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Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart.
Nr. 5 und 6
Art. 73.
Ueber alle Bauten, welche nach Art. 67 der Prüfung der
Polizeibehörde unterliegen, sind zunächst sämtliche beteiligte Nach
barn und Behörden zu vernehmen. Sodann hat sich der Orts
bautechniker gutachtlich zu äussern, nachdem er zuvor nötigen
falls die Baustelle besichtigt und nachdem er eine Erörterung
der gegen das Bauvorhaben vorgebrachten Einwendungen vor
genommen und eine Verständigung der Beteiligten versucht hat.
Die amtliche Vernehmung der Beteiligten kann unterbleiben,
wenn deren Zustimmung durch unterschriftliche Anerkennung des
Bauplanes oder auf andere Weise von dem Unternehmer bei
gebracht wird.
Art. 76.
Alle baupolizeilichen Entscheidungen der Behörden sind dem
Bauunternehmer und denjenigen Beteiligten, welche Einwendun
gen gegen das Bauwesen erhoben haben, urkundlich zu eröffnen.
Im Falle der Genehmigung eines Bauwesens ist zugleich dem
Bauunternehmer eine Urkunde darüber, sowie eine amtlich be
glaubigte Ausfertigung des Bauplans zu übergeben. In jene sind
die etwa erteilten besonderen Vorschriften aufzunehmen.
Stuttgart, T 1904.
Juni
waren, so ist auch mit Recht zu verlangen,, dass den Kollegial
entscheidungen der ersteren dieselbe Gewähr sachlicher Prüfung
wie den staatlichen Verwaltungen zukommt, in deren Kollegien
dem Techniker von jeher wie dem Verwaltungsmann Sitz und
Stimme eingeräumt wird.*)
Wir müssen daher im Interesse einer sachgemäßen Behand
lung technischer Fragen (s. auch Art. 3) Wert darauf legen,
dass der Techniker des Kollegiums einer grösseren Stadtverwal
tung als Referent und Korreferent in verantwortlicher Weise
zum Wort gelangt. Das bisherige System, nach welchem dieser
Beamte sich nur dann zu „äussern“ hat, wenn der Verwaltungs
referent das Bedürfnis empfindet, sich über technische Fragen zu
orientieren, ist ein veralteter, bureaukratischer Notbehelf und gänz
lich ungeeignet, den hohen Ansprüchen auf dem vielgestaltigen,
umfassenden Gebiet der Technik in ersprießlicher Weise gerecht
zu werden. Auch dürfte es den grösseren Stadtverwaltungen un
seres Landes künftig nur dann gelingen, für diesen Dienst be
sonders befähigte Techniker zu gewinnen und festzuhalten, wenn
sie in der Lage sind, diesen eine ihrer Ausbildung und Amtstätig
keit entsprechende Stellung anzubieten.
*) Vergl. auch die Denkschrift, die der Verband deutscher
Architekten- und Ingenieurvereine über „Die Stellung der höheren
städtischen Baubeamten“ im Jahre 1901 veröffentlicht hat.
Zu Art. 73.
Gegen die Fassung des Entwurfs ist nichts zu erinnern, doch
wird Wert darauf zu legen sein, dass in-der Vollzugsverfügung
zum Gesetz nähere Bestimmungen getroffen werden, die eine tun
lichst rasche Erledigung nachbarlicher Einsprachen verbürgen.
Zu Art, 76.
In diesem Artikel, sowie in Art. 81 Abs. 1 ist das Wort
„Bauunternehmer“ gewählt, während der Art. 80 zwischen Bau
herr, Baumeister und Bauhandwerker unterscheidet. Wir glauben,
dass im ersten Fall zweckmässig das bei uns längst eingeführte
Wort „Baulustige“ besser am Platz wäre, als „Bauunternehmer“,
unter welchem doch nach dem üblichen Sprachgebrauch der Unter
nehmer von Baugeschäften verstanden wird. Im Art. 80 mag
die Bezeichnung Bauherr als zutreffend belassen werden, da mit
dem Baubeginn aus dem Baulustigen der Bauherr geworden ist.
Die Kommission.
Kundmachungen.
Betr. Ausstellung von Abbildungen bäuerlicher Kunst-
und Bauweise in Dresden 1906.
Das unten abgedruckte Rundschreiben des Vereins für Säch
sische Volkskunde wird zur Kenntnis der Mitglieder des Vereins
für Baukunde gebracht. Der Verein hat in der VIII. Ordent
lichen Versammlung vom 2. Juli d. Js. beschlossen, von Vereins
wegen die Ausstellung nicht zu beschicken. Die Beschickung durch
einzelne Mitglieder wird diesen anheimgegeben.
Stuttgart, den 7. Juli 1904.
Der Vorsitzende: Zügel.
Verein für Sächsische Volkskunde.
Im Jahre 1906 findet die 3. Deutsche Kunstgewerbe-
Ausstellung in Dresden statt.
In dem hiezu bereits jetzt ausgegebenen Programm ist als
II. Abteilung der Ausstellung das Kunsthandwerk aufgeführt und
besagt das genannte Programm: man beabsichtige „die Freude
am kunstgewerblichen Einzelgegenstande zu veredeln“ und „die
Aufmerksamkeit zu lenken auf eine der Grundlagen der künst
lerischen Kultur: den Reiz der Handarbeit“. Als erste Unter
abteilung des Kunsthandwerkes ist die Volkskunst aufgeführt,
über welche das Programm schreibt: „Eine der Volkskunst ge
widmete Abteilung soll zeigen, wie die naive kunstgewerbliche
Betätigung, die nicht die Eigenart des einzelnen, sondern die
Eigenart einer örtlichen Ueberlieferung pflegt, im Wechsel der
geschichtlichen Stile frisch bleibt“. —
Diese Abteilung wird Gegenstände (Originale) der Volkskunst
enthalten, die teils von Museen der Vereine für Volkskunde, teils
von Privaten dahin geliefert werden, während bildliche Dar
stellungen von dieser Ausstellung ausgeschlossen sind.
Wenn nun auch zu erwarten steht, dass diese Abteilung in
ausgiebiger Weise beschickt werden wird, so wird es doch trotz
des reichlich bemessenen Raumes kaum möglich sein, ein er
schöpfendes Bild der Volkskunst aller einzelnen Teile Deutsch
lands zu geben und den Freunden der Volkskunde einen Vergleich
zwischen der in den einzelnen Teilen Deutschlands gänzlich ver
schieden sich äußernden Volkskunst zu ermöglichen.
Der Verein für Sächsische Volkskunst beabsichtigt daher, in
getrennt von der Kunstgewerbe-Ausstellung liegenden Räumen,
aber gleichzeitig mit dieser eine Sonderausstellung von
Abbildungenbäuerlicher Kunst-undBauweise aus
allen Teilen Deutschlands zu veranstalten, die als not
wendige Ergänzung zu der obenerwähnten Ausstellung dienen soll.