Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1898-1904)

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eines solchen Absturzes auf alluvialem, nicht viel über Mittelwasser 
gelegenem Vorland und wird von beiden Steilufern hoch überragt. 
Das über 100 Jahre alte, aus Holz gebaute und mehrfach erneute 
Kastenwehr von ca. 2,5 m Höhe war beiderseits in den Felsen ein 
gelassen und stand auf einer harten, dem Wasser zähen Widerstand 
leistenden Schiefervlatte unmittelbar über einem 2 m hohen senk 
rechten Absturz. Dem Anprall der sich in der Schreckensnacht vom 
5./6. Juni 4 m hoch über die Wehrkrone stürzenden, mit Trümmern 
aller Art beladenen Wasserwelle konnte der Holzbau nicht wider 
stehen; er riß durch, sodass nur einige wenige im Fels festgeklemmte 
Balkenstummeln auf die frühere Lage des Wehres schließen ließen. 
Dank der soliden Bauart hielt das Mühlgebäude (Nro. 55 im 
Lageplan), bis in dessen erstes Stockwerk die Wasser einbrachen, 
stand, nur die Mühleneinrichtung des Erdgeschosses wurde fußhoch 
mit Schlamm überdeckt. Die Wasserräder in der zusammengebrochenen 
Radstube wurden aus ihren Lagern gerissen und bildeten mit den 
eingestürzten steinernen Widerlagern einen unentwirrbaren Trümmer 
haufen. Die leichtgebaute Sägmühle, von dem Mühlgebäude in 
etwas geschützt, war unterwaschen; das Gebälk der südlichen und der 
Giebelwand hieng teilweise mit seinen Pfosten in der Luft, sodas; 
das Dach mit gänzlichem Einsturz drohte. Nahezu ebenso schlimm 
war das dem Wasseranprall am meisten ausgesetzte, zweistöckige 
Oekonomiegebäude mit Stallungen (Nro. 54) zugerichtet; größere 
Partien der Außenwände waren geborsten und eingestürzt. Das 
Innere konnte nur mit Lebensgefahr betreten werden. An Stelle 
des Wehres hatte sich eine übermannshohe Trümmerbarrikade von 
Pappelbäumen, Strauchwerk, Gebälk aller Art, Hausrat, Scheitern 
u. dergl. festgekeilt. Der hölzerne Kühner (Oberkanal) zwischen 
Wehr und Nadstube war weggeschwemmt. Ebenso war es der die 
einzige fahrbare Verbindung mit Frommern bildenden Brücke über 
die Eyach am Ortswcg Nro. 10 ergangen. Der Hausgarten und 
Hofraum war meterhoch mit Kies und Geröll bedeckt. 
Mit den Aufräumungsarbeiten konnte erst etwa 2 Wochen nach 
der Katastrophe begonnen werden; zunächst mußte noch ein Sinken 
des Wasscrstandes abgewartet werden, auch bedurfte es dieser Zeit, 
bis die von Schreck gelähmten Besitzer daran denken konnten, plan 
mäßig mit Hilfe der Techniker an das Werk der Wiederherstellung 
zu gehen. 
Das erste war, daß von den Pionieren die Ehachbrücke als 
Notbau erstellt wurde. In der dritten Woche wurden die Säube- 
rungsarbciten in der Mühle, dem Hof und dem Flußbett vor 
genommen. Die notdürftig abgesprießten Gebäude wurden mittler 
weile mit Mauerwerk unterfangen, die Fußböden und Innenwände 
im Gebäude Nro. 54 abgestützt und die Treppen wieder in stand 
gesetzt. Der gänzlich verschlammte Unterkanal wurde geräumt und 
die Wiederaufmauerung der eingestürzten Stützmauern eingeleitet. 
Um den Mühlenbetrieb, wenn auch nur in provisorischer Weise, in 
Zeitkürze wieder aufnehmen zu können, mußte rasch für den Ersatz 
des Kähners gesorgt werden. Der alte Kühner war auf Holzböckcn, 
die mit ihm fortgeschwemmt worden waren, gelegen. Statt dieser 
wurden durchbrochene Betonpfciler (Fig. 7 und 8), auf welchen die 
Tragbalken mit im Beton verankerten Bolzen solid befestigt waren, 
gewählt, so daß ein Abschwemmen des mit den Tragbalken sicher ver 
bundenen Krähners künftig verhindert wird. Dieser Kühner trügt 
eine hochwasserfreie Laufdiele als Zugang für die Bedienung des 
Wehres. Die Betonpfeiler wurden auf witterungsbeständige Schichten 
des Schiefers aufgesetzt. Zum Schutz des Kähners mußten einige 
hundert Cubikmeter losen Gesteins der vielfach überhängenden links 
seitigen Uferwand abgesprengt werden. Innerhalb drei Wochen wurde 
der rund 110 m lange, im Lichten 1,5 m weite, mit Karbolineum 
bestrichene Holzkühncr von einem Zimmermann des Ortes betriebs 
fähig aufgestellt, sodaß das Mühlwerk mit einem provisorisch er 
stellten Fangdamm oberhalb der neuen Wehrstelle ausgangs Juli 
hätte wieder in Gang gesetzt werden können. Die Erneuerung des 
inneren Mühlwerks und der Wasserräder zog sich aber bei dem all 
seitig hervortretenden Bedarf und dem Mangel an Mühlärzten bis 
in den Monat September hinein hin. 
Bei Anfstellnng des Projektes waren folgende Verhältnisse und 
Erwägungen maßgebend. Die Mühle zählt 3 Mahlgänge und 
1 Gerbgang; die Sägmühle arbeitet mit 1 Blatt und außerdem 
trieb 1 Gang eine Hanfreibe; der volle Betrieb beanspruchte demnach 
ca. 23 effektive Pferdckrüfte. Das Gefäll, in der Radstnbe ge 
messen, betrug 4,2 m, sodaß bei 630 Sekundenliter Zufluß (reich 
liches Mittelwasser) und 65°/o Nutzeffekt der oberschlächtigen, hölzernen ; 
Wasserräder die erforderliche Triebkraft vorhanden war. Bei Nieder 
wasser ging die Leistung wohl bis auf 1 Gang zurück. Der Stau- 
wasserspiegel wurde wie beim alten Wehr beibehalten, er lag an der 
Baustelle ca. 2,5 m über der festen Schieferplatte der Flußsohle. 
Es, wäre wohl angegangen, das Mauerwerk direkt auf diese auf 
zusetzen; mit Rücksicht aber darauf, daß schon eine geringe Be 
schädigung des Gesteins den Fuß der Widerlager gefährdet hätte und 
daß ein Abschwächen der Gewalt des abstürzenden Wassers auch der 
Erhaltung der Felsplatte unterhalb des Wehrkörpers zu statten kommt, 
wurde die Absturzpritsche kesselförmig ausgebildet. Durch das ent 
stehende Wasserkissen wird auch die Heftigkeit des Stoßes der um 
stürzenden, eisernen Fallenpfosten in wünschenswerter Weise gemildert. 
Um gegen etwaige Abbrüche der Felsplatte im Lauf der Jahre ge 
sichert zu sein, wurde die Baustelle 25 m vom alten Wehr an auf 
wärts gerückt. Für die lichte Weite des Wehres mit 9,0 m war 
zunächst die Breite der eigentlichen Flußrinne an der Baustelle maß 
gebend. Da das Flußprofil programmgemäß durch den festen Wehr 
körper möglichst wenig verbaut werden sollte, so konnte an eine, nur 
geringe (0,6 m) Stauhöhe voraussetzende, automatisch wirkende Fallcn- 
anlage nicht gedacht tverden. Es wurde daher auch im vorliegenden 
Fall an dem gewählten Wchrtypus mit umlegbaren Ständern fest 
gehalten. Da die Fallcutafeln eine Höhe von mindestens 1,6 m 
mit Rücksicht auf die eben angegebenen Gründe erhalten sollten, so 
mußte auch von der einfachen Aufzugsvorrichtung mit Hebel (s. Fig. 11), 
wie solche für 1,5 m breite und 1,1 m hohe Tafeln gerade noch 
ausreichen, abgesehen werden. Das Nächstliegende war, den Hebel 
durch ein von einem Mann zu bedienendes Schneckengetriebe zu er 
setzen, was den weiteren Vorteil bot, an eine Auszugswelle 2 Tafeln 
von zusammen 3,6 m Breite zu hängen. Die Fallenbreite von 
1,8 m Weite ist mit Rücksicht ans die übrigen Wehrkoustruktionen, 
die unterhalb Frommern zur Ausführung gelangten und größere 
Länge erhielten, gewählt worden; cs wurden dort je nach Bedarf 
1 oder 2 Tafeln weiter eingeschaltet. Selbstverständlich mußte der 
die Aufzugsvorrichtung tragende Steg entsprechend der vermehrten 
Last verstärkt werden. Letztere wird zu einem guten Teil durch den 
Reibungswiderstand der Fallentafeln an den Ständern beim Aufziehen 
bestimmt; für die Berechnung wurde ein Reibungscoeffizient von 0,65 
angenommen. (Schluß folgt.) 
Herausgegeben vom Württemb. Verein für Vanknnde. Für denselben: Gberbanrat a. D. v. Ärockmann. — Druck von Alfred Müller & Co. — Verlag von 2. Weisels 
Hofbuchhandlnng. sämtlich in Ltuttgart.
	        

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