Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1898-1904)

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Der Borsitzende dankt dem Redner im Namen des Vereins für 
seinen überaus eingehenden und lichtvollen Vortrag. 
Herr Superior Eisenbarth führt darauf die Entstehungs 
geschichte der Kongregation der barmherzigen Schwestern und ihre 
Thätigkeit für die Irren aus, dankt den verschiedenen Behörden für 
das beim Bau bewiesene Entgegenkommen und zum Schluß auch dem 
Baudircktor v. Bok. Der letztere spricht seinen Dank dafür aus, 
daß er von seiten der Mitglieder der Kongregation ein so großes 
Entgegenkommen und so viel Verständnis für alle baulichen Fragen 
gefunden habe. 
v Schlierholz teilt darauf aus dem reichen Schatze seiner 
Erfahrungen und Erlebnisse auf dem Gebiete der Irrenanstalten und 
der Fürsorge für die Irren Verschiedenes mit, insbesondere über die 
Beschaffenheit der Jrrenzcllen, wie sie bis in das erste Viertel unseres 
Jahrhunderts mehrfach noch bestanden haben, speziell von der Irren- 
anstalt Zwiefalten, wohin das Irrenhaus von Ludwigsburg im 
Jahre 1818 verlegt und zu welchem Zweck das dortige ehemalige 
Benediktinerkloster eingerichtet worden ist. 
Die Geisteskranken wurden damals, wie jetzt noch, in ruhige 
(gutartige) und unruhige (tobende, epileptische, unreinliche) abgeteilt; 
jedoch war man bei dieser Gliederung nicht besonders vorsichtig; 
mancher gutartige Kranke wurde infolge von unrichtiger Behandlung, 
von Mißbrauch der vorhandenen fixen Ideen und von Aufreizung 
unruhig, mißtrauisch und schließlich bösartig, und wurde dann in 
die Zwangsjacke gesteckt und in eine Tobzelle verbracht. 
Diesem Verfahren entsprechend wurde die bauliche Einrichtung 
hergestellt. 
Die breiten Korridore wurden zwar im ursprünglichen Zustande 
belassen, soweit sie als Wandelgänge zu den Treppen und anderen 
Abteilungen zu dienen hatten oder als Tageräume, Magazine und 
Wärterzimmer benutzt wurden, und nur ihre Fensteröffnungen wurden 
vergittert. Im übrigen jedoch wurden die schönen, geräumigen und 
lufügen Räume zu meistens einfenstrigen Zellen abgeteilt und in 
menschenunwürdigster Weise zu wahren Käsigen, wie für wilde Tiere, 
umgestaltet. Hierzu wurden die großen Fensteröffnungen bis auf 
das oberste Drittel vermauert, und nach außen mit starken eisernen 
Gittern versehen, die Fußböden nüt Dielen belegt, und nicht nur die 
Seitenwände, sondern auch die meistens mit Stuccaturen ausgestatteten 
Decken mit Brettern vertäfelt. Der Ofen war in einem Vorraum 
aufgestellt und der letztere mittelst einer Palisadenwand mit einer 
Palis identhür abgeteilt, welche mit einer kleinen Oeffnung mit Klappe 
zum Einschieben des Essens versehen war. Die Lagerstätte bestand 
aus übereinander gesetzten Blockhölzern mit einem Dielenboden als 
Lager, der Nachlstuhl aus eichenen Dielen, der zugehörige eiserne 
Topf konnte vom Vorraum aus entfernt werden, in der äußeren 
Thür war eine Oeffnung zum Beobachten vom Korridor aus angebracht. 
So traf der Redner die Irrenanstalt Zwiefalten im Jahre 
1837 an, als ihm als Bauführer die erste Umgestaltung der An- 
Aer neue 
Vortrag von Direktor Walte 
Die meisten öffentlichen Gebäude haben eine Vorgeschichte und 
die Bekanntschaft mit derselben trägt zur richtigen Beurteilung des 
fertigen Werkes wesentlich bei. Auch der Saalbau in Ulm hat seine Vor 
geschichte und ich gestatte mir, meine Mitteilungen damit zu beginnen. 
Schon unter dem verstorbenen Oberbürgermeister Heim hat 
sich in den Ulmern der Wunsch geregt, für größere Anlässe, seien 
es Versammlungen, Feste, Konzerte oder sonstige Aufführungen ein 
passend großes und anständig ausgestattetes Lokal zu besitzen. Bei 
solchen Anlässen mußte in der Hauptsache die alte Tuchhalle herhalten, 
welche für den jedesmaligen Zweck notdürftig hergerichtet, dekoriert 
und beleuchtet wurde. In ihr spielte sich der für die Ulmer Tra 
ditionen historisch gewordene alljährliche Fastnachtball ab, und wenn 
ein berühmter Sänger oder eine Sängerin nach Ulm kam, so 
stall nach den noch jetzt geltenden humanirären Grundsätzen über 
tragen wurde. 
Zu diesem Zwecke wurden die erwähnten unwürdigen Zellen- 
einrichtungeu ausgebrochen, wobei sich, besonders bei der Entfernung 
der Böden und Vertäferungen, meistens ein penetranter Geruch ent 
wickelte. Die Fenster erhielten überall wieder die frühere Größe; 
für gutartige Kranke wurden sie nach außen mit eisernen Gittern zum 
Schutz vor dem Hinausfallen versehen. Die Zimmer wurden teils 
einfcnstrig, als Einzelzellen oder für Wärter, eingerichtet oder ähnlich 
wie in Krankenhäusern, als gemeinschaftliche Schlafsäle für 6 bis 
8 Kranke hergestellt und entsprechend möbliert, wobei zwischen je 
2 derselben ein Wärterzimmer angeordnet wurde. 
Die Zellen und Räume für unruhige und tobende Irren erhielten 
eine Einrichtung, wie sie jetzt in den neueren Anstalten besteht, jedoch 
waren sie mit Oefeu ausgestattet, welche mit einer leichten Palisaden 
umrahmung geschützt waren. Zur Beleuchtung für die Nachtzeit 
waren über den Thüren Oeffnungen angebracht, welche nach innen 
und außen mit Drahtgittern verwahrt waren. 
Diese Umgestaltung, verbunden mit der Herstellung von Unter 
haltungsräumen, Gartenanlagen u. dergl. m. machte auf die Kranken 
den wohlthätigsten Eindruck, von welchen auch ein Teil zu Arbeiten 
bei der neuen Einrichtung verwendet wurde. Sie fühlten sich glücklich 
und zeigten sich besonders gegen den Redner oft in rührender Weise 
dankbar. Derselbe verlebte mit den damaligen Insassen des Irren 
hauses manchen genußreichen Abend und schätzte sich glücklich, etwas 
zur Linderung des Elendes dieser Aermsten beitragen zu können. — 
Zum Schlüsse der Versammlung teilt der Vorsitzende noch mit, 
daß Bauinspektor Lambert in Künzelsau als Mitglied in den Verein 
aufgenommen sei und daß folgende neue Einläufe vorliegen: 
ein Mitglieder-Verzeichnis des Verbandes deutscher Architekten- 
und Ingenieur-Vereine; 
eine Einladung zu einem Kongreß für öffentliche Kunst in 
Brüssel in den Tagen vom 24. bis 28. September; 
eine Schrift des Jnnungsverbandes deutscher Baugewerksmeister, 
welche auf die Schaffung von Normalien für Bauhölzer 
abzielt; 
eine Einladung vom Oesterr. Ingenieur- und Architcklenverein 
zu dessen 25jähriger Jubelfeier. 
Hinsichtlich der letzteren wird sich der Verein auf die Vertretung 
durch den Verbandsvorstand, mit welchem sich der Vorsitzende bereits 
verständigt hat, beziehen. 
Der Vorsitzende ladet schließlich zum zahlreichen Besuch der 
diesjährigen Wanderversammlung in Freiburg ein. 
Für die Abgeordneten-Versammlung sind 2 Mitglieder als Ab 
geordnete zu wählen; unter Zustimmung der Versammlung wird es 
dem Ausschuß überlassen, aus der Zahl der sich als Teilnehmer an 
der Wanderversammlung meldenden Mitglieder 2 Herren mit der 
Vertretung zu betrauen. 
lbau in Ulm. 
r, gehalten am 7. Mai 1898. 
wurden sie von einer Kommission abgeholt, um in das Konzert 
lokal geleitet zu werden. Da soll es denn, wie man erzählt, ver- 
schiedenemale ordentliche Kämpfe abgesetzt haben, die Künstler in das 
Konzertlokal zu bringen; denn die Sänger und mehr noch die 
Sängerinnen verweigerten, wenn sie des für sie bestimmten Lokals 
ansichtig wurden, den Eintritt, und erklärten auf das entschiedenste, 
in diesem Raum unter keinen Umständen sich hören lassen zu wollen. 
Es wurde ihnen dann so lange zugeredet, bis sie auf das Podium 
hinauf bekomplimentiert waren, wo sie alsdann vom Publikum so 
stürmisch begrüßt wurden, daß sie nicht umhin konnten, sich zur Durch 
führung des Programms herbeizulassen. 
Unter solchen Umständen wurde die Erstellung eines großen 
Saales mit den nötigen Nebenräumen immer mehr zu einem brennenden
	        

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