Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1898-1904)

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Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart. 
Nr. 5 und 6 
Reihen um 3 mm gesenkt. Etwa vier Wochen nach Gewölbe 
schluss wurden, nachdem die Pfeiler und die Anken über 
den gefährlichen Fugen entsprechend ausgemauert waren, die 
Lehrbogen soweit gesenkt, dass die Gewölbe ganz auf den Wider 
lagern ruhten. Damit wurde bezweckt, dass die Gelenkquader all 
mählich Druck erhielten, der Beton des Gewölbes unter Druck 
erhärtet ist und dass sich Gelenke und Beton vor dem vollständigen 
Erhärten den nach Senkung des Lehrgerüstes an sie heran 
tretenden Beanspruchungen anpassen konnten. 
Die Senkungen und Bewegungen des Lehrgerüstes wurden 
fortwährend beobachtet. Die Gesamtsenkung war zu 100 mm 
berechnet und bei der Herstellung der Lehrbogen in diesem Masse 
berücksichtigt. Es trat aber nur eine Gesamtsenkung von rund 
50 mm ein, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass die Gerüste 
in sehr sorgfältiger Weise erstellt, alle Stirnflächen der Gerüst 
hölzer mit starkem Eisenblech gegen Einbeissen geschützt und 
die Betongewölbe in sorgfältigster Weise eingestampft wurden. 
Senkungen der Pfeiler konnten nicht festgestellt werden. 
Die Berührungsflächen der Gelenke haben sich schon nach 
dem ersten Nachlassen der Senkschrauben vollständig geschlossen 
so dass auf die ganze Länge der Gelenkfugen kein Lichtschimmer 
mehr beobachtet werden konnte. Nach vollständiger Fertigstellung 
der Brücke hatte die Berührungsfläche, soweit es erhoben werden 
konnte, eine Breite von rund 8 cm, die Beanspruchung der Ge 
lenkquader betrug somit im Mittel, an den Berührungsflächen 
rund 280 Atm., also zwischen Vi und Vs ihrer Bruchfestigkeit. 
Die Fertigstellung des Ankenmauerwerks und der Brücken 
tafel, der Cementmörtelverputz der Brückenstirne erfolgte ohne 
weitere Schwierigkeiten. 
Die Laibung der Brückenbogen wurde so belassen, wie sie 
nach Entfernung der Schalung war. Die Bogenstirnen, mit Bunt 
sandsteinmehl rot gefärbt, wurden geprellt, jedoch nur wenige 
Millimeter tief. Die Stirnzwickel wurden mit Cementmörtel, dem 
Kornsteinmehl zur Färbung beigesetzt wurde, bestrichen, ab 
geschabt und hernach mit einem Spritzwurf aus denselben Mate 
rialien versehen, die Bossen der Lisenen wurden geprellt, die 
ebenen Flächen scharriert oder gestockt, so dass der Beton nur 
bei genauer Untersuchung vom natürlichen Stein unterschieden 
werden kann. 
Der Gewölbrücken in den Entlastungshohlräumen und der 
Boden dieser Räume in den Pfeilern wurde mit einem zweimaligen 
Siderostenanstrich gedichtet, ebenso der Glattstrich der Beton 
unterlage der Brückentafel; es ist dadurch eine sehr gute Dichtung 
erzielt worden. 
Die Wärmefugen wurden an den Widerlagern mit einer in 
den Beton fest verankerten Eisenkonstruktion abgedeckt. Sie be 
steht unter der Fahrbahn und zwar an den Widerlagern aus einem 
starken, oben abgehobelten Winkel, am Gewölbe aus einem Winkel 
mit darüber genieteter starker Eisenplatte. Die letztere ist vorne 
scharf und etwas nach unten abgebogen, bei der Ausdehnung der 
Gewölbe schiebt sie deshalb Staub und Schmutz vor sich her 
und hält den Winkel rein. An den Gehwegen konnte die Abdeckung 
aus Flacheisen, die in ähnlicher Weise angeordnet sind, erstellt 
werden, weil hier die Befestigung in Granit und scharfkantigen 
Kunststeinen erfolgen konnte. 
Die Scheitelfuge der Gelenkquader ist mit einem Flacheisen 
überdeckt worden. 
Die Brückenfahrbahn wird durch die in Cementmörtel erstellten 
Kandel nach beiden Seiten der Brücke entwässert. Um das Ein 
dringen des Wassers in die Wärmefuge möglichst zu verhindern, 
sind noch kleine Schächte vor derselben angebracht, die durch 
Abfallröhren mit den Entwässerungsröhren der Entlastungsräume 
des Gewölbs verbunden sind. 
Die Entwässerung der letzteren ist planmässig erstellt. Die 
Entlastungsräume der Ortpfeiler sind rückwärts in Trockenmauern 
hinter den Pfeilern entwässert. 
Die Brücke samt ihren Zufahrten wurde in U/s Jahren fertig 
gestellt. Ein nennenswerter Unfall ist bei dem Bau nicht vor 
gekommen, auch wurden die Bauarbeiten durch Hochwasser und 
Eisgang nicht geschädigt. Die Brücke wurde am 6. April von 
Sr. Majestät dem König dem Verkehr übergeben. 
Durch den Bau der Hochberger Brücke ist der Nachweis 
erbracht, dass durch die Anordnung von Granitgelenken mit ge 
schliffenen Berührungsflächen die Vorteile der Gelenke auch für 
mehrbogige weitgesprengte Stein- und Betonbrücken nutzbar ge 
macht werden können, ohne dass Einlagen von Blei oder Eisen- 
konstruktionen für die Gelenke notwendig sind. 
Die Ausführung ebener Berührungsflächen für den als Kämpfer 
dienenden Gelenkquader ist besonders vorteilhaft. Die Auflager 
flächen können beinahe mathematisch genau hergestellt werden 
und kleine Senkungen der auf den Lehrgerüsten liegenden 
zylindrisch bearbeitenden Gelenkquader sind ungefährlich. 
Es empfiehlt sich jedoch, die nicht geschliffenen Teile dqr 
Gelenkfugen mehr, als es in Hochberg geschehen ist, zurückzu 
setzen, um die Entfernung von Sand, Staub, Cement usw. aus 
der Fuge zu erleichtern. 
Entwurf einer Bauordnung. 
Bearbeitet im Kgl. Ministerium des Innern. 
Unter diesem Titel ist die Veröffentlichung des im Kgl. 
Ministerium des Innern bearbeiteten Entwurfs für eine neue 
Bauordnung (Verlag von Kohlhammer, Stuttgart, 1903, Preis 
20 Pfg.) erfolgt, mit dem Zwecke, auch weiteren Kreisen Ge 
legenheit zur Geltendmachung von Wünschen oder Einwendun 
gen vor dessen endgültiger Aufstellung und Einbringung an die 
gesetzgebenden Körperschaften zu geben. 
Von dieser Gelegenheit ist denn auch ein reichlicher Ge 
brauch gemacht worden, und in der Presse hat die Erörterung 
des Entwurfs seinerzeit einen breiten Raum eingenommen. 
Der Verein für Baukunde wurde seitens des Kgl. Ministeriums 
offiziell aufgefordert, den Entwurf seinerseits einer Beratung 
und Begutachtung zu unterziehen und eventuell Aenderungsvor 
schläge zu machen, worauf derselbe in seiner V. Ordentlichen 
Versammlung am 26. März d. Js. beschlossen hat, dieser Auf 
forderung zu entsprechen. Demgemäss wurde in vorerwähnter 
Versammlung eine aus den nachgenannten Mitgliedern bestehende 
Kommission gewählt: 
Professor Oberbaurat Mörike, Vorsitzender; 
Oberbaurat Eisenlohr; 
Architekt Feil; 
Baurat Gebhardt; 
Regierungsbaumeister Hofacker; 
Stadtbaurat Mayer; 
Oberbaurat N e u f f e r; 
Oberbaurat Walter; 
Regierungsbaumeister W o 1 z. 
Diese Kommission hat den Entwurf durchberaten und am 
8. Juni dem Verein Bericht über das Ergebnis erstattet. Der 
Kommissionsbericht nebst Begründung der Aenderungsvorschläge 
sind nachfolgend zum Abdruck gebracht. 
Der Verein selbst hat über die Vorschläge der Kommission 
in der VII. ordentlichen Versammlung am 11. Juni (zu vergleichen 
das Protokoll über diese Versammlung) Beratung gepflogen und 
den Anträgen einstimmig zugestimmt. Zu Artikel 25 des Ge 
setzentwurfs wurde jedoch beschlossen, zu erklären, dass der 
im neu vorgeschlagenen Satze des Absatzes 3 bezüglich der 
Giebelaufbauten etc. an der Strasse gebrauchte Ausdruck —■ 
„Durchschnitt ihrer Fläche“ — so zu verstehen sei, 
dass der Flächeninhalt der Aufbauten in ein Rechteck von der 
in Betracht kommenden Strassenfrontlänge verwandelt und die 
Höhe dieses Rechtecks in die zulässige Gebäudehöhe eingerechnet 
werden soll. 
Von den 83 Artikeln des Entwurfs wurden nur bei 16 der 
selben mehr oder weniger einschneidende Aenderungsvorschläge 
gemacht, deren Begründung dem Kommissionsbericht zu entnehmen, 
j welchem auch zum Vergleiche die Fassung des Entwurfs der 
betreffenden Artikel beigedruckt ist. 
Der Kommissionsbericht nebst Begründung wurde am 16. 
Juni d. Js. an das Kgl. Ministerium des Innern eingereicht und 
lautet wie folgt:
	        

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