Die fiktionale oder mimetische Gattung
wir, daß in jedem dieser Texte, und in jedem auf die verschiedenste Weise,
ein so enger inhaltlicher und stilistischer Zusammenhang zwischen Bericht-
und Dialogpartie besteht, daß sie - wir dürfen sagen: im genauen Sinne der
Gestaltpsychologie - zu einer ästhetischen Gestalt zusammengeflossen, ver
schmolzen sind. Dennoch bemerken wir zwischen den drei Textgestalten
Unterschiede der Art und auch des Grades dieser Verschmelzung. Wir
haben den Eindruck, daß im Kafkatext Bericht- und Dialogpartie nicht ganz
so fließend ineinander übergehen wie im Eichendorff- und im Schapertext.
Dies hat denn auch seine Ursache, die aber das Phänomen nicht beeinträchtigt.
An der Stelle aus Kafkas »Schloßt handelt es sich um die Darstellung einer
Gegenständlichkeit, des durch Geländer, Laterne und die gräfliche Fahne
gekennzeichneten Wirtshauses. Was die Personen K., Olga und der Wirt
reden, hat nicht unmittelbar auf das Aussehen des Hauses Bezug, sondern
auf seine besondere Bewandtnis: K. darf dort nicht übernachten, weil es für
die Herren vom Schloß reserviert ist. Aber trotz dieser Grenze zwischen Be
richts- und Gesprächsinhalt erscheint uns dieser Inhalt als ein einziger zusam
menhängender Komplex. Im Gespräch wird das unheimlicheWirtshaus weiter
ausgestaltet, in seinem ‘Innenraum’ gewissermaßen, der im Bericht durch
das verbergend enthüllende »keine größeren Unterschiede, aber kleinere
Unterschiede waren doch gleich zu merken« vorbereitet ist.
Schmelzen hier sehr kunstvoll Bericht und Gespräch zusammen zur Ge
staltung einer unheimlich undurchschaubaren Außensphäre - und ist dies
nicht Sinn und Stil von Kafkas Werk überhaupt? - so bieten Text i und
Text 3 weit einfachere, weil traditionellere Beispiele für die Gestalteinheit
von Bericht und Gespräch. Sie sind um ein Jahrhundert voneinander ge
trennt und gerade deshalb beweiskräftig für diese dem fiktionalen Erzählen
notwendig wesensmäßig zukommende Eigenschaft. Auch in dem Stück aus
Eichendorffs >Dichter und ihre Gesellen< ist der Stoff an Erzählung und
Dialog aufgeteilt. Aber diese Aufteilung geht hier fließender vor sich. Hier
ist der Sachverhalt emotionalen Charakters, die Sprechenden, die Schau
spieler und Otto, sind jeder auf seine Art innerlich an der Sache beteiligt, um
die es geht: Ottos Erstlingsstück, das den Schauspielern zur Beurteilung
vorliegt. Der Wortschatz des Berichtes schon bezieht sich auf die jeweilige
Erlebnisart der Sache, nicht, wie im Kafkabeispiel, auf die Sache selbst:
»der erstaunte Otto in seiner poetischen Unschuld, gelassen, mäkeln, her
ausplatzen« usw. Vor allem aber wird die Stellungnahme zur Sache schon
berichtend zum Ausdruck gebracht, sei es als Inhalt der nicht explizit wie
dergegebenen Gespräche: »der Dialog war zu phantastisch, die Dame gar
zu verliebt«, sei es als Inhalt der Gemütsverfassung des jungen Dichters:
»diese Mädchengestalt war ihm gerade die schönste . . .« Was da nun ge
sagt, was gedacht, was gefühlt ist - Gespräch und Bericht also - geht un