Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1898-1904)

25 
25 000 JI. und nun konnte der Bau beginnen, nachdem eine provi 
sorische wasserbaupolizeiliche Konzession vorlag. 
Wie Sie aus dem Plan über die Pumpstation ersehen (Taf. II 
Fig. 2), wurde eine Girard-Turbine mit parzieller Beaufschlagung 
gewählt, welche das Triebwasser aus einer 700 mm weiten guß 
eisernen Rohrleitung zugeführt erhält. Die Turbine hat 3,8 m 
Durchmesser und macht 40—45 Umdrehungen in der Minute, also 
nicht zuviel für den Pumpenbetrieb, und es konnten, so ohne Ueber- 
setzung durch Stirnräder die Kurbeln unmittelbar an der horizontalen 
Turbinenwelle angebracht und mittelst Pleyel-Stangen die zu beiden 
Seiten der Turbine angeordneten horizontal gelagerten Pumpen be 
trieben werden. 
Das Turbinenrad wurde so tief gestellt, als es das höchste 
Hochwasser zuließ, die Quelle liegt aber ca. 5 m höher als die Pumpen, 
somit drückt das Förderwasser von selbst in die Pumpen hinein und 
braucht nicht angesaugt zu werden. Bekanntlich ist es nun aber 
schwierig, bei dieser Anordnung die nötige Luft in den Windkessel 
zu bekommen, denn die sog. Schnüffelventile bringen ja nur Luft 
zu, wenn die Pumpen saugen müssen; durch ein höchst einfaches 
Mittel konnte hier abgeholfen werden. Ein für gewöhnlich durch 
Schieber abgeschlossenes Uebereich an der Quellzuleitung, welches 
einige Meter tiefer liegt als die Pumpen, wird solange zur Wirkung 
gebracht, als Luft gesaugt werden will. 
Der Wirkungsgrad der Turbine, welche, wie die beiden doppelt 
wirkenden Pumpwerke, aus der Eßlinger Maschinenfabrik stammt, ist 
gegen 80 Prozent, der Gang der Maschine ist äußerst ruhig, die 
Anordnung läßt sich am besten aus den Plänen ersehen. 
Die Pumpwerke sind symmetrisch, zu beiden Seiten des Rades 
angeordnet als liegende, doppeltwirkende mit je besonderen, durch 
Zugstangen mit einander verbundenen Plungerkolben. Dadurch werden 
nur 2 Stopfbüchsen nötig statt 3. 
Daß Alles hier stark konstruiert sein muß bei 300 m Förder 
höhe, versteht sich von selbst. 
■ Nun wird man wohl fragen, warum entlang dem bewaldeten 
Abhang nicht ein offener Kanal gemacht worden sei, anstatt der 
teuren gußeisernen Betriebsrohrleitung. 
Die Gründe dafür waren: Einmal die zum Rutschen geneigten 
Partieen der dortigen Halde, welche ohne Zweifel sehr kostbare Sub- 
struktionen notwendig gemacht und die Dichthaltung des Kanals sehr 
erschwert haben würden. Sodann war seitens der Forstverwaliung 
das Recht vorbehalten, jederzeit nach dem an jener Halde entdeckten 
Aplit, welcher für die Straßenunterhaltung ein kostbares Material 
darstellt, graben zu können, ohne durch die Kanal-Anlage gehindert 
zu sein. 
So war kein anderer Weg übrig als die Thalsohle und damit 
auch die geschlossenen Röhren. Gußeisen wurde gewählt, um vor 
Rost sicher zu sein und das Ganze unterirdisch anlegen zu können. 
Für spätere Generationen bleibt nun noch die Möglichkeit, je 
nach Bedarf, unter Benützung des flußaufwärts noch verfügbaren 
Gefälles, die Kraft wesentlich zu erhöhen. Es ist alsdann nur 
ein neues Wehr nötig und die Verlängerung der Röhre nach aufwärts. 
Wenn nun das Wasser, 10 bis 12 Sekundenliter, die steile 
Höhe von 300 m erklommen hat, so ergießt es sich zu kurzer Rast 
in den Hochbehälter bei Aichelberg, Hühnerberg. Meereshöhe: 806 in. 
(Uebersichtsplan und Längenprofil auf Taf. I.) 
Unterwegs zweigt schon ein Rohrstrang ab nach Meistern, um 
nach Durchquerung der tief eingeschnittenen kleinen Enz wieder in 
die Höhe zu steigen nach Agenbach, Würzbach, Naislach, Röthenbach, 
Sommenhardt, Lützenhardt, Speßhardt, Oberried und Alzenberg; ferner 
ein Zweig von Agenbach bis Oberkollwangen und Breitenberg. Da 
wir das Wasser in das Hauptreservoir unten einführen, so steht es 
auch wieder auf demselben Wege zur Verfügung, so daß der obere 
Teil der Druckleitung mit 150 mm Weite zugleich als Verteilungs 
leitung für den genannten Zweig der Anlage dient. Diese Ab 
zweigung ist allein 26 km lang. 
Vom Hauptreservoir aus geht ein zweiter Strang mit 100 mm 
Weite nach Hühnerberg, kreuzt dann ebenfalls die kleine Enz bei der 
Rehmühle, steigt wieder empor nach Hofstett, Neuweiler, Zwerenberg, 
Gaugenwald, Martinsmoos, Wenden, Ebershardt, Mindersbach 
Dieser Zweig hat eine Länge von 23 km. 
Der dritte Strang geht nach Süden, Aichelberg, kreuzt ebenfalls 
die kleine Enz, Aichhalden, Oberweiler, Simmersfeld, Ettmannsweiler, 
Hornberg, Beuren, Lengenloch, Heselbronn, Zumweiler, Altensteigdorf,' 
und endlich steigt die Leitung ins Nagoldthal, oberhalb Altensteig, 
um Garrweiler auf der anderseitigen Höhe zu versorgen. Dieser 
Zweig mißt 24 km. Dabei sind die Abzweigungen der Rohrnetze 
in den einzelnen Orten nicht inbegriffen. Die Kaliber der Zu- und 
Verteilungsleitungen sind jeweils dem verfügbaren Gefälle und der 
auf dieselben treffenden Einwohnerzahl angepaßt. 
Da das erste Reservoir zunächst an der Pumpstation zugleich 
das höchstgelegene ist, so konnten von ihm aus alle übrigen Behälter 
gespeist werden. Der Nutzraum desselben murde auf 640 cbm fest 
gestellt mit 2 Kammern. (Taf. II Fig. 3.) 
Mit den übrigen Reservoiren wurde etwas haushälterischer ver 
fahren, doch mußten, um keine zu langen Verteilungsrohrleitungen 
zu erhalten und dadurch die Wirkung zu sehr abzuschwächen im 
ganzen 18 kleinere Hilfsreservoire erstellt werden, deren Größe 160 
und 50 cbm ist. (Taf. II Fig. 4.) Außerdem wurde ein Druck 
regulator eingeschaltet, dessen Inhalt 8 cbm beträgt. (Taf. II Fig. 5.) 
Wie Sie sehen, sind diese Bau-Objekte in denkbar einfachster Form 
hergestellt. Es ermöglicht dies, auch kleinen Landmeistern die Sache 
zur Ausführung zu übertragen, und den Verdienst in den betreffenden 
Ortschaften zu lassen. 
Die Dichtigkeitsproben haben zu keiner Ausstellung Anlaß 
gegeben. 
Die Kosten der Reservoire stellen sich nach der Abrechnung für 
1 cbm Fassungsraum bei den großen auf 27 bis 33 JI., bei den 
kleineren auf 40 bis 55 Ji. 
Bei Dnrchscheidung der tief eiugeschnittenen Thäler werden selbst 
verständlich die Rohrleitungen zum Teil stark beansprucht. Es mußten 
daher die Röhren in verschiedenen Stärken geliefert werden. Dabei 
ging man von dem Grundsatz aus, daß bis zu 10 nt Betriebsdruck 
die Röhren auf 20 at Probedruck bestellt werden, während von 10 
bis 20 at Betriebsdruck 30 at, weiter hinauf 40 und für den untersten 
Teil der Druckleitung vom Maschinenhaus an 50 at Probedruck ver 
langt wurden. 
Die Gesamtlänge der in der Gruppe verlegten und nach dem 
Projekt noch zur Verlegung kommenden gußeisernen Röhren, abgesehen 
von den Hauswasserleitungen, beträgt 90 km, Hauswasserleitungen, 
welche, soweit sie unter den Boden kommen, aus Gußeisen sein müssen, 
sind es zusammen 1200 mit 20 km Röhren. 
Innerhalb der Ortschaften werden in der Regel keine Wasser 
zinse erhoben, das Ganze wird nach dem Steuerfuß umgelegt und 
jedem die Röhre bis an das Haus geführt. Damit bezahlt der 
Reiche mit an dem Wasser des Armen. 
Da fast alle Hausbesitzer die Leitungen einführen, so sind nur 
ganz wenige Brunnen nötig. Letztere werden natürlich „selbstschließend" 
konstruiert. 
Die Hydranten sind nach dem in Württemberg vorzugsweise 
eingesührten und den Feuerwehren geläufigen System „Unter Flur" 
in Schächten, in welchen auch die Abzweighahnen für die Privat 
leitungen untergebracht sind. 
Die gußeisernen Röhren, für deren Bezug der Vertrag mit dem 
Kgl. Hüttenwerk Wasseralfingen schon Frühjahr 1897 abgeschlossen 
wurde, sind sehr billig im Vergleich mit den heutigen Preisen. Die 
jenigen mit 100 mm Lichtweite kosten beispielsweise samt Transport 
und Legen pro m 3 30 während dieses Kaliber heute 
5 Ji kostet. 
Die Grabarbeiten für die Rohrstränge wurden streckenweise 
wegen der vielen Felsen etwas teuer, es kam der m durchschnittlich 
auf 1 Ji 50 
Alle baulichen Arbeiten konnten, mit verschwindenden Ausnahmen, 
an Angehörige der Gruppe vergeben werden. Der Kosten-Anschlag, 
einschließlich aller nachträglich beigetretenen Gemeinden, beziffert sich 
auf 812 500 Ji, welche Summe, soweit schon jetzt beurteilt werden 
kann, nicht ganz erreicht werden wird. Es ist vielmehr infolge
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.