Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1898-1904)

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„daher erhellet: weil man einen ziemlichen Abgang bey dieser 
„Quelle und ihrem Fluß vermerket, als man vor einigen 
„Jahren einem anscheinenden und besorglichen Wasser Mangel 
„bey dem Hoch Fürstlichen Würtlemberg Schmeltz Werk zu 
„Ludwigsthal, und denen Mühlinen zu Tuttlingen und der 
„Orten vorzukommen, die Donau mit großer Mühe, an be- 
„sagten kalchichtem Ort abgegraben und auf einen festen Grund 
„geleitet." 
Die Versinkung der Donauwasser zwischen Jmmendingen und 
Möhringen erfolgt zur Zeit an drei räumlich von einander getrennten 
Gruppen von Versinkungsstellen, nämlich oberyalb der Jmmendinger 
Eisenbahnbrücke im Wehrstau der fürstlich fürstenbergischen Maschinen 
fabrik Jmmendingen, unterhalb des Möbringer Eisenbahntnnnels der 
Linie Jmmendingen-Singen und etwa 50(1 m unter jener Stelle, am 
Nachbarschaftsweg von Möhringen nach Hattingen, wie dies Fig.l zeigt. 
Die Versinkung erfolgt, teils in der Flußsohle, teils entlang des 
rechtsseitigen Uferrands, ganz allmählig, wie in einem Siebe in dem 
über den unsichtbaren Felsspalten und Klüften gelagerten Kies und 
Hangschntt; sie wird bei solchen Wasserständen, bei denen keine voll 
ständige Versinkung eintritt nur schwer bemerkt, bei aufmerksamer 
Beobachtung ist sie jedoch, sowohl mit dem Auge als mit dem Ohr 
wahrnehmbar. Bei Niederwasser dagegen, wenn die Donauwasser voll 
ständig versinken, sieht man, wie dies das von der Deutschen Verlags- 
gescllschaft Union in Stuttgart zur Benützung gütigst überlassene Bild 
Fig. 7 zeigt, die letzten Mengen in solcher Stärke den Vertiefungen in 
der Flußsohle zueilen, daß kleine Rillen in den kiesigen Untergrund ein- 
gefnrcht werden und ein starkes, gurgelndes Geräusch vernommen wird, 
durch das auf ein Verfallen der Wasser geschlossen werden darf. Dieser 
Unistand findet auch dadurch Bestätigung, daß der Grundwasserspiegel 
in den Brunnen von 2 neben der Donau gelegenen Bahnwarthäusern 
etwa 9 m tiefer als der Donauwassersptegel liegt. Die Donau hat 
beim Jmmendinger Wehr, also bei Beginn der Versinkung, ein Ein 
zugsgebiet von 816 qkm; ihr Gebiet ist daher um etwa 15°/» größer 
als das der Fils bei Plochingen. Die Donau ist aber entschieden 
wasserreicher als die Fils. Nach den von dem Großh. badischen 
Zentralbureau für Meteorologie und Hydrographie gemachten Ver 
öffentlichungen über die Wassermengen der fließenden Gewässer im 
Großherzogtum Baden führt die Donau unterhalb Geisingen bei 
Wasserklemme, die selten, nur bei anhaltendem Frost und in den 
Monaten Juli-August eintritt, immer noch 4000 Sekundenliter, was 
jedoch etwas zu hoch erscheint. Vergleichshalber soll hier angeführt 
werden, daß der Neckar bei Cannstatt unter den nämlichen Verhält 
nissen 7000 Sekundenliter also etwa das Doppelte führt. Ein Grund 
dafür, daß die Menge des versinkenden Wassers bei höherem Donau 
stande dauernd kleiner werde, ist nicht vorhanden. Wohl aber wird 
mit steigendem Donaustande die Größe der Versinkung zunehmen, 
weil einesteils das Wasser unter höherem Druck über den vorher in 
Thätigkeit stehenden Versinkungsstellen steht und andernteils an den 
Ufern neue Versinkungsstellen in Wirksamkeit treten. 
Wenn früher, bis in die Mitte der 1850 er Jahre, die Donau 
anfing, unterhalb der Versinkungsstellen klein zu werden, haben sich 
die unterliegenden Wassertriebwerkbesitzer von badisch-Möhringen, von 
Tuttlingen, Ludwigsthal, Mühlheim u. s. w mit den Bewohnern der 
Stadt Möhringen vereinigt und auf dem Wege der Selbsthilfe die 
hauptsächlichsten Versinkungsstellen mit Reisig, Schilf, Kies und Schlamm 
verstopft und die Kiesbänke im Flußbett, die die Wasser an den 
Versinkungsstellen aufstauen und deshalb eine vermehrte Wasserver 
sinkung bewirken, mit Pflügen durchfurcht, um dem Wasser durch die 
Furchen einen, wenn auch geringen Abfluß zu verschaffen. Derartige 
Vorkehrungen, die jeweils durch die folgenden Hochwasser zerstört 
wurden, schützten notdürftig vor vollständiger Austrocknung des 
Donaubettes. 
Dies soll noch zu ende der 1860 er Jahre geschehen sein; seit 
dem Jahre 1875 ist es bei Vermeidung schwerer Strafe verboten, 
eine Aenderung im oder am Flußbett vorzunehmen. Ob infolge 
dieses Verbots ober ob infolge allmähliger Vergrößerung der Spalten 
die Dauer der vollständigen Versinkung zugenommen habe, soll hier 
dahingestellt bleiben. Thatsache ist, daß die vollständige Versinkung 
früher, infolge der schon frühzeitig ergriffenen Gegenmaßregeln nie 
eintrat, in den trockenen Jahrgängen 1891 und 1893 aber 154 
bezw. 172 Tage lang dauerte, so daß während diesen Zeiten kein 
Tropfen Donauwasser die Landesgrenze bei Tuttlingen überschritten 
hat. In solchen Zeiten ist der erste, in das trockene Donanbett wieder 
Wasser spendende Nebenfluß der durch die badische Stadt Möhringen 
fließende Krähenbach und die bei Tuttlingen mündende Elta. (Vergl. 
Figur 1.) 
Die großen Benachteiligungen, die durch das vollständige Aus 
bleiben der Donauwasser den unterliegenden Wafferwerksbesitzern er 
wachsen, sind in die Augen springend. Aber auch die Ortschaften Möh 
ringen und Tuttlingen selbst leiden in sanitärer Beziehung unter 
diesen mißlichen Verhältnissen, denn aller Unrat und alle möglichen 
Abfallstoffe sammeln sich das Jahr über im Flußbett an, gehen, da 
die Wasser meist zur heißen Jahreszeit versiegen, mit den vielen 
vorhandenen Wasserpflanzen, rasch in Fäulnis über und verbreiten 
einen schrecklichen Geruch. Auch sind die Klagen der Wiesenbesitzer 
über Schmälerung des Erträgnisses ihrer im Donauthal gelegenen 
Wiesen sehr häufig, weil mit dem Ausbleiben des fließenden Wassers 
der Grundwasserspiegel sich senke und die Nebclbildung beeinträchtigt 
werde. In hohem Maße leidet unter diesen Mißständen auch die 
Fischzucht. Der Donanlanf zeigt abwechselnd Kiesbänke mit dahinter 
liegenden tiefen Wasserwagen; die letztem trocknen, wenn der Zufluß 
aufhört, nach und nach aus; größere Fische werden aus den stag 
nierenden Gumpen ausgefischt, aber Hunderttausende von kleinen und 
kleinsten Fischen müssen, soweit sie nicht vorher von Vögeln geholt 
werden, als Leichen, an denen eine Unzahl Würmer haftet, aus 
hygienischen Gründen jährlich verscharrt werden; gerade das Zugrunde 
gehen dieser kleinen Fische und der Fischbrut schadet der Fischerei 
am meisten. Aber auch, wenn die Gumpen nicht austrocknen, verenden 
die Fische in Ermanglung der Zufuhr des im fließenden Wasser 
enthaltenen gelösten Sauerstoffs. 
Die Frage, wo die versunkenen Donauwasser wieder zu Tage 
treten, beschäftigte in den 1850 er Jahren lebhaft die Gemüter. Wie 
bereits erwähnt, wurde schon vor 200 Jahren der Beweis erbracht, 
daß die Wasser die bei der Stadt Aach entspringende sog. Radolf- 
zeller Aach speisen. Bekräftigt wurde diese Annahme durch die That 
sache, daß diese Quelle nach im Donauthal niedergegangenen starken 
Regengüssen und Gewittern stärker und sehr trübe lief. 
Der ursächliche Zusammenhang dieser beiden Erscheinungen wurde 
infolge der unten geschilderten Wasserstreitigkeiten auf Anordnung des 
Großh. Badischen Handelsministeriums in den Monaten September 
und Oktober 1877 durch den Geheimen Hofrat Dr. Knop auf Grund 
von zwei wissenschaftlichen Untersuchungen aufs untrüglichste nach 
gewiesen. 
Ein Vorversuch mit 4 Fässer Schieferöl, das in die Versinknngs- 
stelle der untern der 3 erwähnten Gruppen versenkt wurde, verlieh 
dem Aachwasser einen kreosotartigen Geschmack, nnd hatte den Zweck, 
einen Maßstab für die ungefähre Dauer zu gewinnen, die das Wasser 
braucht, um den Weg von der Donau zur Aach zurückzulegen. 
Bei dem zweiten Versuch, dem Hauptversuch, wurden 200 Ztr. 
Steinsalz an den Donau-Verstnkungsstellen eingeworfen. Die ersten 
Spuren der Versalzung der Aach erschienen nach etwa 20, das Maxi 
mum nach 60 Stunden, und das Ende trat nach etwa 90 Stunden 
auf. Der Gesamtverlauf der Versalzung in der Aachqnelle dauerte 
71 Stunden. 
Mit Hilfe einer angestellten quantitativen Analyse der Aachwasser 
auf Chlornatrium, wobei in 1—1 Vs ständigen Pausen 84 Proben 
der Aachquelle entnommen wurden, erhielt man die in Fig. 6 dar 
gestellte Versalzungskurve. An Hand der weiter mit dem Versuch 
verbunden gewesenen Wassermengemessungen wurde ferner festgestellt, 
daß 185V, Zentner Chlornatrium an der Aachquelle wieder zum 
Vorschein kamen. Bedenkt man, daß das eingeworfene Salz 3—4°/» 
Feuchtigkeit und etwa 2°/» fremde Stoffe enthielt, daß ferner die 
Wasserführung der Aach nur annähernd zu 3500 Sekundenliter be 
stimmt worden war, so läßt sich mit Grund annehmen, daß die 
gesamte Menge Salz in der Aachquelle wieder zu Tage trat. Gleich 
zeitig wurde erhoben, daß die Donau damals etwa die Hälfte der
	        
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