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Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart.
Nr. 7 und 8
diejenigen Fachleute, welche die Hausabflussleitungen anzu
wenden, zu planen und in der Ausführung zu beaufsichtigen
haben.
Der Verband unterzog sich daher dieser Aufgabe und nahm
die von einem Ausschuss bearbeiteten Normalien in seiner 30.
Abgeordnetenversammlung in Bremen 1899 an. Diese Nor
malien wurden im Jahre 1900 an die zuständigen Ministerien
der deutschen Staaten und an eine grosse Zahl städtischer
Verwaltungen mit der Bitte um Einführung verschickt Diesem
Antrage wurde von verschiedenen Seiten stattgegeben, unter
anderem nahm das preussische Ministerium der öffentlichen
Arbeiten, dem auch die anderen preussischen Ressorts folgten,
die Normalien unverändert an. Die aus dem Kreise
der Interessenten darnach erhobenen Einsprüche veranlassten
das preussische Ministerium der öffentlichen Arbeiten, „die
gegebene Zusage einstweilen zurückzuziehen“ und „dem Ver
bände zu empfehlen, die Angelegenheit einer nochmaligen
Beratung zu unterziehen“. Im gleichen Sinne äusserte sich auch
die örtliche Strassenbau-Polizeiverwaltung, Abt. II Berlin, die
gleichzeitig in dankenswerter Weise sich bereit erklärte, auf
Wunsch einen Vertreter ihrer Verwaltung zu den Beratungen
abzuordnen. Wenn daher in der gegen die Verbandsnormalien
gerichteten Schrift behauptet wird, der Herr Minister und die
genannte Verwaltung hätten gegen die Normalien „Einspruch“
erhoben, so ist dies unrichtig. Diese Behauptung ist umso
auffälliger, als der Wortlaut der betreffenden Verfügungen in
der Schrift als Anlage abgedruckt wurde.
Der Verband glaubte diesem Ansuchen entsprechen zu
sollen und setzte einen Ausschuss ein, mit dem Aufträge, zu
seinen Beratungen Vertreter der in Frage kommenden Interessenten
gruppen zuzuziehen. In diesen neuen Ausschuss ist von den
bei der Beratung der alten Normalien beteiligten Ausschuss
mitgliedern nur Herr W. H. Lindley, Frankfurt a. M., über
getreten, anderseits wurde besonderes Gewicht darauf gelegt,
Herrn Baurat Herzberg, Berlin, zur Mitarbeit in dem Aus
schüsse zu veranlassen, da dieser die Einsprüche aus den
Interessentenkreisen gegen die alten Normalien wesentlich mit
veranlasst hatte und sich durch seine allgemein anerkannte
Sachkenntnis in besonderem Masse dazu eignete. Hinzugewählt
wurden ferner die Herren Zivilingenieur Schott in Köln a. Rh.,
Bauinspektor Richter in Hamburg und der unterzeichnete
Vorsitzende des Ausschusses, Oberbaurat Schmick. Ob sich
unter diesen Ausschussmitgliedern tatsächlich nur ein Spezial
sachverständiger befindet, wie die Streitschrift behauptet, darauf
braucht wohl nicht erst eingegangen zu werden. Man darf dem
Verbände wohl zutrauen, dass er am besten in der Lage ist,
zu beurteilen, welche seiner Mitglieder für die Bearbeitung einer
so wichtigen Frage geeignet sind.
Auf das Entschiedenste müssen wir jedoch gegen die Art
und Weise Stellung nehmen, wie gegen zwei Mitglieder des
Ausschusses Stimmung gemacht wird durch Mitteilungen per
sönlicher Natur, die doch nur dahin abzielen können, deren
Unbefangenheit und Unparteilichkeit in Frage zu stellen.
Von Herrn Lindley wird behauptet, dass er die ersten
Normalien in seiner Eigenschaft als Zivilingenieur gegen Be
zahlung ausgeführt habe, während er tatsächlich nur seine
Selbstkosten in Rechnung stellte. Es geht das mit völliger
Klarheit aus dem Wortlaut des Geschäftsberichtes des Verbandes
1901/02 hervor, und es muss daher auffallen, dass die Ver
fasser diesen ihnen bekannten Bericht gerade als Belag für ihre
unrichtige Behauptung anführen. Von Herrn Schott wird
behauptet, er sei Vertreter der Halberger Hütte, während er
tatsächlich nur deren technischer Berater in verschiedenen Fragen
ist. Warum diese Eigenschaft ihn zur Mitwirkung an der Be
arbeitung von Rohrnormalien besonders ungeeignet erscheinen
lassen soll, erscheint unerfindlich.
In dieses persönliche Gebiet gehört auch die Art, wie Herr
Brt. Herzberg als Sachverständiger gegen die vom Verbände
aufgestellten Normalien fortwährend angeführt wird, während er
doch bei der Abfassung der neuen, jetzt allein noch in Frage
kommenden Normalien in hervorragender Weise mitgewirkt hat.
Möglich ist dieses Vorgehen der Verfasser der Streitschrift nur
dadurch, dass sie die Einwände gegen die alten, nicht mehr
zur Diskussion stehen den und die jetzigenNormalien von 1903
fortwährend durcheinander werfen. Wenn die Verfasser mit
uns auf das sachverständige Urteil des Herrn Brt. Herzberg
ein so grosses Gewicht legen, so ist es unverständlich, dass sie
die neuen Normalien nicht anerkennen wollen, für deren all
meine Einführung Herr Brt. Herzberg mit seiner vollen
Ueberzeugung eintritt.
Dem ihm erteilten Aufträge gemäss hat der Ausschuss
folgende Interessentengruppen eingeladen, wobei diesen selbst
die Bestimmung der Person - ihrer Vertreter überlassen blieb.
Es waren vertreten:
1. Oertliche Strassenbau-Polizeiverwaltung Abt. II (Kanalisation)
zu Berlin: Ingenieur Beckmann.
2. Stadtgemeinde Aachen: Stadtbauinspektor v o n M o n t i g n y.
3. Stadtgemeinde München: Oberingenieur Kleinschroth.
4. Verein deutscher Ingenieure: Ingenieur Herrn. B o h n in
Friedenau; Ingenieur Jo ly, Besitzer des Eisenwerkes Joly
in Wittenberg.
5. Deutscher Verein von Gas- und Wasserfachmännern:
Direktor Beer in Berlin; Kommerzienrat Bücking in
Halberger Hütte.
6. Verein deutscher Eisengiessereien: Fr. Dam mann i. Fa.
Budde & Göhde in Berlin; Geheimer Bergrat Jüngst in
Berlin.
7. Ostdeutsch-Sächsischer Hüttenverein: Direktor Hillenberg,
Marienhütte in Kotzenau; Direktor Wo de, Wilhelmshütte in
Eulau; Oberingenieur Schiffer in Neusalz a. Oder.
8. Verein für die Fabrikation von Ziegeln, Tonwaren, Kalk
und Cement: Hoff mann i F. Hoffmann & Ko. in Bunzlau;
Kommerzienrat March in Charlottenburg.
9. Verein deutscher Tonrohrfabrikanten: Kommerzienrat
M e n s i n g in Zwickau; Ingenieur F. P o 1 k o in Bitterfeld;
20. Innung der Berliner Installateure: Ingenieur L. Grün in
Berlin; Ingenieur O. Schmidt in Berlin.
11. desgleichen eine entsprechende Vertretung aus Frankfurt a. M.:
Ingenieur Vowinkel in Frankfurt a. M.
13. desgleichen aus München: Gustav Rudolph in München;
Johann Gedon in München.
Dass von den Städten gerade Berlin, München und
Aachen zur Teilnahme anfgefordert wurden, hat seinen Grund
darin, dass Berlin den Norden, München den Süden vertreten
sollte und dass Aachen diejenige Stadt war, in der die alten
Normalien des Verbandes eingeführt waren, die also allein über
deren Zweckmässigkeit ein auf Erfahrung begründetes Urteil
abgeben konnte. Berlin kam ausserdem in Betracht als einzige
Stadt, aus der Einsprüche gegen die ersten Normalien erfolgt
waren. Wenn die Streitschrift (S. 9) sagt: „Es trifft somit die
Behauptung des Architekten- und Ingenieurvereins, dass die Ver
sammlung von den bedeutendsten Städten beschickt worden ist,
nicht zu“, so ist hierauf zu erwidern, dass diese Behauptung
weder mündlich noch schriftlich je aufgestellt wurde und dass
die dahin gehende Bemerkung im „Zentralblatt der Bauverwaltung“,
worauf sich die Schrift bezieht, nicht vom Verbände ver
anlasst ist.
Der Ausschuss trat an die Vertreter der einzelnen
Interessentengruppen in der gemeinsamen Sitzung vom
15. Dezember 1902 ohne neue Vorschläge, lediglich in der Ab
sicht heran, die unbeeinflusste Meinung der Herren über die Art
und den Umfang der gewünschten Abänderungen der I. Normalien
zu hören. Die Denkschrift über diese ersten Normalien, mit
den darin enthaltenen genauen Zeichnungen in 1 : 10, die
alleinige Grundlage zu den weiteren Verhandlungen, war recht
zeitig den zur Beschickung der Sitzung aufgeforderten Interessenten
gruppen zugegangen, auch war diesen mitgeteilt, dass sich die
Einsprüche gegen diese Normalien auf die Wandstärken, die
Baulängen, die Muffenformen und die Art und Zahl der Fasson
stücke bezögen. Den Wortlaut der Einsprüche gegen die
Normalien den Erschienenen nochmals mitzuteilen, war umso
mehr überflüssig, als derselbe wenigstens den Herren aus Nord
deutschland, d. h. den Berliner Installateuren, Herrn Joly und
den Herren des Ostdeutsch-Sächsischen Hüttenvereins genau
bekannt war. Die ersteren haben sogar vor der Ausschuss
sitzung unter dem Vorsitz des Herrn Ingenieur Beckmann,
dem Vertreter der örtlichen Strassenpolizeiverwaltung in Berlin,
eine Sitzung abgehalten, in welcher diese Frage eingehend er
örtert wurde. Die dem entgegenstehenden Ausführungen der
Streitschrift entsprechen daher nicht den Tatsachen.
Ebensowenig ist es richtig, dass die meisten Vertreter ge-
wissermassen als „Statisten“ bei der Ausschusssitzung am
15. Dez. 1902 anwesend gewesen seien und dass man „ihm
Mitarbeit nicht ernstlich gewünscht“ hätte. Demgegenüber muss