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in Scheer, Riedlingen und Ulm sich bereits in der Donausohle be
finden, während sie in dem 738 m tiefen Bohrloch von Ochsenhausen,
wie dies in Figur 4 in schematischer Weise angedeutet ist, noch nicht
einmal erreicht wurden.
Während der nun folgenden Tertiärzeit liegt die heutige schwäbisch
bayrische Hochebene wieder unter Wasser; im Südosten unserer schwäbi
schen Alb und im Hegau zeigt sich ein zweimaliger Wechsel von
Süßwassermolasse in Meeresmolaffe und von dieser wieder in Süß
wassermolasse. Derselbe Vorgang zeigt sich auch im Rheinthal zwischen
Basel und Mainz. Dieser ursprüngliche Süßwassersee wird zur
Oligocänzeit durch eine Senkung vom Meer ausgefüllt; durch zu
fließendes Flußwasser wird die Meeresbucht aber wieder in einen
Snßwassersee verwandelt.
Mil den obermiocänen Bildungen schließt bei uns das Tertiär ab;
dessen jüngstes Glied, das Pliocän, ist nicht zur Ablagerung gelangt.
Schon der erwähnte Wechsel von Festland, Süßwasser, Meer
wasser läßt auf fortdauernde Niveauveränderungen während der
mittleren Tertiärzeit schließen. Am Schlüsse derselben werden aber
die Höhenverhältnisse von unterst zu oberst gekehrt. Gleichzeitig etwa
mit der Entstehung der Alpen erfolgte eine Zerspaltung des Bodens.
Die Spalten, die teils parallel mit dem Gebirgskamm, teils quer auf
denselben verlaufen, zerteilten die vorgelagerten Gebietsteile in einzelne
Schollen. Die einen dieser Schollen wurden durch seitlichen Druck
gefältelt oder über einander geschoben, andere versanken in un-
gemessene Tiefen. Diese versunkenen Schollen, von denen eine das
heutige Hegau darstellt, gaben alsdann, wie unten weiter gezeigt
werden wird, Anlaß zu den vulkanischen Aufbrüchen am Kaiserstuhl,
im Hegau und im Ries.
Solche Katastrophen, wie diejenige der Entstehung der Alpen
oder auch nur der eben aufgezählten Trachyt- und Basaltberge, die
durchaus nicht als plötzliche, rasch verlaufende Naturereignisse, sondern
als Ergebnisse von Erdschrumpfungen von viel tausendjähriger Dauer
anzusehen sind, haben die vorher bestandenen oberflächlichen Abfluß
verhältnisse von Grund aus geändert und umgeschaffen. Sie haben
aber auch unterirdische Spalten und Klüfte erzeugt, in denen die
eingedrungenen Meteor- und Grundwasser während der ungeheuer
langen Zeiten langsam auflösend und abtragend weiter arbeiten und
auch künftig weiter nagen werden.
Während wir vor diesen Katastrophen zu ende der Tertiärzeit
im heutigen Schwaben flaches Küstenland mit subtropischem Klima
hatten, herrscht jetzt nordisches Klima am Fuß hohen Gebirges.
Mächtige Kiesmassen ans der Ostschweiz werden durch den Rhein
thalgletscher bis in die Gegend des heutigen Biberach, Sigmaringen
und Aach getragen und erfüllen die Thäler und Hochebenen der ver
sunkenen Erdschollen des südlichen Abteils.
Erst mit dem Abschmelzen der Gletscher entstand in der Haupt
sache das heutige Flußnetz, das jedoch durch die abschwemmende
Wirkung der Wasser und den Wechsel der Glacial- und Jnterglacial-
perioden noch mancherlei wesentliche Aenderungen erfuhr.
So z. B. umfloß der Rhein zu Beginn der Diluvialzeit den
heutigen Rheinfall bei Schaffhausen, bog nach Norden aus und lief durch
das Klettgau. Von Basel aus nahm er seinen Weg gegen Südwestcn
durch die Enge von Belfort, dem heutigen Doubs und der Rhone zu.
Der Neckar hatte sich seine Bahn noch nicht durch den Oden
wald gebrochen.
Auch der Durchbruch der Donau durch den schwäbischen Jura
geschah erst während der Diluvialzeit.
Die mit ihrem Quellgebiet den östlichen Teil des Feldbergs und
den Titisee umfassende Wutach, die heute ein rechtsseitiger Neben
fluß des Rheins ist, über Stühlingen fließt und bei Waldshut aus
mündet, floß zu jener Zeit über Blumberg zur Donau; ihr Nieder
schlagsgebiet ist in der Figur 2 besonders gekennzeichnet.
Aus dem letztgenannten Umstand erhellt, daß die Abbröckelung
von dem Einzugsgebiet der Donau zu gunsten des Rheingebiets schon
vor langer Zeit begonnen hat.
Die heute beobachtete Thatsache des Ausbruchs von Donan-
waffern gegen den Rhein scheint daher nur die Fortsetzung eines
alten Naturprozesses zu sein.
Daß der Wasserverlust der Donau in geschichtlicher Zeit, nicht
blos bei Jmmendingen, sondern sowohl oberhalb im Bregthal, als
unterhalb bei Tuttlingen und Fridingen stattfinde, ist bekannt.
Dieser Thatsache ist schon in einer im Jahre 1719 erschienenen
Abhandlung des Prälaten Breuninger an dem damals württem-
bcrgischen Kloster St. Georgen erwähnt, das den Titel führt:
„Fons Danubii primus et naturalis, oder die Urquelle des
weltberühmten Donau-Stroms."
Die Stelle — Seite 148 — lautet:
„Duttlingen.
„Von einer wunderbahrcn Oeffnung der Erde, ohnfern der
Württcmbcrgischcn Stadt Duttlingen:
„Im Jahr 1711 öffnete sich im Spättling vor dem obern
„Thor, in Johann Jakob Riesens, Engel Würths Acker, ohn-
„fern dem Hohnberg, worauf vor dem 30 Jährigen Krieg noch,
„wie die Rudera zeigen, ein Schloß gestanden, gelegen, die
„Erde etwann Manns tief in ziemlicher Breite; Folgenden
„Jahrs führte der Engel Würth 20 Wägen Stein ins Loch,
„füllete es aus und zog den Boden wieder eben, allein es
„hielte nicht, sondern die Steine suncken alle in die Tieffe,
„und das Loch wurde nach und nach ticffer und breiter.
„Weilen man sich einbildete, man höre in der Tieffe ein Wasser
„rauschen, so wagten sich An 1713 drey Männer hinunter,
„zu erfahren, was in der Tieffe wäre. Sie mußten aber bald
„durch ein enges Loch zwischen 2 Steinen hindurch schlnpffen:
„da es immer weiter, aber auch immer gäher und tieffer wurde,
„daß sie immer sich halten mußten; Zuletzt kamen sie in einen
„gantzen weiten Raum, wie in ein hohes Gewölbe, und funden
„ein Wasser, das aus dem Berg allenthalben heraus riselte,
„halb Mannstieff, darinn gingen sie, Lichter in Händen habend,
„eine Weile fort, fanden aber wieder lauter Berg und Erde
„vor sich, im Wasser aber einen Würbel oder Loch, durch
„welches, als Armbs weit, das Wasser immerfort ablieffe in
„eine andere Tieffe. Weiter nun kunten sie nichts erfahren.
„Sie sagten: das Wasser wäre nicht sonderlich kalt, und gantz
„helle, daß sie bey Licht die Stein im Wasser hätten wahr-
„nehmen können. Einer hatte ein Seil mit genommen die
„Tieffe zu erfahren der fand sich die gantze Klufft 60 Klassier
„(90 m) ticff. Einige Reisende Leute wollen sagen: Es möchte
„in der Tieffe Quecksilber seyn, dann das ziehe alles nach sich;
„Andere aber hieltens vor einen verborgenen Wassergang und
„Fall in die Erde. Leute aber in Duttlingen sagten bei dieser
„Begebnuß aus, daß, als man sich erinnere, schon vor etwa
„50 Jahren ein so genannter fahrender Schühler ausgesagt:
„wann man graben möchte, würde man unter dem Feld an
„dem Hohnberg in der Tieffe ein Wasser finden, das so breit
„und liess als die Donau, so nächst der Stadt vorbey fliestet.
„Wunderbarlich sind GOttes Werk!
den 23. Junii 1717
T. M. Gottfried Cunrad Hochstetter p. t.
Spezial Superintendens und Stadt Pfarrer zu Duttlingen."
Um zur Beschreibung der zur Zeit weitaus mächtigsten Ver
sinkung zurückzukommen, ist anzuführen, daß dieselbe ebenfalls schon
200 Jahre lang bekannt ist. In dem nämlichen Werke ist auf
Seite 63 gesagt:
„Auch hat die Donau dieses Besondere, daß sich theils Orten
„ein großer Theil ihres Wassers in die Erde verlieret, und
„wiederum anderswo, gleichsam als wollte dieser Wasser-reiche
„Strom, von seinem Ueberfluß auch andern Orten etwas mit-
„teilen, hervordringet und ausbricht. Wie dann die Donau
„in Schwaben zwischen denen Oertern Emedingen und Möh-
„ringen, über einen Grund geloffen, der meisten aus Kalch
„Steinen bestanden, die von dem Wasser nach und nach also
„verzehret worden, daß viele Oeffnungen und Löcher in das
„Erdreich sich ergeben, durch welche das Wasser häuffig, und
„besonders unter dem nah anliegenden Berg eingedrungen, und
„hergegen den Ursprung des Flusses Aach, der unter Hohentwiel
„hinlauffet, um ein merkliches verstärket haben solle, welches