Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1898-1904)

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Nachdem diese unerläßlichen Einleitungen erledigt waren, konnte 
mit der Ausführung der Bauten begonnen werden. Es war mittler 
weile September geworden, somit die Bauzeit mit Rücksicht auf die 
rauhe Lage der Baustellen und die Art des Geschäfts bedenklich kurz 
bemessen. Biele Schwierigkeiten machte die Beschaffung der nötigen 
Arbeitskräfte und Materialien, da zu dieser Zeit überall im Eyach 
thal sich eine fieberhafte Thätigkeit entfaltet hatte, und die Arbeits 
kräfte sehr rar geworden waren. Dazu kam der fortwährende Wagen 
mangel auf der Eisenbahn, wodurch der Bezug der Baumaterialien 
sehr erschwert war. Da im Eyachgebiet und der näheren Umgebung 
brauchbares Material zum Beton nicht zu erhalten war, so wurde 
Kies und Sand aus den Moränenhügeln des Donauthals bei Mengen 
und Sigmaringen durch die Eisenbahn bezogen. Um die vorhandenen 
Hilfsmittel der Werkbesitzer, wie Fuhrwerke, Materialien u s. w. 
möglichst auszunützen und dadurch an Baukosten zu sparen, wurde 
für die Gründungsarbeiten und die Herstellung der Wehrkörper aus 
Beton vielfach der Regiebetrieb gewählt, welcher zwar bedeutend mehr 
Arbeit für die Bauleitung verursachte, aber andererseits verschiedene 
Vorteile für die Werkbesitzer bot. Durch diese Bauweise wurden 
auch die Schwierigkeiten umgangen, welche bei Ausführung der in 
ihrem Umfang im voraus kaum zu bemessenden Gründungsarbeiten 
durch Unternehmer entstanden wären. 
Während des Herbstes gestaltete sich das Wetter sehr günstig, 
so daß die Bauten rasch gefördert werden konnten. Der Wasserstand 
sank fortwährend, schließlich konnte die ganze Eyach in den Mühl 
kanälen abgeführt werden. Die Fundierungsarbeiten wurden hiedurch 
in den »leisten Füllen sehr vereinfacht, es konnte fast überall ohne 
wesentliche Schwierigkeiten auf dem festen Schieferfels des schwarzen 
und braunen Jura aufgesetzt werden. 
Die gesamte Eisenkonstruktion für die Wchroberbanten im Ge 
wicht von ca. 54000 kg wurde auf Grund eingehender statischer 
und Gewichtsberechnungen an die Maschinenfabrik Wälde, Kade 
und Erath in Steinbach bei Hall zum Preis von 35 Jl. für 100 kg 
vergeben. Weitere Eisenkonstruktionen für die Dammbalkenwehre, 
die selbstwirkenden Wehre und einige größere Gerinne wurden von 
den vereinigten Werkstätten Zum Bruderhaus in Reutlingen, von 
der Maschinenfabrik Hildt & Metzger in Berg und von der 
Mühlenbauwerkstätte Gebrüder Stilling in Dußlingen zum Preise 
von 35—58 Jl für 100 kg geliefert. 
Bei Berechnung der Stärke der Eisenteile wurde eine größte 
Inanspruchnahme des Flußeisens von 750 kg für das qcm ange 
nommen und die Abmessungen so bestimmt, daß diese Inanspruch 
nahme durch den Wasserdruck erst eintritt, wenn das Wasser die 
Fallen 20 mm hoch überströmt. Ein derartiger Fall dürfte aber 
nur bei nachlässiger Bedienung eintreten. Die Aufzugvorrichtungen 
wurden derart bemessen, daß dieselben bei dem genannten Wasserstand 
noch von einem Mann leicht bedient werden können. Es genügten 
demnach bei den nicht mehr als 1,5 m breiten und 1,0 m hohen 
Fallen Hebelaufzugvorrichtungen, während bei den größeren Fallen 
Schneckengetriebe in Anwendung kamen. 
Leider war es der Maschinenfabrik nicht möglich, die Eisenkon 
struktion bis zu dem vereinbarten Zeitpunkt zu liefern, da sie von 
den Hüttenwerken im Stich gelassen worden war. Die Fertigstellung 
der Betonbauten verzögerte sich hiedurch in unliebsamster Weise bis 
in den Winter hinein und es war Ende Dezember geworden, als die 
letzten Eisenteile eingesetzt wurden. Glücklicherweise wurden die Arbeiten 
vom Wetter sehr gefördert, so daß bis zum Schluß, allerdings zuletzt 
unter Anwendung warmen Wassers und mittelst Vorwärmens der 
Materialien, ohne Gefahr betoniert werden konnte. Es ist dies bei 
der Höhenlage der höchstgelegenen Baustelle von nahezu 800 m 
als ein sehr günstiger Zufall zu betrachten. 
Die Kosten der von den staatlichen Kulturingenieuren ausge 
führten 14 Stauanlagen waren veranschlagt zu ca. 99600 Jl und 
zwar bewegten sich die einzelnen Bauwerke in den Grenzen zwischen 
2300 und 12600 Jl. Die thatsächlichen Kosten der Ausführung 
betrugen 94449 Jl 86 Pf., der Kostenvoranschlag wurde demnach nicht 
überschritten. Von diesen Kosten konnte dank der reichlich geflossenen 
Spenden edler Menschenfreunde auf das Hilfskomite übernommen 
werden zus. 72 760-^05 Pf., so daß von den Werkbesitzern zu 
tragen waren 21687 Jl 81 Pf. Der Aufwand, welcher dem einzelnen 
Werkbesitzer hiebei erwuchs, betrug bis zu 3540 Jl. 
Neben den reichlich eingegangenen Liebesgaben hat auch das 
Entgegenkommen der Kgl. Eisenbahnverwaltung, welche eine beträcht 
liche Frachtermäßigung für die zum Wiederaufbau der zerstörten 
Anlagen bestimmten Sendungen eintreten ließ, zu diesem günstigen 
Abschlußergebnis beigetragen. 
Seitens des Staates wurden die Werkbesitzer schließlich noch 
dadurch unterstützt, daß ihnen auf ihr Ansuchen die Rückerstattung 
der Kosten der unmittelbaren Bauaufsicht an die Staatskasse er 
lassen wurde. 
Nach vollzogener Fertigstellung der sämtlichen Wehranlagen und 
Uebergabe derselben an die Wcrkbesitzer wurden diese behufs Herbei 
führung einer im Interesse der Oeffentlichkeit und der Eigentümer 
selbst liegenden sachgemäßen Bedienung und Instandhaltung mit dem 
Mechanismus genau bekannt gemacht. 
Es haben sich bis jetzt die sämtlichen Anlagen gut bewährt. 
Wenn anfangs auch von berufener und unberufener Seite über die 
ungewohnte Einrichtung und die Last, welche den Werkbesitzern durch 
die verlangte Bedienung der Wehre auferlegt worden sei, Klage ge 
führt wurde, so sind diese Klagen in der Folge vollständig verstummt 
und die Werkbesitzer haben sich mit den veränderten Verhältnissen 
befreundet. Da auch von seiten der Verwaltungsbehörden den Werk 
besitzern sachgemäße und rechtzeitige Bedienung der Stauanlagen zur 
strengen Pflicht gemacht worden ist, so dürften diese bei eintretendem 
Hochwasser im Verein mit den übrigen Korrektionsarbeiten als segens 
reiche Einrichtungen sich erweisen, welche dazu beitragen werden, daß 
Beschädigungen durch Hochwasser künftig zu den seltenen Aus 
nahmen gehören. 
Eine weitere Sicherung gegen Hochwasserschäden wird dadurch 
erreicht, daß sämtliche Werkbesitzer an das Telefonnetz angeschlossen 
werden sollen, so daß plötzlich eintretende Hochwasser rasch gemeldet 
und die entsprechenden Maßregeln getroffen werden können. 
Wer heute das Eyachthal bereist, wird dasselbe vollständig ver 
ändert finden. Anstatt der alten baufälligen aber malerischen Brücken 
und Wehre sind solide stattliche Bauten aus haltbaren Materialien 
getreten, welche dem Zahn der Zeit wohl lange trotzen können. 
Der poetische Reiz der Landschaft, der dem Künstler willkommenen 
Stoff bot und den Naturfreund entzückte, mit dem Rauschen der 
Wasser über das morsche Wehr in der tiefen schattigen Schlucht, 
mit den malerischen Baumgruppen und lauschigen Plätzen, dieser 
idyllische Zauber ist allerdings verschwunden. 
Bau des Eyachwehres M Schlöhlesmuhle auf Markung Irommeru. 
(Mit einer Zeichnung.) 
Vortrag, gehalten am 8. Januar 1898 von Bauinspektor M o e r i k e. 
In dem vorstehenden Vortrag des Herrn Baurat Canz sind die 
allgemeinen Verhältnisse, unter welchen die Wehrbauten an der Eyach 
im Jahr 1895 zur Ausführung gelangten, geschildert worden. Die 
Beschreibung mit zeichnerischer Darstellung eines einzelnen Wehr 
baues, wie solcher für die größeren Wehre mehr oder minder typisch 
war, mag als Ergänzung willkommen sein. 
Oberhalb Frommern durchbricht die Eyach die Jurensismergel 
und die oberen Partien des Posidonienschiefers im schwarzen Jura. 
Der Fluß hat sich ein schluchtartiges Bett mit nahezu senkrechten 
Wänden 10—15 m tief in die Schieferbänke eingefressen und stürzt 
über meterhohe Absätze in kesselartig ausgebildete Felsbecken. Das 
Mühlgebäude mit Säge und Stallung steht ca. 100 m unterhalb
	        

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