen von 0,1—0,2 mm 
hält. Man ist daher zu der Annahme gezwungen, dass in einem 
Körper aus armiertem Beton das Eisen dem Beton die Eigen 
schaft verleiht, ohne zu zerreissen, viel grössere Dehnungen aus 
zuführen, als wenn er sich selbst überlassen ist. 
Considere erklärt diese Erscheinungen folgendermaßen: 
Bekanntlich dehnt sich ein den Zugkräften ausgesetzter Metall 
stab zuerst gleichmässig auf seine ganze Länge, mit steigender 
Zugspannung schnürt er sich an einer bestimmten Stelle ein, wo 
er dann sehr bedeutende örtliche Verlängerungen erfährt. Wenn 
also die zwischen den Enden gemessene Dehnung etwa 20°/o be 
tragen kann, so ist sie in Wirklichkeit in der Nähe der Bruchstelle 
10—15 mal grösser. 
Nimmt man nun an, dass diese unter dem Namen der Kon 
traktion bekannte Erscheinung auch beim Cementmörtel auftrete, 
so wird die zwischen den Enden der Versuchskörper gemessene 
Verlängerung nur eine mittlere Dehnung vorstellen und der 
Mörtel wäre in Wirklichkeit fähig, eine viel grössere Längen 
änderung auszuführen. In Betoneisenkonstruktionen ist der Beton 
mit dem Eisen verbunden, dessen Elastizitätsgrenze bedeutend 
höher liegt. Bei Einwirkung der Zugkräfte wird das Eisen selbst 
dann noch gleichmässig auf seine ganze Länge verteilte Deh 
nungen ausführen, wenn der Cementmörtel schon das Bestreben 
haben wird, sich an einer bestimmten Stelle einzuschnüren. Aber 
die Adhäsion zwingt denselben, dem Eisen in seiner Dehnung 
zu folgen. Er wird also in allen Punkten des Probekörpers die 
äusserste Deformation erleiden, deren er fähig ist, und der Bruch 
wird tatsächlich nur bei solchen Längenvermehrungen (zwischen 
den Enden gemessen) erfolgen, die bedeutend grösser sind, als 
wenn keine Eiseneinlagen vorhanden wären. 
Die von Considere gegebene Erklärung ist sehr einleuchtend, 
wenn die Erscheinung der Kontraktion wirklich beim Cementbeton 
vorhanden ist. Um dies zu beweisen, müsste man bei den Zug 
versuchen an den Probekörpern die Verlängerungen auf ver 
schiedene kleinere Messlängen beobachten, um dann festzustelleh, 
dass die lokale Längenänderung um vieles die gesamte Zu 
nahme der Längeneinheit übertrifft. 
Zu diesen Biegungsversuchen wurde von Considere eine Be 
rechnung über die Kraftverteilung im Eisen und Beton gegeben, 
wonach der Beton keine grössere Zugfestigkeit zeigt, als sie 
bei reinen Betonprismen nachgewiesen wurde. Diese Berechnung 
war jedoch nicht ganz einwandfrei und es wurden daher von 
Considere noch einfache Zugversuche mit armierten Betonprismen 
vorgenommen, die vor jedem Irrtum geschützt sind. Mörtel 
prismen mit quadratischem Querschnitt von 47 mm Seitenlänge 
symmetrisch armiert mit 4 Drähten von 4,4 mm Durchmesser 
sind dem direkten Zug unterworfen worden, und man hat bei 
der Belastung sowohl die Verlängerung der Armaturen, als auch 
diejenige des Mörtels gemessen, die sich indessen fast ganz gleich 
ergaben. 
Mit dem bekannten Elastizitätsmodul der Armierung konnte 
aus der gemessenen Dehnung der vom Eisen aufgenommene Teil 
der Zugkraft P berechnet werden, der Rest derselben durch den 
Betonquerschnitt dividiert, ergab die Spannung des Mörtels, zu 
welcher die zugehörige Dehnung gemessen war. 
Das beobachtete Gesetz zwischen Dehnungen und Spannungen 
ist aus Abb. Fig. 1 zu ersehen. Die Ordinaten stellen die auf 
das Prisma ausgeübte gesamte Zugkraft vor, während die 
Abszissen durch die entsprechenden Verlängerungen der Arma 
turen gegeben sind. 
So lange die Last einen gewissen Wert O a nicht über 
schreitet, nehmen die Verlängerungen regelmässig zu und bleiben 
sehr gering; alsdann werden sie plötzlich grösser, zeigen aber 
bald wieder einen regelmässigen Verlauf, der durch den ge 
raden Teil A B der Linie dargestellt ist. Aus der gemessenen 
Dehnung und dem bekannten Querschnitt der Armierung kann der 
von letzterer aufgenommene Teil der Zugkraft berechnet werden. 
Die Linie derselben ist natürlich eine Gerade, so lange die 
Elastizitätsgrenze nicht überschritten ist. In der Abb. Fig. 1 
ist diese Gerade durch die 0 F dargestellt, die im wesent 
lichen parallel der Linie A B verläuft. Für irgend eine Längen 
änderung 0 P ist also 
P N der vom Eisen aufgenommene Teil der Zugkraft P M, 
P M „ „ Beton „ „ derselben. 
Es zeigt sich also die für das Verständnis des statischen 
Zusammenwirkens so wichtige Tatsache, dass der Beton in Ver 
bindung mit Eisen fähig ist, sehr grosse Dehnungen auszuführen, 
wobei von einer gewissen Dehnung a A an die Spannung des 
Betons nicht mehr wesentlich zunimmt. Die grösste Verlängerung 
ist 0,9 mm, was einer Eisenspannung von 1800 kg / qcm entspricht. 
Die Zugfestigkeit des Betons gibt Considere zu 
12 kg / qcm an. 
Von den Berechnungsmethoden betrachten wir zunächst die 
jenige der Säulen. 
Die Druckfestigkeit des Betons richtet sich bekanntlich 
nach dem Mischungsverhältnis, der Form und Höhe der Ver 
suchskörper. 
Bei niedrigen Betonkörpern ist die Festigkeit sehr gross, 
sie nimmt ab mit steigendem Verhältnis der Höhe zur Breite; 
die Festigkeit würfelförmiger Körper bezeichnet man als die 
Würfelfestigkeit des Betons. Bei den hohen Versuchskörpern 
erfolgt der Bruch durch Ueberwinden des Gleitwiderstandes in 
geneigten Flächen und die Druckfestigkeit, die überhaupt nicht 
in Frage kommt, erscheint dann sehr gering, wenn man die Bruch 
last durch die Querschnittsfläche dividiert. 
Es ist also der Zweck der Säulenarmierung, 
dieses Abgleiten nach geneigten Flächen zu ver 
hindern. Die übliche Säulenarmierung ist die 
jenige durch vertikal stehende Rundeisen, die 
durch Bügel miteinander verbunden werden. Diese 
Anordnung bietet den Vorteil, dass sie bei exzentri 
scher Säulenbelastung auf der gezogenen Seite 
eventuell noch Zugspannungen aufnehmen kann. 
Bei axialer Druckbeanspruchung erfolgt die 
Berechnung unter der Voraussetzung, dass der 
Beton und das Eisen dieselben Verkürzungen 
erleiden. Bezeichnet also f b die Querschnitts 
fläche des Betons, f e diejenige des Eisens, G b 
und e die entsprechenden Beanspruchungen 
Betoneisensäule, beider Materialien, so wird sein die Last P 
P — fb . ^b + fe - de 
a b und c > e sind also Spannungen in Beton und Eisen, die gleichen 
Verkürzungen entsprechen. Wir benötigen also das Gesetz der 
elastischen Deformationen für Beton. In der Abbildung Fig. 3 u. 4 
sehen Sie die Dehnungskurven für Beton von verschiedenem 
Mischungsverhältnis dargestellt und es ergibt sich z. B. aus dieser 
27G 
Kurve für die Dehnung vom- die einer Eisenbeanspruchung 
von 552 kg entspricht, eine Betonspannung von 49 kg / qcm. Diese 
Fig 2. 
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