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Monatsschrift des Württembg. Vereins für Badkdnde in Stuttgart.
Nr. 3
arbeiten den Ausführungen in der Praxis näher und erhalten
dadurch nicht nur einen theoretischen, sondern auch einen
praktischen Wert.
Es werden zwar noch weitere, zahlreiche Untersuchungen
und Prüfungen nicht nur in den Laboratorien, sondern auch
in der Praxis auf dem Bauplatze notwendig werden, bis in
diese Sache volle Klarheit kommt.
Es kann daher den Betongeschäften, insbesondere aber den
staatlichen und kommunalen Baubehörden nicht genug empfohlen
werden, bei jeder grösseren Betonarbeit Betonwürfel herstellen
und in einer Prüfungsanstalt auf ihre Festigkeit untersuchen zu
lassen. Hätte dies bei den vielen Brückenbauten, die in den
letzten Jahrzehnten aus Beton hergestellt worden sind und wie
es bei der Munderkinger und Berger Donaubrücke geschehen ist,
stattgefunden, so hätten wir schon eine sehr wertvolle Statistik
und müssten nicht, wie es leider heute noch geschieht, immer
nur dem Gefühl nach beurteilen, welche Festigkeit der Beton
in seiner verschiedenartigen Zusammensetzung hat. Es würde
sich bald herausstellen, welch grossen Einfluss die Qualität des
Cementes, die richtige Auswahl der Beimischungsmaterialien als
Sand, Kies und Schotter, die Aufbereitung und Verarbeitung
des Betons auf dessen Festigkeit und Güte ausüben.
Wenn dann die Bauleitung durch Berechnung die Bean
spruchung des Betons festgesetzt hat, so würde es dem Unter
nehmer ein leichtes sein, bestimmen zu können, auf welche Art
und Weise der Beton herzustellen ist, um eine Festigkeit zu
erlangen, die genügende Sicherheit für den Bestand der Aus
führung bietet. Nur durch mehrjährige, vielseitige und sorg
fältige Prüfungen des Betons lässt sich dies alles feststellen.
Wir haben zwar zur Untersuchung und Prüfung des
Portlandcementes staatlich anerkannte Normen, allein diese
Untersuchungen haben für die Praxis, also zur Beurteilung des
Betons, nur ganz geringen Wert, denn einmal wird der Beton
nicht aus Normalsand hergestellt, wie dies bei den Cementproben
der Fall ist, und sodann hat zweitens mancher Cement die
Eigenschaft, dass er eine sehr hohe Normenfestigkeit, ins
besondere hohe Zugfestigkeit aufweist, während dessen Beton
festigkeit eine ganz geringe ist.
Sodann lassen sich derartige Untersuchungen und Prüfungen
ja leicht ausführen. Wir haben unsere gut eingerichteten und
vorzüglich geleiteten Materialprüfungsanstalten, die uns dabei
an die Hand gehen. Die Kosten, die solche Untersuchungen
verursachen, werden reichlich ausgewogen sowohl durch Er
sparung an Materialien, als insbesondere durch das Bewusstsein
vollständiger Sicherheit.
Vor nicht langer Zeit hatte ich Gelegenheit, an einem Neubau
die Wahrnehmung zu machen, dass die Festigkeit des dabei
verwendeten Baumaterials überschätzt wurde und infolgedessen
Verstärkungen in Eisenkonstruktion angebracht werden mussten,
um die Haltbarkeit des Baues zu sichern.
Hätte der betreffende Baumeister die Festigkeit des Steins
gekannt (es war kein Beton bezw. Kunststeinfabrikat, sondern
Werkstein), so würde er entweder zu einem Baumaterial von
höherer Festigkeit gegriffen oder die Mauern derartig verstärkt
haben, dass ihre Beanspruchung mit der Festigkeit des Steins
im Einklang gestanden wäre; die nachträglich mit grossen
Kosten ausgeführte Verstärkung mit Eisen wäre erspart
geblieben.
Also prüfen Sie Ihre Baumaterialien und untersuchen Sie
dieselben auf ihre Festigkeit. Die Festigkeitsfrage ist ebenso
wichtig wie die Preisfrage, ja in vielen Fällen noch wichtiger,
weil Fehler in dieser Beziehung viel schlimmere Folgen haben
können als ein unrichtiger Preisansatz.
Der verstorbene Präsident von Leibbrand, der für den
Brückenbau aus Cementbeton bahnbrechend vorgegangen ist,
führte oft den Wahlspruch an:
„Erst prüfen und wägen, dann wagen“
und diesem Wahlspruch möchte ich noch beifügen:
„Prüfet alles und wählet das Beste!“
Beton-Probebogen
der Stuttgarter Cementfabrik Blaubeuren in Ehingen a. D.
Von Herrn Fabrikdirektor Hoch in Ehingen a. d. D.
Im Juni 1896 wurde von der Stuttgarter Cementfabrik
Blaubeuren ein Probebogen aus Cementbeton mit Eiseneinlagen
20 m Spannweite, 1,54 m Pfeilhöhe, 12 cm Scheitelstärke,
22 cm an den Kämpfern und 32 cm Stärke an den Bruchfugen
hergestellt.
Sowohl im Scheitel als an den beiden Kämpfern wurden
Bogengelenke aus Gusseisen mit Stahlbolzen angebracht.
Dieser Bogen sollte durch Belastung auf seine Tragfähigkeit
geprüft, insbesondere sollten aber auch seine Formveränderungen
bei der Belastung und die Folge des Temperaturwechsels beo
bachtet und gemessen werden.
Bei der Konstruktion des Bogens bestand die Absicht, die
Bogenform so zu wählen, dass während der Belastung desselben
nicht nur Druck-, sondern auch außergewöhnlich grosse Zug
spannungen auftreten mussten.
Um nun diese Zugbeanspruchungen für die Haltbarkeit des
Bogens unschädlich zu machen, wurden Eisenträger Profil
Nr. 8, also die schwächste Sorte Eisenträger, in den Bogen ein
gelegt. (Vergl. Schnitt a auf Zeichnung Nr. 1.)
Durch diese Einlagen sollte ferner der Beweis erbracht
werden, dass Eisen und Beton so ziemlich gleiche Wärmeaus
dehnungen haben und weiter, dass Cement das Eisen vor Rost
bildung schützt, falls dieses in Beton eingehüllt ist.
Der Ort der Aufstellung des Bogens war der Fabrikhof der
Ehinger Cementfabrik
Die Fundamente der beiden Widerlager des Bogens wurden
je 4 m im Geviert und 3,5 bis 4 m tief ausgehoben. Der
Baugrund war tonhaltiger Kies. Der Beton für die Fundamente
bestand aus einer Mischung von 1 Teil Portlandcement, 4 Teilen
Sand, 8 Teilen Kies. Das Mischungsverhältnis für den Bogen
beton war 1 Teil Portlandcement und 7 '/ 2 Teile mit den Stein
brecher zerkleinerter Kalkstein aus dem weissen Jura. Statt
des Sandes wurde der durch die Zerkleinerung erzeugte Gries
des Kalksteins (ca. 30 °/ 0 ) verwendet.
Zu den Entlastungsbögen wurde ein Beton von 1 Teil
Portlandcement, 4 Teilen Sand und 7‘/ 2 Teilen Schotter angewandt.
Die Herstellung des Betons geschah mit der Kugelmisch
trommel. Ich setze voraus, dass diese Maschine bekannt ist,
und halte mich daher nicht länger mit der Beschreibung der
selben auf, nur das muss ich bemerken, dass der mit der Kugel
mischtrommel hergestellte Beton sehr innig und gleichmässig
gemischt wird. Dabei wird der Cement durch die Stahlkugeln
mit Energie an die Flächen des Sandes und Kieses gerieben,
was auch die Ursache sein mag, dass die Festigkeit dieses
Maschinenbetons 20—30 °/ 0 höher ist als die des Handbetons.
Die Menge des Anmachwassers betrug 5 °/ 0 , es kam daher
plastischer Beton zur Anwendung.
Der Beton wurde in radialen Schichten in der Stärke von
50 cm eingebracht und mit eisernen Stampfern so lange ge
stampft, bis sich eine plastische Masse bildete.
16 Tage nach Bogenschluss wurde das Lehrgerüst abge
lassen und entfernt, wodurch sich der Bogen im Scheitel um
4‘/ 2 mm senkte, was wohl dem Nachlassen der beiden Wider
lager von 1 bezw. l‘/ 2 mm zuzuschreiben ist.
12 Tage nach dem Ausschalen, also 4 Wochen nach
| Bogenschluss, wurde mit der Belastung begonnen, die bis zu
einer Höhe von 1,4 m fortgesetzt wurde. Nach der Berechnung
des Herrn Baurat Braun aus Ehingen war die Beanspruchung
des Bogens durch diese Belastung
im Scheitel 148 kg Druck,
in Fuge N 187 „ „ 28 kg Zug,
„ „ M 163 „ „ 55 „ „
an den Kämpfern 85 „ „
wie dies auf Zeichnung Nr. 2 auf der rechten Seite graphisch
dargestellt ist.
Mit dieser Last blieb nun der Bogen ein Jahr lang stehen.
Zum Zwecke der Beobachtungen, wie sich der Bogen bei
der Belastung und infolge des Temperaturwechsels bewege,
wurde im Scheitel desselben ein Messapparat angebracht, wie
solcher auf Zeichnung Nr. 3 dargestellt ist, wodurch Bewegungen
von 1 j i0 mm genau abgelesen werden konnten. Auf Zeichnung
Nr. 4 können diese Bewegungen verfolgt werden.