Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1898-1904)

No. 2 
Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart. 
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wird dieselbe Knickformel, welche im eisernen Brückenbau als 
die Rankine’sche Knickformel bekannt ist, erhalten, nämlich 
k 
1 +0,0001 . —pr 
im allgemeinen kann man sagen, dass die Knickgefahr bei 
Betoneisensäulen kaum in Betracht kommt, wenn nicht ganz 
außergewöhnliche Verhältnisse vorliegen. 
Einfache Biegung. 
Bei den homogenen Körpern mit konstanten Formänderungs 
koeffizienten werden die Biegungsgleichungen unter der Vor 
aussetzung abgeleitet, dass die vor der Biegung ebenen Quer 
schnitte auch nach der Biegung noch eben sind, obwohl diese 
Voraussetzung mit dem Vorhandensein der Schubspannungen un 
vereinbar ist, da letztere eine S-förmige Wölbung der Querschnitte 
bewirken. 
Der Einfachheit wegen kann mit gleichem Recht dieselbe 
Voraussetzung bei der Biegung armierter Betonkörper gemacht 
werden. Eine Hauptstreitfrage ist die, ob die Zugfestigkeit des 
Betons bei der Biegung berücksichtigt werden soll. 
Unter den in der Praxis stehenden Ingenieuren ist diese 
Frage schon von Anfang an ziemlich entschieden und zwar in 
dem Sinn, dass von der Zugfestigkeit des Betons vollständig 
abgesehen wird und die Eisen auf der Zugseite bis zur zu 
lässigen Zugspannung beansprucht werden. Die Zugspannung 
des Betons bleibt ganz unberücksichtigt. 
Ich erinnere an die von Koenen im Jahre 1886 gegebene 
genäherte Berechnungsweise der Monierplatten, die heute noch 
anwendbar ist. Auf dieser gesunden Grundlage ist die Theorie 
seither weiter ausgebaut worden, was namentlich durch die Elas 
tizitätsversuche möglich geworden ist. Diese Theorie, bei der 
die Zugfestigkeit des Betons unberücksichtigt bleibt, wird unter 
anderen von Emperger, Christophe und Considere vertreten. 
Dem Bestreben, das günstige Verhalten des armierten Betons 
theoretisch zu erklären, verdanken eine sehr grosse Anzahl von 
Berechnungsmethoden ihre Entstehung. Sie sind meist von theo 
retischer, der Praxis ferne stehender Seite ausgegangen. Die 
selben berücksichtigen die Zugfestigkeit des Betons; die ältesten 
Methoden nehmen Zug- und Druckelastizität des Betons gleich 
gross an; später wird der Zugelastizitätsmodul für Beton ge 
ringer angenommen, sodann werden für die Dehnungskurven des 
Betons Parabeln gesetzt und endlich nach den Considereschen 
Versuchen ist die Spannungslinie des gezogenen Betons durch 
eine dem Querschnitt parallele Gerade dargestellt worden. 
Es ist vorauszusehen, dass mit solchen Annahmen Ausdrücke 
erhalten werden, deren Länge vielleicht von den Autoren als 
besonderes Merkmal der Genauigkeit und Zuverlässigkeit be 
trachtet wird. Für den Konstrukteur bieten diese langen For 
meln nichts Verlockendes. Dazu kommt, dass der Ersatz der 
Dehnungskurve durch eine Parabel ungenauer ist als derjenige 
durch eine Gerade, denn für das Potenzgesetz liegt der Expo 
nent m viel näher an 1 als an 2, und man muss den Dehnungs 
kurven Gewalt antun, wenn man sie in die Form einer Parabel 
pressen will. 
Aber abgesehen von alledem bieten diese Berechnungs- 
methoden nicht den wünschenswerten Grad von Sicherheit, sie 
können geradezu gefährlich werden, wenn das Prozentverhältnis 
der Armierung zu gering gewählt wird. 
Berücksichtigt man, dass der Beton der Rissebildung aus 
gesetzt ist, sei es durch mangelhafte Herstellung oder Unter 
brechung während des Betonierens, sei es durch Temperatur 
einwirkungen oder zu rasches Austrocknen, so wird man nicht 
mit Sicherheit auf die Zugfestigkeit des Betons rechnen wollen. 
Tatsächlich besteht keine Sicherheit gegen die Risse im ge 
zogenen Beton und es ist z. B. nicht ausgeschlossen, dass bei 
Belastungsproben schon früh feine Zugrisse im Beton auftreten, 
deren Ursache unbekannt ist. Jedenfalls ist der Zeitpunkt des 
Eintretens der Zugrisse nicht mit Sicherheit vorauszubestimmen. 
Zieht man ferner in Betracht, dass der Zweck jeder statischen 
Berechnung weniger die genaue Ermittlung der in einer Kon 
struktion bei irgend einer Belastung auftretenden Spannungen, 
als vielmehr der Nachweis eines hinreichenden Sicherheitsgrades 
sein soll, so müssen die Zugspannungen des Betons schon aus 
dem Grunde ausser Betracht bleiben, weil seine Zugfestigkeit 
nur bis zur Elastizitätsgrenze des Eisens reicht, also vor Er 
reichung der Bruchlast längst versagt. 
Für einen rechteckigen Querschnitt können wir Formeln für 
die Dimensionierung ableiten, wenn die Dehnungskurve des Betons 
bekannt ist. 
In der Figur 6 bedeutet die Linie 0 E die Linie der 
Spannungen, die identisch ist mit der Dehnungskurve des 
Betons, denn die Zusammendrückungen sind ja proportional den 
Ordinaten, während die Abszissen die entsprechenden Druck 
spannungen vorstellen. 
Auf der Zugseite werden den gemachten Voraussetzungen 
gemäss nur die Zugkräfte der Eiseneinlage wirken und zwar 
auf die Einheit der Breite reduziert. Die Tiefe unter der Neu 
tralaxe bei 0 wird durch die Dehnung bestimmt, welche der an 
zunehmenden zulässigen Eisenbeanspruchung entspricht. Die Span 
nungsfläche des Eisens ist ein Rechteck von geringer Breite und 
sehr grosser Höhe. Nimmt man noch eine zulässige Randspannung 
des Betons an, z. B. = 35, so wird dadurch die Spannungs 
fläche des Betons nach oben abgegrenzt. Bei reiner Biegung sind 
keine äusseren Kraftkomponenten in der Längsrichtung vorhanden; 
es müssen sich also im Querschnitt die Zug- und Druckkräfte aus 
gleichen oder es ist der Inhalt der Druckfläche gleich dem 
Rechteck der Zugkraft. Wird der Abstand des Schwerpunktes 
der Eiseneinlage von der Oberkante mit h bezeichnet, so drückt 
sich demnach f e in Funktion von h und <> b aus und das Mo 
ment M, das gleich dem Inhalt der Druckfläche multipliziert mit 
dem Abstand des Schwerpunkts derselben von der Eiseneinlage 
ist, wird als Funktion von h 2 erhalten oder h und f e ergeben 
sich proportional der Quadratwurzel aus M. 
Es kann also nach diesem Verfahren leicht dimensioniert 
werden, während es nur durch umständliche Versuchsrechnungen 
möglich ist, die Beanspruchung einer bestehenden Konstruktion 
zu ermitteln. 
Derselbe Weg kann rein analytisch unter Anwendung des 
Potenzgesetzes eingeschlagen werden, wobei man wieder die 
Plattenstärke und die Eiseneinlage für gegebene Beanspruchungen 
proportional der Quadratwurzel aus M erhält. 
Anstatt des Potenzgesetzes kann ohne grosse Ungenauig 
keit auch Proportionalität zwischen Dehnungen und Spannungen 
vorausgesetzt werden, so dass sich die in der Figur 7 dar 
gestellte Spannungsverteilung ergibt. Aus der Gleichheit der 
Fig. 7. 
Biegung beim rechteckigen Querschnitt einfache Aimierung. 
x2 + 2.f e .n.x = 2f,.n.h 
Zug- und Druckkraft und der Bedingung, dass die Dehnungen 
von Beton und Eisen proportional dem Abstand von der neu 
tralen Faser sind, ergibt sich für die Berechnung des Abstands x 
der neutralen Faser die quadratische Gleichung 
x 2 +2f e .nx = 2f e .n.h, wobei n — ■jf*— — 10. 
E b
	        
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