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Nachdem diese unerläßlichen Einleitungen erledigt waren, konnte
mit der Ausführung der Bauten begonnen werden. Es war mittler
weile September geworden, somit die Bauzeit mit Rücksicht auf die
rauhe Lage der Baustellen und die Art des Geschäfts bedenklich kurz
bemessen. Biele Schwierigkeiten machte die Beschaffung der nötigen
Arbeitskräfte und Materialien, da zu dieser Zeit überall im Eyach
thal sich eine fieberhafte Thätigkeit entfaltet hatte, und die Arbeits
kräfte sehr rar geworden waren. Dazu kam der fortwährende Wagen
mangel auf der Eisenbahn, wodurch der Bezug der Baumaterialien
sehr erschwert war. Da im Eyachgebiet und der näheren Umgebung
brauchbares Material zum Beton nicht zu erhalten war, so wurde
Kies und Sand aus den Moränenhügeln des Donauthals bei Mengen
und Sigmaringen durch die Eisenbahn bezogen. Um die vorhandenen
Hilfsmittel der Werkbesitzer, wie Fuhrwerke, Materialien u s. w.
möglichst auszunützen und dadurch an Baukosten zu sparen, wurde
für die Gründungsarbeiten und die Herstellung der Wehrkörper aus
Beton vielfach der Regiebetrieb gewählt, welcher zwar bedeutend mehr
Arbeit für die Bauleitung verursachte, aber andererseits verschiedene
Vorteile für die Werkbesitzer bot. Durch diese Bauweise wurden
auch die Schwierigkeiten umgangen, welche bei Ausführung der in
ihrem Umfang im voraus kaum zu bemessenden Gründungsarbeiten
durch Unternehmer entstanden wären.
Während des Herbstes gestaltete sich das Wetter sehr günstig,
so daß die Bauten rasch gefördert werden konnten. Der Wasserstand
sank fortwährend, schließlich konnte die ganze Eyach in den Mühl
kanälen abgeführt werden. Die Fundierungsarbeiten wurden hiedurch
in den »leisten Füllen sehr vereinfacht, es konnte fast überall ohne
wesentliche Schwierigkeiten auf dem festen Schieferfels des schwarzen
und braunen Jura aufgesetzt werden.
Die gesamte Eisenkonstruktion für die Wchroberbanten im Ge
wicht von ca. 54000 kg wurde auf Grund eingehender statischer
und Gewichtsberechnungen an die Maschinenfabrik Wälde, Kade
und Erath in Steinbach bei Hall zum Preis von 35 Jl. für 100 kg
vergeben. Weitere Eisenkonstruktionen für die Dammbalkenwehre,
die selbstwirkenden Wehre und einige größere Gerinne wurden von
den vereinigten Werkstätten Zum Bruderhaus in Reutlingen, von
der Maschinenfabrik Hildt & Metzger in Berg und von der
Mühlenbauwerkstätte Gebrüder Stilling in Dußlingen zum Preise
von 35—58 Jl für 100 kg geliefert.
Bei Berechnung der Stärke der Eisenteile wurde eine größte
Inanspruchnahme des Flußeisens von 750 kg für das qcm ange
nommen und die Abmessungen so bestimmt, daß diese Inanspruch
nahme durch den Wasserdruck erst eintritt, wenn das Wasser die
Fallen 20 mm hoch überströmt. Ein derartiger Fall dürfte aber
nur bei nachlässiger Bedienung eintreten. Die Aufzugvorrichtungen
wurden derart bemessen, daß dieselben bei dem genannten Wasserstand
noch von einem Mann leicht bedient werden können. Es genügten
demnach bei den nicht mehr als 1,5 m breiten und 1,0 m hohen
Fallen Hebelaufzugvorrichtungen, während bei den größeren Fallen
Schneckengetriebe in Anwendung kamen.
Leider war es der Maschinenfabrik nicht möglich, die Eisenkon
struktion bis zu dem vereinbarten Zeitpunkt zu liefern, da sie von
den Hüttenwerken im Stich gelassen worden war. Die Fertigstellung
der Betonbauten verzögerte sich hiedurch in unliebsamster Weise bis
in den Winter hinein und es war Ende Dezember geworden, als die
letzten Eisenteile eingesetzt wurden. Glücklicherweise wurden die Arbeiten
vom Wetter sehr gefördert, so daß bis zum Schluß, allerdings zuletzt
unter Anwendung warmen Wassers und mittelst Vorwärmens der
Materialien, ohne Gefahr betoniert werden konnte. Es ist dies bei
der Höhenlage der höchstgelegenen Baustelle von nahezu 800 m
als ein sehr günstiger Zufall zu betrachten.
Die Kosten der von den staatlichen Kulturingenieuren ausge
führten 14 Stauanlagen waren veranschlagt zu ca. 99600 Jl und
zwar bewegten sich die einzelnen Bauwerke in den Grenzen zwischen
2300 und 12600 Jl. Die thatsächlichen Kosten der Ausführung
betrugen 94449 Jl 86 Pf., der Kostenvoranschlag wurde demnach nicht
überschritten. Von diesen Kosten konnte dank der reichlich geflossenen
Spenden edler Menschenfreunde auf das Hilfskomite übernommen
werden zus. 72 760-^05 Pf., so daß von den Werkbesitzern zu
tragen waren 21687 Jl 81 Pf. Der Aufwand, welcher dem einzelnen
Werkbesitzer hiebei erwuchs, betrug bis zu 3540 Jl.
Neben den reichlich eingegangenen Liebesgaben hat auch das
Entgegenkommen der Kgl. Eisenbahnverwaltung, welche eine beträcht
liche Frachtermäßigung für die zum Wiederaufbau der zerstörten
Anlagen bestimmten Sendungen eintreten ließ, zu diesem günstigen
Abschlußergebnis beigetragen.
Seitens des Staates wurden die Werkbesitzer schließlich noch
dadurch unterstützt, daß ihnen auf ihr Ansuchen die Rückerstattung
der Kosten der unmittelbaren Bauaufsicht an die Staatskasse er
lassen wurde.
Nach vollzogener Fertigstellung der sämtlichen Wehranlagen und
Uebergabe derselben an die Wcrkbesitzer wurden diese behufs Herbei
führung einer im Interesse der Oeffentlichkeit und der Eigentümer
selbst liegenden sachgemäßen Bedienung und Instandhaltung mit dem
Mechanismus genau bekannt gemacht.
Es haben sich bis jetzt die sämtlichen Anlagen gut bewährt.
Wenn anfangs auch von berufener und unberufener Seite über die
ungewohnte Einrichtung und die Last, welche den Werkbesitzern durch
die verlangte Bedienung der Wehre auferlegt worden sei, Klage ge
führt wurde, so sind diese Klagen in der Folge vollständig verstummt
und die Werkbesitzer haben sich mit den veränderten Verhältnissen
befreundet. Da auch von seiten der Verwaltungsbehörden den Werk
besitzern sachgemäße und rechtzeitige Bedienung der Stauanlagen zur
strengen Pflicht gemacht worden ist, so dürften diese bei eintretendem
Hochwasser im Verein mit den übrigen Korrektionsarbeiten als segens
reiche Einrichtungen sich erweisen, welche dazu beitragen werden, daß
Beschädigungen durch Hochwasser künftig zu den seltenen Aus
nahmen gehören.
Eine weitere Sicherung gegen Hochwasserschäden wird dadurch
erreicht, daß sämtliche Werkbesitzer an das Telefonnetz angeschlossen
werden sollen, so daß plötzlich eintretende Hochwasser rasch gemeldet
und die entsprechenden Maßregeln getroffen werden können.
Wer heute das Eyachthal bereist, wird dasselbe vollständig ver
ändert finden. Anstatt der alten baufälligen aber malerischen Brücken
und Wehre sind solide stattliche Bauten aus haltbaren Materialien
getreten, welche dem Zahn der Zeit wohl lange trotzen können.
Der poetische Reiz der Landschaft, der dem Künstler willkommenen
Stoff bot und den Naturfreund entzückte, mit dem Rauschen der
Wasser über das morsche Wehr in der tiefen schattigen Schlucht,
mit den malerischen Baumgruppen und lauschigen Plätzen, dieser
idyllische Zauber ist allerdings verschwunden.
Bau des Eyachwehres M Schlöhlesmuhle auf Markung Irommeru.
(Mit einer Zeichnung.)
Vortrag, gehalten am 8. Januar 1898 von Bauinspektor M o e r i k e.
In dem vorstehenden Vortrag des Herrn Baurat Canz sind die
allgemeinen Verhältnisse, unter welchen die Wehrbauten an der Eyach
im Jahr 1895 zur Ausführung gelangten, geschildert worden. Die
Beschreibung mit zeichnerischer Darstellung eines einzelnen Wehr
baues, wie solcher für die größeren Wehre mehr oder minder typisch
war, mag als Ergänzung willkommen sein.
Oberhalb Frommern durchbricht die Eyach die Jurensismergel
und die oberen Partien des Posidonienschiefers im schwarzen Jura.
Der Fluß hat sich ein schluchtartiges Bett mit nahezu senkrechten
Wänden 10—15 m tief in die Schieferbänke eingefressen und stürzt
über meterhohe Absätze in kesselartig ausgebildete Felsbecken. Das
Mühlgebäude mit Säge und Stallung steht ca. 100 m unterhalb